Diffusion oder Imitation? Über Kontinuitäten und Brüche nationalsozialistischer Betriebsstrukturen im Harzburger Modell

Teil 2/2

Fortsetzung von: https://sozialtheoristen.de/2021/04/16/diffusion-oder-imitation-ueber-kontinuitaeten-und-brueche-nationalsozialistischer-betriebsstrukturen-im-harzburger-modell/

3. Über die Vermenschlichung und Versachlichung der Sozialbeziehungen 

Der nationalsozialistischen Gemeinschaftsideologie lag die Vorstellung zugrunde, die Einbindung der Menschen und die untereinander bestehenden Sozialbeziehungen in intensiver Weise zu praktizieren. Höhn (1934: 12, 1938: 8) bezeichnete die Volksgemeinschaft in diesem Zusammenhang als einen Raum, der über die zwischenmenschlichen Beziehungen allein hinausginge und stattdessen sowohl die geistige als auch die biologische Seite des Menschen in seiner ganzen Existenz einnehmen solle. Der Staat, in seiner Funktion als Mittel zur Erreichung dieses volksgemeinschaftlichen Zwecks (hierfür auch Chapoutot 2021: 29ff.), müsse im Anschluss an ein gemeinschaftliches Erlebnis, welches sich insbesondere im Betrieb erzeugen und erfahren ließe, den Rückzug ins Private mittels Kontrolle und Erziehung verhindern, weil ein solches Erlebnis sonst wieder verblassen würde (Höhn 1934: 30f.; siehe auch Teevs 2004: 32).

Weiterlesen →

Diffusion oder Imitation? Über Kontinuitäten und Brüche nationalsozialistischer Betriebsstrukturen im Harzburger Modell

Teil 1/2

Viele Jahre lang galt Reinhard Höhns »Harzburger Modell« als das optimale Managementkonzept in der jungen Bundesrepublik. Die »Führung im Mitarbeiterverhältnis«, die die »Delegation von Verantwortung« im Rahmen der »Allgemeinen Führungsanweisung« samt möglichst ausführlicher »Stellenbeschreibungen« propagierte, war ein weitgehend durchformalisiertes und zweckrationales Führungsprogramm, welches vor allem in der deutschsprachigen Unternehmenslandschaft der 1960er und 1970er Jahre breit rezipiert wurde – das zeigt nicht zuletzt das Interesse hunderter renommierter Unternehmen, die im Laufe der Zeit gleich hunderttausende ihrer Mitarbeiter zu Fort- und Weiterbildungen in die Harzburger Akademie geschickt haben (Kühl 2021b; Schmid 2014).

Weiterlesen →

Reinhard Höhns Gemeinschaftskonzeption – Das Erleben der Gemeinschaft im Kleinen

Teil 2/2

Während die Vorstellung einer umgreifenden, völkisch-nationalen Gemeinschaft seit Beginn der Machtübernahme zu einer primären Zielstellung des Regimes avancierte (Wildt 2014: 53), propagierte Höhn – und im Übrigen auch eine Vielzahl anderer, gleichgesinnter (vor allem junger) Akademiker (Chapoutot 2016: 15; Stolleis 1972) – im Zusammenhang mit dem nationalsozialistischen Gesellschaftsplan die Unerlässlichkeit des gemeinschaftlichen Erlebnisses in kleineren Sozialeinheiten (Lelle 2016: 212). Die Zugehörigkeit eines jeden »Volksgenossen« zu verschiedenen Gemeinschaften gehörte in diesem Rahmen als selbstverständlich an, weil die erfolgreiche Formung der übergeordneten Volksgemeinschaft einzig auf Grundlage eines im sozialen Leben weit – oder gar umfänglich – verbreiteten »Gemeinschaftsgeistes« gelingen konnte (Höhn 1934: 12f.; siehe auch Luks 2015: 87). Solche Erfahrungen ließen sich jedoch, so das Argument des Staatstheoretikers, nicht als alleinstehendes Individuum, sondern lediglich als Glied einer Gemeinschaft machen (Höhn 1934: 9, 15f.; 1935: 11ff., 63, 78).

Weiterlesen →

Reinhard Höhns Gemeinschaftskonzeption – Die Grundzüge einer nationalsozialistischen Gesinnung

Teil 1/2

Kontinuitäten in personeller sowie inhaltlicher Hinsicht zwischen dem NS-Staat und der Bundesrepublik Deutschland wurden nicht nur in politisch motivierten Auseinandersetzungen in den frühen Nachkriegsjahren kontrovers diskutiert, sondern sind seit jeher auch Gegenstand wissenschaftlicher Untersuchungen. Dass es in diesem Rahmen zu mal mehr, mal weniger offensichtlichen Fortsetzungen gekommen ist, ist inzwischen mehrfach bestätigt worden – Norbert Freis (2001) Sammelband über die »Karrieren im Zwielicht« ist eines von vielen treffenden Exempeln hierfür.

Weiterlesen →