Googles neuer Transparenzbericht ist da. In ihm steht nicht, wie Google arbeitet, Suchergebnisse filtert und sortiert, nach welchen Kriterien Google E-Mails und Hangout-Chats analysiert oder die Verwendung von Google Maps auswertet. Stattdessen veröffentlicht Google die Anzahl an Anfragen staatlicher Behörden an das Unternehmen. Die Zahl wuchs und ist in Deutschland schon vorher größer gewesen als in vielen anderen Staaten. Weltweit sei die Zahl an Anfragen um 15 Prozent in Jahresfrist gestiegen, in Deutschland um 25 Prozent. In den vergangen fünf Jahren klafften die Entwicklungen sogar noch weiter auseinander. Weltweit stieg die Zahl um die Hälfte, in Deutschland um das sechsfache. Mehr als die Summe der Anfragen (3338 für das erste Halbjahr in Deutschland) und die Quote der Ablehnungen (52 Prozent) veröffentlichte das Unternehmen allerdings nicht.
Ohne weitere Aussagekraft ist der Bericht dennoch nicht. Denn eine seiner zentralen Botschaften ist auch: Die Anfragen von Staaten an Anbieter digitaler Infrastrukturen sind alltäglich. Wen sollten die Behörden auch sonst fragen, wenn sie sich für das Verhalten ihrer Bürger im Internet interessieren. Ohne das Internetanbieter und Kabelnetzbetreiber ähnlich öffentlich mit den Zahlen von Behördenanfragen umgehen, ist davon auszugehen, dass sich Polizisten, Staatsanwälte, Meldeämter und Richter für die Daten interessieren und so formale wie flapsige Anfragen stellen.
Es gibt derzeit (mindestens) zwei Bücher, die den Kontext dieser Anfragen und der Veröffentlichung ihres Ausmaßes beleuchten. Jeremy Rifkin („Die Null-Grenzkosten-Gesellschaft“) beschreibt Unternehmen wie Google als gesellschaftlich existenzielle Infrastrukturanbieter, deren Angebot so wertvoll ist, dass es schützenswert wurde, wie die Natur. Das Problem ist dann jedoch, dass es nur allgemeine Gesetze geben darf, keine auf Personen oder Unternehmen zugeschnittene. Wie also soll man Googles Allgemeinnützigkeit schützen?
Letztlich ist weniger die ökonomische Monopolisierung das Problem, über die ohnehin noch kontrovers diskutiert wird – sondern die Zentralisierung des Angebots. Google stellt Services bereit, keine Produkte. Man kann die Angebote des Unternehmens nutzen, aber sie lassen sich nicht von Google trennen. Im „Dashboard“ kann jeder Nutzer sehen, wie sehr er von Google als Infrastrukturbetreiber abhängig ist: Google weiß, wie man sein Android-Smartphone benutzt, wie viele Passwörter man im Chrome-Browser gespeichert hat, welche Youtube-Videos man schaut und wann welche Suchanfragen gestellt wurden.
Wenn Behörden Anfragen an Google stellen, wollen sie auf die Dashboards der einzelnen Nutzer schauen. Niemand anders kann die Fragen der Behörden beantworten. Sie sind legitim, allgemeinwohldienlich und für die staatliche Ordnung essenziell. Zumindest hofft man das. Letztlich entscheidet wiederum nur Google, ob die Anfragen den genannten Ansprüchen genügen, oder eben nicht. Sein Vorgehen beschrieb das Unternehmen kürzlich in einem aufschlussreichen Video, das wie häufig in einer harmlosen Trickfilm-Optik daherkommt. Es erklärt gut, worum es geht. Aber es erschwert die dann noch zu erbringende Transferleistung, zu verstehen, welche Wirklichkeit hiermit beschrieben ist.
Im zweiten Buch, das sich hierfür zu lesen lohnt, beschreibt Yvonne Hofstetter („Sie wissen alles“, ausführliche Rezension in der F.A.Z. vom 16. September) das Innenleben der digitalen Ökonomie und stellt die Frage, warum Unternehmen wie Google nicht längst auch offiziell hoheitliche Aufgaben übertragen wurden, die sie in Wahrheit längst erfüllen. Die Unternehmen arbeiten schon heute eng mit Regierungen und ihren öffentlichen und geheimen Stellen zusammen. Sie vergleicht die Situation mit dem Finanzmarkt, auf dem die amerikanische Notenbank Federal Reserve als Kooperation privater Banken hoheitliche Aufgaben übernahm.
Im einen Fall geht es ums Geld, im anderen um unsere digitalen Zwillinge. Worüber Googles Transparenzbericht schweigt, ist, worum es tatsächlich geht: Eigentlich interessieren sich die Behörden, die Anfragen stellen, für einzelne Menschen. Aber statt mit ihnen Kontakt zu suchen, konsultieren die Behörden Google, in der Hoffnung, dass Betroffene nicht mitbekommen, wie sie durchleuchtet werden. Eins der Probleme ist die Fehleranfälligkeit in der Interpretation der Informationen, die die Behörden dann ohne ein Handbuch für Dateninterpretation bekommen. Das andere Problem ist, dass Google selbst Personenprofile aus Daten ableitet, über deren hermeneutisches Potenzial keine gute Aussage möglich ist. Es geht schlicht jeder Beteiligte den Weg des geringsten Widerstands – der gleichzeitig der intransparenteste ist.
weiß, wer, wann, was über ihn weiß, eine Atmosphäre geschaffen wird, die ihn daran hindert, seine bürgerlichen Rechte unbefangen auszuüben.
Und, wissen Sie, was Google über Sie weiß?
Glauben Sie wirklich, dass das Google-Dashboard darüber vollständig Auskunft gibt?
Wussten Sie, dass auch auf diesen Seiten jetzt in dieser Sekunde mehrere Google-Skripte im Hintergrund laufen, die sich für Sie interessieren? Von wegen freiwillig ….
Und Google veröffentlich diesen „Transparenz-Bericht“ doch nur, um von sich als Datenkraken abzulenken: Es ist doch dümmlich, eine extreme, eine Riesendatensammlung anzulegen, die das normale Vorstellungsvermögen übersteigt und dann zu erwarten, dass das keine Begehrlichkeiten der Strafverfolgungsorgane weckt? Sollen sich die Staaten dafür schämen, dass sie Daten im Promillebereich aus dem Datenbrei, den Google sich genehmigt, abfragen, um ihrer originären Aufgabe nachzukommen, der Strafverfolgung? Was ist denn ein hehreres Ziel, Werbung zu verkaufen oder Strafverfolgung?
Wer plakatiert denn Sprüche wie: „Für StreetView fahren wir exakt einmal vorbei – also können Sie einfach umziehen.“ und „Wir wissen, wo du bist. Wir wissen, wo du warst. Wir wissen mehr oder weniger, worüber du nachdenkst.“, um seinen Werbekunden zu gefallen?