Frauenfußballmissverständnis

Es war ja eigentlich klar, dass man zu Zeiten einer Frauenfußball-Weltmeisterschaft im eigenen Lande nicht in Ruhe keinen Fußball gucken darf. Wenn es um Frauen in Männerdomänen geht, werden Gefälligkeitshobbys zu Staatsbürgerpflichten. Und gerade diejenigen, die von Fußball keine Ahnung haben, das auch genau so schreiben*, fangen plötzlich an mit Vorwürfen, man sei als expliziter Frauenfußballverweigerer gleich den Homophoben.

Die Formel ist ganz einfach: Der der Fußball nur zu WM- und EM-Zeiten guckt hat keine Ahnung vom Fußball. Er verweigert sich dem Fundament des globalen Fußballgeschehens, lässt den Vereinsfußball links liegen und nascht alle zwei Jahre von den Sahnehäubchen. Solange diese Rosinenpickerei persönlich als Fußballerleben klassifiziert wird, ist klar, dass man mal eben, weil Frauenfußball-Weltmeisterschaft ist, für einen Monat staatstragendes Interesse zeigen kann.

Für viele andere Fußballfreunde ist Fußball jedoch ein kleinwenig mehr. Ein Generationen verbindendes Ereignis, das selbst große Städte wöchentlich in Tollhäuser verwandelt, von dem man sich Geschichten, manchmal auch Geschichte, erzählt, die ständig fortgeschrieben wird.

Wer glaubt, man müsse jetzt Fußball gucken, weil Frauen auch das Recht haben Fußball zu spielen, irrt. Wer glaubt, über Fußball dürfe man keine dummen Witze machen, irrt noch mehr. Wer glaubt, der Sexismus zur Frauenfußball-WM sei im Publikum entstanden und keine Marketingstrategie der Veranstalter, irrt gewaltig.

Der Moment der Akzeptanz von Frauenfußball ist dann gekommen, wenn bei einem Bundesligaspiel von der Tribüne und vorm Fernseher gerufen werden kann: „Du spielst ja wie ein Mädchen!“ und nicht missverstanden wird, weil irgendwelche zuhörenden Leute, wegen eigener Stereotypdenke, die Unterscheidung „Mädchen/Junge“ „Mädchen/Frau“ verwechseln. Frauenfußball ist dann akzeptiert, wenn diejenigen, die anderen einen „Stock im Po“ unterstellen sich ihres eigenen Pfahls entledigt haben.

*kurz noch mal einen ergänzenden Blick geworfen: Der oben verlinkte Enno findet, Frauenfußball sei toll, weil es endlich mal „einfach nur Fußball“ ist, ohne „Holland-Komplex“, „Wembeley-Tor-Lala“ usw.

Veröffentlicht von Stefan Schulz

Diplom-Soziologe aus Jena via Bielefeld in Frankfurt am Main. Kümmert sich promovierend um die Bauernfamilien des 12. Jahrhunderts mit ihrem Problem der erstmaligen "Kommunikation unter Unbekannten" und ist heute Journalist. stefanschulz.com

9 Kommentare

  1. Enno sagt:

    Danke für eure Aufmerksamkeit. Hättest du den Artikel bis zum Ende gelesen, hättest du gemerkt, dass ich Frauenfußballgucken keinesfalls zur Staatsbürgerpflicht mache. Wie auch, mache ich ja noch nichtmal mit Männerfußball. Mir ging es nur um die Begründungen, mit der viele Männer-Fußballgucker Frauenfußball ablehnen – und da ist immer noch eine ganze Menge Sexismus im Spiel, weil sie meistens auf eine einzige Aussage reduziert werden können: „Urgs, da spielen ja *Frauen*.“ Ich sehe auch nicht, warum man für diese Debatte Ahnung von Fußball haben müsste. Ich verlinke ja Fred, der nun wirklich Ahnung hat und es komischerweise schafft, einen ganz entspannten Artikel zum Thema zu schreiben. Klar kann man Frauenfußball langweilig finden, weil es Amateur-Fußball ohne Pressing ist – nur warum sagen so wenige Leute einfach das und schwafeln was von „Kultur“, „Herzblut“ usw.? Da beschleicht mich der Verdacht, dass eben doch viele Männer stinkig sind, dass Frauen in ihre Ersatzreligion eindringen.

  2. Stefan Schulz sagt:

    Deine Argumenteresistenz ist wirklich bemerkenswert.

  3. David_Theis sagt:

    Ich gebe dem Autoren Schulz hier in allen Punkten Recht!

    Auf den ersten Blick ist es recht auffällig, wie der gemeine deutsche Bayern-Fan seit Tagen emsig betont, wie stinklangweilig Frauenfußball doch sei. Hier erlebe ich ganz persönlich (und ich habe ein sehr fußballinteressiertes Umfeld) jedoch keine sexistische Debatte, sondern vielmehr ein Abwatschen des Damenfußballs als „wenig robust“, „langsam“ und „technisch miserabel“. Was leider zutrifft. Die Argumentation verhält sich hier aber keineswegs anders, als etwa beim Damentennis oder Damenboxen. Dies ist jedoch gar nicht der Kernpunkt in einer fehlgeleiteten Diskussion, denn Autor Enno erhebt, das glaube ich ihm gerne, den Frauenfußball NICHT zur Staatsbürgerpflicht. Er verkennt lediglich, was Kollege Schulz aber bereits richtig analysiert hat: Der Sexismus wird in die Großveranstaltung Fußball-WM 2011 mitnichten von der Fanseite herangetragen, sonder kommt von innen. Die deutsche Imagekampagne (FIFA und T. 20er können die Krisen-PR ja derzeit gebrauchen) des DFB zielt in ihrer Darstellung der deutschen Fußballerinnen klar auf das Attribut „sexy“ ab, was man wohl nicht extra kommentieren muss. Weiterhin bleibt ein brandheißes Thema wie der Ausschluss homosexueller Nigerianischer Spielerinnen in der deutschen Fanmeile/Medienlandschaft GÄNZLICH unerwähnt. Da darf man sich wohl nicht wundern.

    Dass einige Männer Angst vor der Popularität des Frauenfußballs haben, lasse ich gerne so stehen. Allein: Bei der Analyse der Motive stimme ich nicht mit Enno überein.

  4. Enno sagt:

    Ach im Blogpost oben standen Argumente? Wo denn? — Und darf man mal in aller Bescheidenheit fragen, warum es gerade die „richtigen“ Fußball-Fans sind, die Vereinsfußall goutieren, die jetzt keinen Frauenfußball sehen wollen? Deren Interesse müsste doch sogar noch größer sein als bei Leuten wie mir, die nur EM/WM schauen. Wobei ich auch nicht verstehe, was an der so genannten „Rosinenpickerei“ verwerflich sein soll und warum man dann nicht mehr mitreden dürfen soll.

    BTW: „Du spielst wie ein Mädchen“ wird nie OK gehen, weil das impliziert, dass Mädchen nicht oder nur schlechter spielen können. Welches Menschenbild steckt dahinter, „Mädchen“ als abwertendes Schimpfwort zu benutzen? Eben doch Chauvis.

  5. Enno sagt:

    Ach und noch etwas: „Du spielst wie ein Mädchen“ als abwertende Floskel hat übrigens in sich schon sehr viel mit Homophie zu tun. Im Fußball müssen Männer halt immer noch „echte Männer“ sein. Wie entlarvend eigentlich.

  6. Stefan Schulz sagt:

    Enno, hier liegt eventuell ein Missverständnis vor. Ich rede von Sport, du von Moralphilosophie oder sowas. Wenn jemand vor meinen Augen über den Platz stolpert und ich gern hätte, dass derjenige/diejenige besser spielt, dann sage ich: „Reiss dich zusammen, du läufst ja wie meine (14 Monate alte) Tochter“. Du kannst dir nun aussuchen, ob du als Moralpolizist das Jugendamt Bielefeld anrufst oder dein Engagement anderen, entlarvenderen Dingen widmest.

  7. David_Theis sagt:

    @ Enno: Es liegt doch auf der Hand! Die „richtigen“ Fußballfans sind Fußball gewohnt, bei dem z. B. spätestens alle 2 Sekunden der Ball abgespielt wird. Mit anderen Worten: Fußball, der qualitativ etwa so weit vom Frauenfußball entfernt ist, wie Stefan Raab gegen Regina Halmich von Vitali Klitschko. Ich persönlich bin an die 10 Mal im Jahr im Stadion und kann nur sagen: Frauenfußball ist mir sportlich gesehen ein Gräuel. Was aber kein Vorwurf sein soll, der Sport steckt ja noch in den Kinderschuhen.

    Des Weitern: Zeig mir doch bitte die direkte Verbindung zwischen dem Wort „Mädchen“ und „Homophobie“. Zwar ist Homophobie der männlichen Fankultur durchaus immanent, jedoch ist gerade dieser Ausspruch ein denkbar schlechtes Beispiel! Denn Frauen spielen nunmal schlechter als Männer. Was will man dagegen tun, wenn die deutsche Frauen-Nationalelf von einem Bezirksligateam 7:0 die Hütte voll bekommt? Wie gesagt: Beliebig auf andere Sportarten anwendbar. Nett? Nein! Homophobie? Diskriminierung? Nein, in meinen Augen nicht, tut mir leid. Generell entspricht die Konnotation „spielen wie ein Mädchen“ zwar A. Dal Lagos Freund/Feind Schema, das Fanstrukturen ja in die (ideologische) Nähe zur Fremdenfeindlichkeit rückt, jedoch sehe ich hier wirklich einen Sonderfall, da die Äußerung nicht zwangsläufig eine Herabwürdigung aller Frauen implizieren MUSS, sondern genau so gut einen Vergleich der „Qualität“ im Herren- bzw. Damenfußball darstellen kann.
    Da muss man vorsichtig sein, sonst ist man schneller auf dem Gebiet des freien Interpretierens angekommen, als man zunächst bemerkt.

  8. Siri sagt:

    „Zeig mir doch bitte die direkte Verbindung zwischen dem Wort “Mädchen” und “Homophobie”.

    Er meint sicher Homphilie oder Misogynie, denn Homophobie ist der Haß aufs Gleichartige. Hier ist das Bespiel:
    Hook (Bushido):

    Du bist ein Mädchen das sofort weint, jetzt liegen Zähne auf dem Bordstein,
    du Opfer bitte rede nicht von Vorteil, rede nicht von Bordstein.
    Du Nutte rede nicht von Unterschicht, hörst du wie Montana deine Mutter fickt.
    Fotze die sofort weint, jetzt liegen Zähne auf dem Bordstein,
    du Opfer bitte rede nicht von Vorteil, rede nicht von Bordstein.
    Du Nutte rede nicht von Unterschicht, Sonny Black der der deine Mutter fickt.

    http://www.justsomelyrics.com/1872407/Bushido-Du-M%C3%A4dchen-Lyrics

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