Die Zukunft wird eine verrückte. Es wird noch Zeitungen geben, sie werden sogar aus Papier sein – nur so verwegen, das gedruckte Wort für sich und für immer stehen zu lassen, wird niemand mehr handeln. Die an ihrer Anmut sofort als solche erkennbare Zeitung wird zum Bildschirm werden, wie die Kaffeetasse, die Fenster, jede Tischplatte und überhaupt alles auch schon welche sind. Was für den Leser Annehmlichkeiten bedeutet – er muss immerhin nie wieder umblättern -, wird auch für die Redaktionen ein Segen sein: Endlich passt alles auf Seite 1.
Wir werden in virtuellen Welten leben. Nur ist noch nicht entschieden, ob sie uns per 3D-Brille direkt aufs Auge projiziert werden, oder ob uns sensitive Bildschirme umringen. Die erste Szenerie ist die Idee hinter Facebooks Kauf von Oculus Rift. Zur zweiten Szenerie hat Microsoft einen Werbefilm gemacht – „einen Blick voraus„. Im von Google finanzierten Institut für Internet und Gesellschaft forscht man an dieser Omnipräsenz von Bildschirmen, der „interaktiven partizipativen Stadtfassade„.
Unentschieden dieser Frage lässt sich aber heute schon aufzeigen, wie die künftige Welt aussehen soll, wenn sie nach dem Bilde der Onlinegiganten geschaffen wird. Facebook beispielsweise setzt auf Ballons. Zwar befasst sich nun Google sowohl mit der Ballon- als auch der Drohnen-Idee. Facebook allerdings malte das Bild dazu.
Hinter der Fabrik liegt die Stadt und in der Ferne drehen sich die Windräder. Ohne den wichtigen Menschen, der die Knöpfe drückt, geht es nicht. Ohne fleißige Arbeiter am Fließband ohnehin nicht. (Diese Idee wurde vor rund hundert Jahren schon einmal gezeichnet, der „Buttenpresser“ als „Mann der Zukunft“ sah damals etwas anders aus.) Die Projektseite ist Facebooks Versuch, Verantwortung zu übernehmen und den Unternehmensnamen mal wieder mit Positivem zu verbinden. Im Grunde ist die Seite wenig mehr als die längst überfällige Anleitung zur Bedienung des eigenen Facebookprofils.
Statt allerdings aus dem Vollen zu schöpfen und tatsächlich darüber aufzuklären, was Facebook mit Nutzerdaten macht, wie das Unternehmen sie erhebt und welchen Handlungsrahmen Nutzer gegenüber dem Unternehmen haben – verpackt Facebook die wenigen Informationen in einem überladenden Design, das deutlich suggeriert, dass es hierbei nur um eine Spielzeugversion der Welt gehe, dass man sie nicht ernst nehmen müsse und überdies nichts leichter gehe, als in dieser Welt die Kontrolle zu haben.
Ganz ähnlich verfährt auch Google mit dem Problem, seinen Nutzern die Bürokratie der Zusammenarbeit des Unternehmens mit den Behörden von Polizei und Justiz zu erläutern. Gezeigt werden animierte Holzmännchen, die in einer leicht überschaubaren Welt Papierberge transportieren, die bei jedem Schritt kontrollieren, ob auch alles mit rechten Dingen zugeht. Das Ziel ist, Daten so zu behandeln, dass sie vor Gericht verwendet werden dürfen. Ist es so, fällt die Klappe, die Angelegenheit ist erledigt. Kein Wort zur Frage, welche Rechte der Nutzer in dem Prozess hat. Keine Antwort auf die naheliegende Frage, wie fehleranfällig dieses System ist und wie Google mit staatlichen Anfragen verfährt, über die nicht gesprochen werden darf und deren fragliche Datensätze nicht in offenen Gerichtsprozessen behandelt werden.
Was hinter den niedlichen Fassaden von Googles und Facebooks Erklärwelt verborgen wird, ist die Technologie, die die Menschen heute immer häufiger unbemerkt vor fast unausweichliche Tatsachen stellt. Die Versuche gab es schon, tatsächlich ginge es aber darum, auch literarisch die verworrenen Wege eines kafkaschen Processes neu zu beschreiben.
Fürs erste bleiben die Versuche der Selbstverteidigung notgedrungen technisch. Auf diesem Wege können sie allerdings zwei Ziele erreichen: Programmieren zu lernen gibt Handlungsfähigkeit zurück und es reduziert die Technologie der anderen auf das, was sie tatsächlich ist – nämlich keine unüberwindbare Magie.