Es ist nicht schwierig, eine strukturelle Kopplung zu erklären. Der schwierigste Teil ist immer, ein attraktives Beispiel zu finden, an dem sich die Theorie veranschaulichen lässt. Heute Morgen präsentierte sich ein neues Paradeszenario: Die EU-Anstrengungen zur Senkung der SMS-Roaming-Kosten.
Die theoretische Vorarbeit ist folgende: Jedes soziale, psychologische oder biologische System ist operativ geschlossen aber kognitiv offen. Operativ geschlossen bedeutet, dass jede Operation und damit jedes Ereignis gezwungen ist, in einem historischen Kontext zu stehen. Informationen dürfen nicht aus heiterem Himmel „erscheinen“, sondern müssen im Rahmen des Systems und seiner Vorgeschichte kontextualisiert, in Verhältnisse gesetzt, werden. Operativ geschlossene Systeme sind also nicht blind, sondern sie interessieren sich ganz bewusst nur für das, was für sie interessant oder nützlich erscheint.
Die Funktionssysteme der Gesellschaft spitzen diese Vorgehensweise maximal zu. Für sie gibt es gewissermaßen nur noch eine binäre Entscheidung: „In meinem Sinne sinnvoll oder nicht?“ So gehen Politiker (am liebsten) nur auf Sachverhalte ein, die für sie nützlich im Sinne von Macht erhaltend sind. Unternehmer interessiert nur noch, was Gewinn bringt. Redakteure interessiert nur, was Leser bringt. Usw. Dabei können alle Akteure auf ein und dasselbe Ereignis schauen – und trotzdem völlig Unterschiedliches sehen, was sie zu ganz unterschiedlichen Handlungen motiviert. Wenn das geschieht, spricht man von einer strukturellen Kopplung, die eben nur strukturell aber nicht operativ ist.
Beispiel: Der politische Versuch, SMS Preise innerhalb Europas auf 11 Cent zu begrenzen. Das dies im Jahre 2008 passiert, kommt nicht von ungefähr. Wer schreibt heute noch eine teure SMS, wenn er kostenlos Videotelefonie machen kann? Keiner, und deshalb ist es Zeit, der Welt zu verkünden, dass SMS billiger werden.
Die Massenmedien generieren durch solche eine fröhliche Nachricht Leser. Politiker können sich positionieren, da Aussicht auf Profilierung besteht und die Telcos ermuntern die letzten, eisernen SMS-Schreiber, bevor ihnen da die Fälle gänzlich davon schwimmen. Win-Win-Win ;-)
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