Rasende Konzertsäle, Hochgeschwindigkeitskinos

Ich war gestern im München, bei einer von den dortigen Filmfestspielen gerahmten Diskussion über das Urheberrecht. Auf dem Podium saßen ein Filmmanager, ein Filmregisseur und ein Filmautor zusammen mit zwei Politikern und einem Internetserviceprovider-Verbandsvertreter. Man sprach ziemlich einseitig über das Urheberrecht, aber nicht ohne die ‚Gegenseite‘, von der kein Vertreter da war, zu vergessen – denn dazu ist der Leidensdruck derzeit viel zu hoch, ich berichte heute in der F.A.Z. darüber.

Interessant war neben dem Gespräch vor Ort aber auch der Weg dorthin. Denn nach München sind es von Frankfurt etwas über drei Stunden mit dem Zug. Wenn man 10 Uhr da sein will, muss man noch vor sieben in den Zug und der fährt dann drei Stunden mit Halt in Aschaffenburg, Würzburg und Nürnberg, fast durch.

Es bietet sich an, die Zeit im Zug für Vorbereitungen zu nutzen. Ich hatte für meine Aufgabe Lesekram zu Film & Urheberrecht dabei. Aber sieben Uhr morgens ist nicht die richtige Zeit für lange Texte und komplizierte Argumente, nicht einmal bei geschlossenen Augen. Und so ging es allen im Zug. Die eine Hälfte der Fahrgäste schlief nämlich, während die andere Hälfte Kultur genoss!

So ist es nämlich heute. Während Helmut Dietl zurecht um das Kino kämpft, wohin jedoch viele Leute nur noch am ermäßigten „Kinotag“ gehen, sitzt jeder zweite Bahnfahrer morgens um sieben mit einem iPad im Abteil und guckt einen Film. Die, vom medienpolitischen Sprecher der CSU-Fraktion in Bayern, Eberhard Sinner, gestern beschriebene „Generation sofort“ ist nämlich auch eine „Generation immer und überall“. Es gibt ja tatsächlich kaum eine bessere Zeit sich Kultur zu widmen als im Zug. Dort werden schon immer Bücher gelesen, seit längerem Musik gehört und, recht neu, Filme geguckt – ohne Ablenkung.

Wer also noch ein Hausarbeitsthema sucht: Es fehlt noch eine ICE-Soziologie, die das Großraumabteil als mannigfaltigen Kulturraum untersucht, und sei es zu Beginn nur rein deskriptiv. Als Biotop eignet sich auch die Sprinterverbindung zwischen Frankfurt und Berlin. 3:35h fährt der Zug (manchmal ohne den Halt in Hannover) durch Deutschland. Meiner Ansicht nach würde die Studie zu einem Ergebnis führen, welches die Bahn sicherlich gerne vorwegfinanziert. ;)

(Bild: Simon Pielow)

Veröffentlicht von Stefan Schulz

Diplom-Soziologe aus Jena via Bielefeld in Frankfurt am Main. Kümmert sich promovierend um die Bauernfamilien des 12. Jahrhunderts mit ihrem Problem der erstmaligen "Kommunikation unter Unbekannten" und ist heute Journalist. stefanschulz.com

1 Kommentar

  1. Henrik sagt:

    !!!!!!!!!!

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