Von der List der Vernunft – Im Gespräch: der Jurist und Publizist Horst Meier

Der Kasseler Verfassungsrechtler und frühere Strafverteidiger Horst Meier schreibt seit drei Jahrzehnten über Rechtspolitik und befasst sich insbesondere mit der rechtsstaatlichen Entwicklung der Bundesrepublik, wofür er zuletzt den Pressepreis des Deutschen Anwaltsvereins erhielt. Von ihm erschienen Arbeiten zu den Verbotsprozessen gegen die SRP und NPD und zur Kritik des Verfassungsschutzes. Ein ausführliches Sozialtheoristen-Gespräch über die freiheitliche demokratische Grundordnung, dubiose Hitler-Spenden in der Nachkriegszeit, den Umgang mit extremen politischen Positionen und über den Bedarf einer unaufgeregten Bewertung.

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Zum Veranstaltungsproblem von Verfahren

Wahlen, Untersuchungsausschüsse oder Gerichtsprozesse zählen zu selbstverständlichen Phänomenen moderner Demokratien. Bezeichnet sind damit besondere Interaktionen zwischen Menschen, nämlich „Verfahren“, in denen entschieden wird, wer Recht, Geld oder Macht bekommt. Vor Gericht geht es um normierende Entscheidungen über Einzelfälle, in Verwaltungen wird über Anträge entschieden und die politische Wahl ordnet Personen bestimmten Ämtern zu. Gemeinsam ist all diesen Verfahren, dass ihr Ausgang einerseits ungewiss, andererseits aber verbindlich ist: Trotz des Einsatzes von Big-Data-Analysen können wir uns nicht sicher sein, wie andere handeln. Verträge und Vertrauen gewährleisten lediglich, dass sich nicht ständig alles ändert und sich zumindest ein großer Teil der Gesellschaft erwartungsgemäß verhält.

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Gewissensgebiete

In der Behaglichkeit eines Talksessels entschied sich Angela Merkel, nichts entscheiden zu wollen – und hatte damit gleich alles entschieden. Warum auch nicht? So verkehrt kann es nicht sein, wenn eine Regierungschefin noch weiß, wie Politik gemacht wird.

Ja, sie will, weil sie kann: Im „Brigitte“-Plausch geht es auf einmal um Fragen der gewissenhaft zu genehmigenden Tisch- und Bettgemeinschaft. Foto: Bundesregierung/Bergmann.

Nachdem an diesem Freitag der Deutsche Bundestag mit einer Mehrheit von SPD, Linke und Grünen die Ehe für Homosexuelle geöffnet hat, kommt aller Voraussicht nach eine der letzten Debatten um das Thema in Gang. Was für ein Höhepunkt dieser Legislaturperiode. Parlamentspräsident Norbert Lammert freute es. Noch nie habe er zu so früher Stunde einen so voll besetzten Bundestag vorgefunden. Innerparteiliche Widersacher und Mahner werden hinter vorgehaltener Hand ihrer Kanzlerin noch einige Male endgültiges Verscherbeln allen christkonservativen Tafelsilbers vorwerfen. Dass es Angela Merkel vermutlich um nichts anderes ging, als der Wahlkonkurrenz Wind aus den Segeln zu nehmen, werden die Kritiker, wenn auch mit der berühmten Faust in der Tasche, schließlich einsehen.

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Es gibt nichts zu verbessern

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Es ist erstaunlich wie viel wir lernen, wenn schlimme Dinge passieren. Obwohl in den Medien nicht viel berichtet wird. Fast alles was wir wissen, wissen wir von einem französischen Staatsanwalt, der vom Inhalt einer Audioaufzeichnung berichtete, die er selbst nicht hörte und auf der wohl recht wenig zu hören ist. Jemand verließ das Cockpit, jemand blieb im Cockpit, jemand klopfte und hämmerte von außen gegen die Tür des Cockpits – die Zurechnungen von Taten und Unterlassungen sind aber bislang recht haltlos.

Statt Erklärungen sollen kleine Indizien Anhaltspunkte liefern. Wie beispielsweise eine medizinische Diagnose vor sechs Jahren oder ein Arztbesuch vor wenigen Tagen. Bei Phoenix war vorhin Thomas Schläpfer zu Gast. Der leitende Oberarzt und Psychiater der Universitätsklinik Bonn sagte in etwa folgendes: Dass eine Depression zu solch einem Verhalten führen soll, ist für ihn unerklärlich. Nur massenmedial ergibt die Indizienkette bisher Sinn. Ihre Plausibilisierung nährt sich aber eher aus der ständigen Wiederholung.

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Das Zusammenspiel von „Hard Law“ und „Soft Law“

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Sozial- und Rechtswissenschaftler diskutieren in Minneapolis über die vielfältigen Eigenrechte sozialer Ordnungen

Im Unterschied zur klassischen Rechtswissenschaft diskutiert die Rechtssoziologie nicht nur Rechtsthemen im engerern Sinne als „Hard Law“. Es geht nicht nur um die Profession des Richters, die Rolle des Schöffen oder der Jury, neue und alte Gesetzeslücken oder die Akzeptanz von Verfahrensentscheidungen. Auf dem Jahreskongress der „Law & Society Association“ (LSA), der im Juni in Minneapolis (USA) tagte, fand vielmehr ein Austausch über Rechtsthemen in einem breiten, nicht-juristischen Sinne als „Soft Law“ statt.

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Verliebt, verlobt, Verfahren

Der Fall DSK aus rollentheoretischer Sicht

Der Vorhang des Gerichtsverfahrens gegen den ehemaligen geschäftsführenden Direktor des Internationalen Währungsfonds (IMF) ist vor gut einer Woche gefallen. Vergangenen Montag ging er in den Headquarters des Bretton-Woods Pfeilers noch ein letztes Mal auf, als sich der einstige Chef von seinen ehemaligen Kollegen verabschiedete und unter warmen Applaus im Auditorium empfangen und gegangen wurde.

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Hard cases make bad laws

Über die Wohlfahrtskosten und -gewinne von Absicherungen

Ein Übermaß an Absicherungen – nicht nur gegen Finanztsunamis – schmälert auf Dauer den Wohlstand, ließ Alan Greenspan, einstiger Fed-Vorsitzender der US-Notenbank Federal Reserve, am Mittwoch im Kommentar der Financial Times Deutschland verlauten. Dass sich prominente Wirtschaftswissenschaftler über eine zu hohe staatliche Regulierung der Märkte beklagen, wäre im Osten nichts Neues. Aber geht sein Plädoyer nicht auch über die gebetsmühlenartige Bürokratiekritik liberaler Lager hinaus? Ja und Nein lässt sich antworten.

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Solidarische Entsolidarisierung

In der heutigen F.A.Z. ist im Wirtschaftsteil ein kleiner Text („Eine Frage der Ehre am Golf“, S. 10) versteckt, der in den arabischen Ländern eine „geistige Revolution“ beobachtet: „Auch in den Golf-Staaten nimmt die Komplexität des Wirtschaftens zu, und eine Vielzahl neuer gesetzlicher Regelungen, sei es zum Kapitalmarkt oder zum Konkursrecht, wird dieser Komplexität gerecht.“ Das Recht gewinnt an Bedeutung und löst andere Mechanismen der (wirtschaftlichen, herrschaftlichen) Verhaltensorientierung ab: „Gerade die „Arabellion“ und die Umwälzungen in der arabischen Welt zeigen, dass sich die Jugend nicht länger dem Begriffspaar „Macht/Furcht“ fügen will.“

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Ließe sich alles retten? Schon morgen!?

Das Nachdenken über den Staat wird ja heutzutage etwas erschwert. Überall steht geschrieben, der Staat solle Banken retten, Hauptschulen und Atomkraftwerke abschaffen und, sofern er sich in der Lage sieht, Olympische Spiele veranstalten. Wenn man von diesen Luxusproblemstellungen absieht, die die Moderne dem Staat aufbürdet, bleibt von der Institution Staat ein zweiseitiges Prinzip übrig: Er soll soziale Ordnung garantieren in dem er individuelle Freiheit einschränkend und absichernd reguliert. Die Phänotypen dessen sind das Steuerrecht und das Strafrecht.

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Zum Leben verurteilt

Die Überschrift ist eine aus dem Fundus der inspirierenden Widersprüchlichkeiten, die immer wieder kurze Einwürfe und manchmal buchlange Diskussionen verursachen. Meistens driftet man mit ihnen in die Schöndenkerei ab, redet über Widerstände, die das Leben greifbar machen, über Hindernisse, die beim Blick zurück einen Weg erkennen lassen oder über unüberwindbare Barrieren, die alte Wege versperren und dadurch zu neuen führen. Wenn wir der Ratgeberliteratur glauben, können und müssen wir uns und andere zum Glück zwingen, weil Philosophen sagen, dass wir zur Freiheit verurteilt sind.

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„Was ist Öffentlichkeit?“ ist die falsche Frage

Eigentlich ist Jeff Jarvis ein Typ, dem man gut zuhören kann. Er darf sich nur nicht vorbereiten und weder über Journalismus noch Google sprechen. Bei Twig („This Week in Google“, einem Leo Laporte „Netcast“) ist Jeff Jarvis wöchentlich eine Stunde zu hören – man redet über das Neuste aus dem Internet, bereitet sich nicht groß vor, sondern liest einfach die einschlägigen Blogs und Jeff Jarvis stellt häufig kluge, naive Fragen, mit denen er die Techies etwas aus der Reserve lockt.

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Politik/Recht und das Technologieverstehdefizit

Irgendwann die Tage wurde ein „internationales Spionagenetzwerk“ im Internet gefunden, dass anscheinend vor allem die hohe Politik im Visier hatte. Tausende von Computern und hunderte von Amtsträgern sind betroffen. Die 20-Uhr-Tagesschau ergänzte die Berichterstattung mit dem zitierten Hinweis:

„Das Internet sei zu undurchsichtig um Schuldzuweisungen machen zu können.“

Allerdings ist es nicht nur das Internet, dass durch Undurchsichtigkeit politische Entscheidungen und rechtliche Konsequenzen erschwert, es ist die ganze moderne Technologie. Hier nur ein paar Themen, die zu dieser Misere beitragen: Weiterlesen →