Zu den Veränderungsblockaden in Schulen

Fast alle haben eine Meinung dazu, wie man Schulen besser machen kann. Schulen sind der einzige Organisationstyp, in dem noch eine Zwangsmitgliedschaft besteht und deswegen hat jeder – je nach eigener Schulkarriere – 9000 bis 15000 Stunden Zeit, sich Gedanken darüber zu machen, wie Schulen funktionieren, wie man da am besten durchkommt und wie man sie verbessern könnte. Über Verbesserung von Armeen, Gefängnissen oder Ministerien machen sich nicht so viele Gedanken, weil die wenigsten diese aus eigener Erfahrung kennen.

Für Bildungspolitiker, Schulverwaltungen, Leitungsebenen und Lehrer ist dies keine einfache Situation, weil sie von unterschiedlichen Seiten mit Verweis auf eigene Erfahrungen mit Ansprüchen konfrontiert werden. Es ist nicht nur wie beim Fußball, wo wir es mit Millionen potentiellen Nationaltrainern zu tun haben, die den Anspruch haben, zu wissen, was man anders machen sollte, sondern im Fall der Schule, darauf verweisen, dass man den Apparat ja aufgrund Tausenden von Stunden aus eigener Anschauung sehr genau kennt.

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Das Ende der Entfremdung?

Konsequenzen neuer Managementkonzepte für die Schule

Im Management wird zurzeit von Unternehmen geträumt, in denen Mitarbeiter täglich Sinn stiften. Sie sollten jeden Tag mindestens genauso energiegeladen und erfüllt nach Hause zurückkehren, wie sie am Arbeitsplatz erschienen sind. Dafür müssten die Mitarbeiter Freude an der Arbeit haben und sich dabei als Menschen mit all ihren Gefühlen begegnen.

Das Zielbild für diesen aus den USA herüberschwappenden Managementtrend ist das einer „Purpose Driven Organization“ – einer durch Sinnhaftigkeit getriebenen Organisation. Der Gedanke ist simpel. Wenn eine Organisation einen attraktiven Zweck hat – die Rettung der Umwelt, die Verbesserung des menschlichen Zusammenlebens oder den Weltfrieden – würden Mitarbeiter größere Freude an der Arbeit empfinden und so die Leistungsfähigkeit der Organisation steigern.

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Immer noch mehr als nur Glaubensverwaltung

Der Fall scheint klar: Die Kirchen verlieren Mitglieder – nicht zuletzt wegen Skandalen und einem wachsenden Desinteresse am organisierten Glauben. Daneben schwindet die institutionelle Bindung in vielen anderen Bereichen der Gesellschaft: in Parteien, Gewerkschaften oder Vereinen. Doch „Kirche“ bezeichnet nicht nur eine übergeordnete Organisation, einen Apparat, sondern in erster Linie tatsächliche örtliche Gemeinschaft. Die interaktive Kraft der Kirche erweist sich insofern keineswegs als unmodern.

Konfession als Kontrast: Hier steht er wohl und auch woanders – der Reformator polarisiert beträchtlich und trotzt dennoch Wind und Wetter. Bild: IMAGO

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Die brauchbare Unordnung der Lehre

Diese Bestuhlung lässt die Herzen der traditionell Lehrenden höher Schlagen – (digitales) Methodenfeuerwerk und politische Korrektheit? Nein Danke. Foto: Peter Miller /Flickr (CC BY-NC-ND 2.0)

 

Von Marcel Schütz und Lukas Daubner*

In der Universität gibt es derzeit eine große Erzählung: vom Defizit ihrer Lehre. Marginalisiert erscheine sie, für wissenschaftliche Karriere praktisch unnütz. Wo man auch hinhört, pessimistischer Grundton. Diesem Mangel, heißt es, sei mit strategischer Tatkraft zu begegnen. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft will neuerdings nebenher „Lehrgemeinschaft“ heißen. In den Hochschulen feilt man an „Lehrstrategien“. Das wundert nicht, empfiehlt der Wissenschaftsrat doch ganze „Lehrverfassungen“ – Lehre landauf, Lehre landab. Bei alledem schwingen gut verdeckte Vorurteile mit: Zu wenig engagiert, wenn nicht gar schlecht werde gelehrt. Man empfiehlt, was seit Jahrhunderten anscheinend sträflich vernachlässigt wurde: vermehrt Lehrangebot für Lehrende, auf dass sie verstehen, was sie tun und erloschener Elan neu entfacht werden möge.

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Leitbildprosa reicht nicht – Kann man Diversität in der Universität managen?

1910 wurden die ersten Frauen in den Hochschulverwaltungen als Schreibgehilfinnen zugelassen. Bis dahin wurde ihnen diese Stellung verwehrt, da die Männer in den Verwaltungen und auf den Lehrstühlen argumentierten, dass Frauen aufgrund ihres ‚weiblichen Naturells‘ nicht in der Lage seien Geheimnisse zu wahren oder die Handschrift der Ordinarien entziffern zu können. Zumal ihre physische Leistungsfähigkeit durch die ‚periodischen Umstände‘ beeinträchtigt sei. Auch ohne dieses drastische historische Beispiel zeigt ein Blick auf die moderne Hochschule schnell, dass sich die Erwartungshaltung und Realität hinsichtlich der Vielfalt ihrer Mitglieder in den letzten 100 Jahren gewandelt hat. Heute schmücken sich Hochschulen mit Diversitätsleitbildern und -strategien. In diesen bekennen sie sich zu der ‚Förderung der Wahrnehmung, Anerkennung und Nutzung von Vielfalt‘ oder zur ‚Sensibilisierung für Ungleichbehandlungen und Wertschätzung jeglicher Differenzen in allen Lebenslagen‘. Hochschulleitungen reflektieren damit gesellschaftliche und hochschulpolitische Anforderungen. Wie Digitalisierung, Umweltschutz oder Internationalisierung ist Diversität ein weiteres Thema von dem erwartet wird, dass sich die Organisation Hochschule um Lösungen bemüht.

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Abwesenheit als Krise

Tobias Sieben: Hörsaal

Was die Debatte über Anwesenheitslisten über die Situation an den Hochschulen aussagt

Working Paper 1/2018

 An den Hochschulen wird kaum eine Debatte so emotional geführt wie die über Anwesenheitslisten, diese Blätter, mit dem zu Beginn oder zum Ende einer Veranstaltung überprüft wird, wer anwesend und wer abwesend ist. Der Grund für die hitzige Debatte liegt in der Symbolik der Listen als Ausdruck  für die Anwesenheitspflicht in Vorlesungen, Seminaren und Übungen. Das Herumgeben der Listen signalisiert den Studierenden, dass man ihnen nicht zutraut, aus eigenem Antrieb in die Veranstaltungen zu kommen. Die Anwesenheitslisten sind aus Sicht der Studierenden der an den Hochschulen institutionalisierte Zweifel an ihrer Lernbereitschaft.

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Create your Campus – Die Eventisierung der Hochschule

An der Universität Bayreuth ist ein Ideenwettbewerb mit dem Titel „Create your Campus“ ausgeschrieben. Geworben wird mit folgendem Pressetext: „Was brauchst du, damit dein Lern- und Lebensumfeld optimal ist? Wenn du deine Universität neu erfinden und gestalten dürftest, was würde auf keinen Fall fehlen? Überzeuge uns von deiner Vision und gemeinsam erwecken wir sie zum Leben.“ Diese und andere Aktionen und Events – wie der „Bayreuther Ökonomiekongress“, die „Bayreuther Debatten reloaded“, die Ausrichtung des „DLD Campus“ oder  der „Unistrand“ – sollen das universitäre Leben bereichern und eine Brücke zur Welt außerhalb des Campus bauen. „Partizipation“, „Innovation“, „Wettbewerb“, „Kreativität“, „Demokratie“ und „Meinungspluralismus“ sind Stichworte der Diskussion.[1]

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Das Ingenieur-Rätsel

studium

Weswegen sich so viele Ingenieure unter den islamistischen Terroristen finden und weswegen ein Blick auf die Sozialstruktur allein zu kurz greift

Terroristische Anschläge scheinen in der Öffentlichkeit den Reflex auszulösen, sich die religiöse Sozialisation, die Bildungswege, die Berufstätigkeiten, die kriminellen Karrieren, den Familienhintergrund, die sexuellen Präferenzen, die psychiatrischen Krankengeschichten, die Gewohnheiten in puncto Drogenkonsum oder Computerspiel-Frequenz der Attentäter anzusehen ‒ wohl in der Hoffnung, über die Verortung der Attentäter in der Sozialstruktur Aufklärung über ihre Motive zu erhalten und somit zukünftig Anschläge von Personen mit ähnlichen sozialstrukturellen Merkmalen verhindern zu können.

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Apple befreit Schüler von nervigem Text

Aussterbende Kulturpraxis: Bücherverschlingen

Nach den ersten fünf Minuten der gestrigen Bildungs-Präsentation von Apple muss man sich vor Ergriffenheit fast eine Träne verdrücken. Die Erfindung des Buches sei ja schön und gut, aber jetzt, da Apple das bewegte Bild erfunden hat, kommt die eigentliche Revolution: Interaktive, swipeable, zoomeable Schulbücher, auf Maß und Gewicht getrimmt; viele bunte Bilder, noch mehr Bewegung und Text, der sich von selbst aktualisiert, auf der Seite immer schön knappgehalten ist und der per Fingerschnipp entfernt werden kann, damit die 3D-Form des Bildes noch praller erscheint. Kurz: Schnick-Schnack statt Schulbuch. Hat sich Frau Schavan schon auf Knien dafür bedankt? Die Rettung des Bildungssystems steht bevor.

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Dürfen, können, wollen (nicht)?

Drei andere Kategorien sozialer Ungleichheitsforschung

Die Situation von Frauen in Europa bewegt sich zwischen drei Positionen: Sie dürfen, können oder wollen nicht so richtig inkludiert werden wie ihre männlichen Artgenossen. Die gängige Zeitdiagnose ist: Der Heiratsmarkt sichert Frauen nach wie vor besser ab als der Arbeitsmarkt, schreibt Jutta Allmendinger in der neuesten Ausgabe Aus Politik und Zeitgeschichte (APuZ). Geschlecht sei eine der zentralen Kategorien bei der Untersuchung sozialer Unterschiede in vormodernen wie modernen Gesellschaften. Ihre Evidenzen generiert sodann die postmoderne Ungleichheitsforschung und Strukturanalyse methodisch weitgehend über multivariate Regressionsmodelle und qualitative Biografieforschung. Medial vielzitiert sind v.a. die OECD-Berichte über die Babies and Bosses, die sich auf eine umfangreiche Datenbasis stützen und dabei die Gewinne und Verluste politischer Programme unterschiedlicher Länder erheben, visualisieren und vergleichen.

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Gesellschaftlich abgemeldet / individuell eingerichtet

Dieser Text „Sozialhilfe auf fünf Jahre begrenzen“ von Gunnar Heinsohn ist etwas merkwürdig. Ich hab ihn zuerst überflogen, dachte mir dabei, es sei wohl wieder so ein Text der eine dieser Feuilleton-Debatte anschieben soll, sofern DIE ZEIT noch weitere Moralprofessoren in der Hinterhand hat, sah dann jedoch, dass es ein Beitrag von Gunnar Heinsohn ist und las ihn nochmal gründlicher.

Naja, vielleicht gibt es noch einen zweiten Gunnar Heinsohn. Dem den ich bisher kannte, hätte ich solche Sätze nicht zugeschrieben:

Die deutsche politische Führung scheint fest entschlossen, weiter auf dem erfolglosen, immer teurer werdenden Weg der verfehlten Einwanderungs- und Sozialpolitik zu gehen.

Solange die Regierung das Recht auf Kinder als Recht auf beliebig viel öffentlich zu finanzierenden Nachwuchs auslegt, werden Frauen der Unterschicht ihre Schwangerschaften als Kapital ansehen.

Naja.

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