Durch Innovationsbemühungen vorwärts in die Vergangenheit?
Die Planwirtschaft ist wieder auf dem Vormarsch. Fast jeder wird dies im Alltag beobachten können. Und um Missverständnisse auszuräumen, sei vorweg gesagt, worum es nicht geht: Die Planwirtschaft wird den Kapitalismus nach der Bankenkrise nicht ersetzen. Auch wenn sich einige dies wünschen mögen, gibt es die Planwirtschaft nicht zurück (es sind halt die Leser der SuperIllu…). Und doch finden sich unmissverständliche Anzeichen für den Rückkehr der Planwirtschaft. Der Wandel vollzieht sich allerdings nicht im politischen System, sondern vielmehr auf allgemeiner organisationaler Ebene und ist eng mit den Stichworten Qualitätssicherung, Zielvereinbarung, leistungsbezogene Vergütung, Evaluation und Reform verbunden. Es sieht ganz danach aus, als ob die Planwirtschaft auf organisationaler Ebene eine Renaissance erlebt, die abseits intendierter Ziele ganz praktisch realisiert wird. Wie konnte es dazu kommen?
Machen wir also einen kleinen Ausflug in die blumige Semantik-Welt der Berater, Coaches und Innovatoren, die den Organisationen solange eingeredet haben, dass wir in einer dynamischen Wissensgesellschaft leben, dass sie diesen Mythos mittlerweile selbst glauben. Es klingt ja auch allzu verlockend:
Die Leitbildentwicklung stärkt die Identität der Organisation und die Identifikation der Beschäftigten. Die Auseinandersetzung mit der Definition gelungenen Lernens bewirkt eine Zunahme der pädagogischen Professionalität. Die Bildungsarbeit orientiert sich stärker an den Bedürfnissen der Lernenden. Die Evaluation führt zum Erkennen von Entwicklungspotenzialen und neuen Chancen. Die genaue Definition von Prozessen und Arbeitsabläufen strafft und systematisiert die Ablauforganisation. Die Klärung und Definition von Schnittstellen und Verantwortlichkeiten in der Organisation schafft Transparenz und erleichtert die Arbeit. Der Überblick über die verschiedenen Arbeitsbereiche systematisiert und verbessert die Zusammenarbeit. Durch eindeutige Ziele kann die Organisation sicher gesteuert werden. Teilschritte der Zielerreichung können kontrolliert und Erfolge können bewertet werden. Durch ein bewusstes Marketing der Qualität wird die Außendarstellung der Organisation verbessert. Die Führung der Organisation orientiert sich an gemeinsamen Grundsätzen.
Die Beteiligung der Beschäftigten an der Qualitätsentwicklung fördert die Selbstreflexion und lässt die Wertigkeit der eigenen Arbeit erkennen. Die gesamte Organisation richtet ihre Arbeit strukturell an den Interessen ihrer Kunden aus.(Quelle, hier finden sich noch weitere Textgattungen der Kategorie „Begriffsmüll“)
Vorwärts immer, rückwärts nimmer!
Nach einer Vielzahl von Reformen sind die Organisationen verunsichert, weil sie ihre eigene Geschichte vergessen haben und sind daher den „Erfolgsrezepten“ der Wunderheiler hoffnungslos ausgeliefert. Sie wissen es ja schleißlich nicht mehr besser. So glauben sie tatsächlich an den Berater-Sprech, so wie Kinder glauben, dass man durch Nutella zum Nationalspieler wird. Auch Kinder wissen es nicht besser. Allerdings werden sie es noch lernen, wobei „lernende Organisationen“ verlernt haben zu erinnern und daher nicht mehr lernen, sondern nur noch reformieren, Innovationen hinterherhecheln und Qualität sicherstellen. Der Zyklus von Innvationen und neuen Konzepten, mit denen sich Organisationen, die aus Sicht der Berater „modern“ agieren, auseinandersetzen müssen, wird immer geringer, das Vergessen immer größer. Für Lernen bleibt einfach keine Zeit mehr, so schnell ist ein neues Konzept (oder wie die meisten Berater ehrlicher formulieren: Produkt) am Markt, das eingeführt werden muss. So kann aus vorangegangenen Innovationen nichts gelernt werden, weil die Zeit fehlt, die Wirkungen im Sinne systemrationaler Zurechnungen auf die Ursachen der Reform zurückzuführen. Innovative Organisationen werden nicht nur vergesslich, sondern gedächtnislos.
Lieber hundertmal mit der Partei irren als sich einmal gegen die Partei stellen.
Warum nun aber Planwirtschaft? Im Diskurs der Berater findet sich zwar immer eine Welt, die schneller und dynamischer wird, in der es flexibel zu handeln gilt, jedoch ist das Resultat einer Qualitätssicherung und einer Zielvereinbarung in der Regel ein recht starres, unbewegliches Konstrukt: ein Plan. Es werden Pläne geschmiedet, für die Organisation als ganze, mit Zielen, die es zu erreichen gilt und wie sie nach Innen und Außen zu vertreten sind, aber auch für den Einzelnen, was er zu leisten hat, wie er dort ankommt und was diese Erträge für die Organisation bedeuten. So arbeitet jedes Einzelteil und die gesamte Organisation nach einem fixen, starren Plan und hat Glück, wenn sie am Ende des Zeitrahmens mit Übererfüllung dastehen. Ob die Produkte dann noch Abnehmer finden, ist ein anderes Problem. Der Plan hat sich bis dahin ja schon verselbstständigt. Es ist nunmal so, dass jede noch so innovative, bürokratiefeindliche und rationale Reform dazu führt, dass sie den Mitarbeitern verständlich gemacht werden muss. Für eine Evaluation muss geschult, diskutiert, dokumentiert, ausgewertet, diskutiert, präsentiert, usw. usf. werden. Das kostet Ressourcen, die mit produktiver Arbeit wenig gemein haben. Zielvereinbarungen müssen getroffen, kontrolliert, bewertet, festgestellt, vergütet werden. Das hat mit produktiver Arbeit nichts zu tun. Übrigens müssen Mitarbeiter auch darin geschult werden, dass sie nun nach Zielvereinbarungen arbeiten. Da gehen locker zwei Tage einer ganzen Abteilung drauf. Eine Einführung in leistungsbezogene Vergütung im TVOED dauert kaum weniger lang. Dann gäbe es da noch Familienschutz, Umweltbewusstsein, Qualitätszirkel usw. usf. Und wer so viel Aufwand für einen Plan betreibt, der muss auch an ihn glauben. Ansonsten müsste jeder vernünftig denkende Arbeitnehmer gegen die Umsetzung und Einführung protestieren. Da die Organisation aber über kein Gedächtnis mehr verfügt, kann sie nicht zu dem Schluss kommen, dass sie sich zunehmend mit sich selbst beschäftigt. So gibt es keinen Raum, in der sich berechtigte Kritik Gehör veschaffen kann. Und alle machen mit.
Macht kaputt, was euch kaputt macht!
Es kommen Zweifel bei den Beteiligten auf. Und es liegt nahe, zu überlegen, ob es eine Chance gibt, dass Organisationen aus dem Reformkreislaufs des Teufels aussteigt und endlich anfängt zu lernen. Auch die Berater-Industrie wird vorsichtig und schmückt sich mit vermeintlich kritischen Ansätzen. Dabei warnt sie, dass man vieles falsch verstehen kann. Aus der Kritik folgt allerdings nicht, dass man Reformen gleich ganz sein lassen kann, sondern dass man es erst richtig versuchen müsse. Geschickt machen sie dem Süchtigen klar, dass er beim Konsum von Drogen viel falsch machen kann und bei falscher Anwendung letztlich selber Schuld sei und dann beim nächsten Schuss besser auf eine qualitativ hochwertige (meint: teurere) Ware zurückgreifen muss. Organisationale Planwirtschaft ist ein verhängnisvolles Spiel, das viele Organisationen mit dem Leben bezahlen müssen. Das ist tragisch, aber für die Planwirtschaft nun einmal üblich.
Stell dir vor, es ist Krieg, und keiner geht hin.
Hinzu kommt noch, dass Kritiker einen Schattenkampf aufführen müssen, weil sich die organisationale Planwirtschaft in einem Punkt von ihrem politischen Vorbild unterscheidet: Wurden im Realsozialismus die Pläne zentral bestimmt und verwaltet, weshalb auch von Zentralverwaltungswirtschaft gesprochen wird, so wird im Organisationmodell mit einer Vielzahl dezentraler Pläne gearbeitet, was euphemistisch „Mitarbeiter-Partizipation“ genannt wird. Das führt dazu, dass Kritiker quasi mundtot gemacht werden, da es keinen zentralen Angriffspunkt mehr gibt. Insbesondere Gewerkschafter, die hier eine kritische Rolle einnehmen könnten, werden zur Untätigkeit verdammt, da sie erstens selbst an den Plänen beteiligt sind und zweitens ihr eigenes Klientel für die Konstruktion der Pläne verantwortlich machen müssten. So marschiert die planwirtschaftlich strukturierte Organisation zwangsläufig sehenden Auges, aber manovrierunfähig in ihr eigenes Verderben. So wie der Realsozialismus das vorgelebt (-oder gestorben) hat.
[…] werden wir uns mächtig freuen: Direkte Qualifikation für die Championsleague! Damit wäre Dieters Planwirtschaft, die die Qualifikation erst für 2010 vorsieht, übererfüllt. Das erinnert mich – auch wenn die […]