Die CSU erlebte Sonntag ein Debakel. Keine absolute Mehrheit mehr, eine abgetretene Parteispitze und viele betretene Gesichter. Der Einzige der sich freut ist wohl Horst Seehofer aber ihn wird die Realität schneller einholen als im Recht sein kann. Zusammengefasst: Bayern muss sich ganz neu orientieren und das Gespött von Restdeutschland über sich ergehen lassen.
In Bayern ist aber neben der CSU auch ein Demokratiemodel gescheitert, dass ich ähnlicherweise als das Modell von Politik ansehe, in dem ich am liebsten leben würde. Die drei wichtigsten Merkmale erfolgreicher Demokratie, die sich an der bayrischen Politikgeschichte wunderbar aufzeigen lassen, sind folgende: (1) Regionale Begrenzung, (2) Emotion statt Rationalität und (3) Personen- statt Programmpolitik. Hier die Begründungen:
Regional begrenzte Politik ist meiner Ansicht nach der wichtigste Faktor für ein erfolgreiches Umsetzen von Demokratie. Dazu gehört zu allererst, dass Politiker wissen, wen sie repräsentieren und das Bürger wissen, von wem sie repräsentiert werden. Ab 16 Mio. Bürger, also der Kategorie NRW, ist dies unmöglich. Es ist grade zu grotesk, von einem Schleswig-Holsteinischem Küstenbewohner zu verlangen, er solle nächsten Sonntag entscheiden, welcher Bundeskanzlerkandidat am ehesten auf die Bedürfnisse alpiner Almbewohner und Bochumer Bergbaumalocher einzugehen vermag. Den Bayern wurde das in der Geschichte der Bundesrepublik nie abverlangt, sie wählten denjenigen, der am ehesten ihre Interessen in Bonn und Berlin vertrat – und genau diese Aufgabe konnten sie immer gut erfüllen.
Die gewählten bayrischen Politiker mussten im Nachgang einer Bundestagswahl niemals den „Wählerauftrag“ einer Nation schultern, sondern konnten sich auf ihr Mandat, den „Volkswillen Bayerns“ berufen, was ihnen in unterschiedlichen Positionen immer gut gelang. Der Vorteil, der auf ein Bundesland begrenzten Politik, war, dass sie immer alle politischen Strömungen in der „Einheitspartei Bayerns“ auffangen konnten. Dies gelang ihnen zumindest so lange, bis ihnen irgendwann in den späten 90ern der Nordosten des Landes wirtschaftliche wegbrach und sie beim Umgang mit Gabriele Pauli über die Stränge schlugen. Dies ist aber, meiner Meinung nach, auf falsche Administration und nicht auf falsche Prinzipien zurückzuführen.
Zusammenfassend lässt sich sagen: Entgrenzte Politik, die Völker von Hunderten von Millionen von Menschen unter einen Hut zu bringen versucht, scheitert, führt zu Unzufriedenheit und Politikverdruss oder kommt gar nicht erst zu Stande (Beispiel Europa). Die Lösung ist entweder ein cleverer Föderalismus, wie in den USA, oder faktische Kleinstaaterei, wie auf dem Balkan. Fest steht, dass regionale Unterschiede durch Begrenzungen der politischen Einheiten widergespiegelt und aufgefangen werden müssen.
Emotionalität ist ein anderer Faktor erfolgreicher Politik. Wenn Politik eine Angelegenheit wäre, die wir, und damit sind alle Bürger gemeint, die sich in einer Demokratie (leicht falsch übersetzt) selbst beherrschen, rational fassen könnten, bräuchten wir keine Politiker die uns vertreten und uns vom politischen Tagesgeschäft entlasten. Natürlich braucht Politik Kontrolle durch Medien und direkte Zugangsmöglichkeiten der Bürger zu Verwaltung und politischen Gremien, allerdings braucht es auch eine große Ladung Vertrauen, damit überhaupt etwas in Angriff genommen werden kann, was den Antrieb und die Intelligenz des Einzelnen übersteigt. Politiker, die kein Vertrauen in ihre Person aufbauen können, haben niemals demokratischen Erfolg. Im Gegenzug schießen Argumente die „Systemvertrauen“ und „politische Parteien“ in Verbindung bringen grundsätzlich ins Leere, auch bei der CSU.
Und für diese Konstruktion braucht es in erster Linie Personen und keine Programme. (Hinweis: es geht nur um die ‚erste‘ Linie.) In rationalen Programmen kann man nur Rücksicht auf die Vergangenheit nehmen. Um sich auf eine grundsätzlich unbekannte Zukunft vorzubereiten, braucht man jedoch menschliche Intelligenz. Niemand weiß, was am Tag nach einer Wahl passiert, daher ist es auch völlig akzeptabel, sich als Politiker nach einer Wahl zu beschweren, wenn die politische Tätigkeit an den Wahlversprechen und Parteiprogrammen gemessen wird. Wahlversprechen sind immer von gestern, sie sind auch in und für eine Welt von gestern. Wer von einem Politiker verlangt, dass er seine Wahlversprechen umsetzt, muss ihn konsequenterweise auch mit kaiserlicher Macht ausstatten. In Bayern wurde dieses Paradox Jahrzehnte erfolgreich gelöst, in dem man den Parteivorsitzenden mit Vertrauen ausgestattet hatte. Die Bayern wussten, egal was kommt, Franz Josef Strauss findet in Bonn die richtigen politischen Worte. Auf gleiche Weise wusste Franz Josef Strauss, egal was kommt, die Bayern stehen hinter mir. Diese Konstruktion war erfolgreich, weil sie die Menschen und nicht die Programme oder gefasste Ziele einspannte.
Alles in allem sind die Bayern nun angekommen, wo der Rest von Deutschland schon lange ist, in einer Welt ohne Vertrauen, in der zwangsläufig der eine den anderen nicht kennt. Eine Welt in der Parteien und deren Seilschaften alles und die individuelle, vernünftige Meinung des Einzelnen politisch nichts bedeutet. Dabei sagte Angela Merkel noch im Juli vor der versammelten CSU: „Bayern ist da, wo der Bund hin will.“