Mission Statement

Alles, was gesagt wird, lässt sich auch anders sagen. Und es wird glücklicherweise immer einfacher, dies in größerem Stil zu tun. Die Sozialtheoristen stellen sich diesem Spiel der auch anders möglichen Beobachtung. Und erwarten den Widerspruch.

Als dieses Mission Statement entsteht, operiert dieses Blog bereits seit einigen Monaten. Der Anfang ist gemacht, werden Einige sagen. Ist dieses Statement also das Ende des Anfangs? Wir beobachten das anders. Bereits mit dem ersten Buchstaben waren wir „Mittendrin“. Denn wer kann schon sagen, wann etwas beginnt. Wir sind sicher: sozialtheoristisch kommuniziert wird schon seit langem. In den zahlreichen soziologischen Seminaren der Hochschulen dieser Welt, in den unüberschaubar vielen Nächten des gepflegten studentischen Diskurses, zwischen den Tausenden Buchdeckeln, die in gut sortierten Bibliotheken zu finden sind – um nur einige Beispiele zu nennen. Von einem Anfang zu sprechen, wäre Willkür. Und vermessen.

„Mittendrin“ trifft es besser: „mittendrin“ in der evolutionären Operativität sozialwissenschaftlicher Kommunikation. Daher sprechen wir auch nicht von Anfang und Ende. Daher handelt es sich bei den Sozialtheoristen auch um kein Projekt mit seinen festen Terminplänen und der Regel nach mit einem geplanten Ende, dessen Ergebnisse womöglich schon in der Projektskizze feststehen. Daher gehen wir davon aus, dass die Sozialtheoristerei auch dann weitergeht, wenn an dieser Stelle der letzte Buchstabe geschrieben und der letzte Punkt gesetzt sein wird.

Dennoch wird wohl auch von dem Mission Statement eines solchen Nicht-Projektes ein Identitätsangebot erwartet. „Wofür stehen die Sozialtheoristen?“, „Was beschreibt ihre Einheit?“,  „Welches Ziel verfolgen sie?“ sind mögliche Fragen. Wir fürchten, dass wir diese Erwartung enttäuschen müssen. Stattdessen machen wir ein Differenzangebot, wie einleitend deutlich geworden sein sollte. Oder paradox formuliert: unsere Einheit ist die Differenz, zu der wir ermuntern möchten und die wir hier ausgiebig pflegen. „Sprengkraft“ klingt in diesem Zusammenhang martialisch, ist als „Eyecatcher“ jedoch mit Bedacht gewählt. In dieser Weise möchten wir die Radikalisierung desjenigen soziologischen Programms anzeigen, das bereits Max Weber entfaltet hat und dem wir hier folgen: die Entzauberung der Welt durch ihre kontra-intuitive Beschreibung.

In Anschluss an Norbert Elias sind wir „Mythenjäger“, die letztlich dabei ertappt werden wollen, selbst wieder Mythen über die Welt hervorzubringen. Unser Werkzeug wie auch unser Verhängnis ist folglich der operative Konstruktivismus: hinter die Fassaden des Gewohnten und der leichtfertigen Analyse zu schauen und zu erkennen, was dahinter steckt. Nämlich „nichts“. Alles muss erst kommunikativ hervorgebracht werden. Jeder, der sich an unserem Nicht-Projekt beteiligen möchte, ist daher herzlich dazu eingeladen. Schreibt uns an: ichschreibeandie@sozialtheoristen.de.

Und um letzte Zweifel auszuräumen: Ja, wird sind Bielefelder Soziologinnen und Soziologen. Ja, die „neuere“ Systemtheorie Niklas Luhmanns dient uns dazu, dass unser Betrieb nicht zusammenbricht. Ja, wir streiten uns häufiger, als dass wir einig, geschweige denn „Einheit“ sind. Das ist gut so – so lange, bis uns ein Beobachter vom Gegenteil überzeugt.

Enno Aljets, Thomas Hoebel, Stefan Schulz & Rena Schwarting im Oktober 2008

Zum offline-Weiterlesen:
Weber, Max 1919: Wissenschaft als Beruf, in: ders. 2006, Politik und Gesellschaft, Frankfurt am Main: Zweitausendeins, 1016-1040.
Elias, Norbert 1970: Der Soziologe als Mythenjäger, in: ders. 1986, Was ist Soziologie?, Weinheim/München: Juventa, 51-74.
Luhmann, Niklas 1993: „Was ist der Fall?“ und „Was steckt dahinter?“. Die zwei Soziologien und die Gesellschaftstheorie, in: Zeitschrift für Soziologie 22(4), 245-260.

Zum online-Weiterlesen:
Ihr wisst ja, wie’s funktioniert …