Die Idee der Gemeinschaft ist in vielen historischen wie aktuellen Managementkonzepten relevant. In der Gemeinschaft würden Menschen nicht mehr nebeneinanderher leben, sondern sich verbunden fühlen und gegenseitig unterstützen. Anstatt verhärteter Konflikte im Inneren komme es in Gemeinschaften zu vertrauensbasierten Mechanismen der Konfliktlösung, die das Leben für alle erleichterten. Die Menschen seien zwar auch in der Gemeinschaft nicht gleich, aber die Zugehörigkeit nivelliere die Statusunterschiede und böte den Menschen so eine Heimat. Das Ergebnis sei eine innere Geschlossenheit, die es der Gemeinschaft ermögliche, nach Außen mit Stärke aufzutreten.
Das Prinzip der Gemeinschaft beruht auf der Faszination des Zusammenlebens in kleinen sozialen Gebilden. Familien, Verwandtschaften, Freundschaften, Nachbarschaften, Sippen und Stämme basieren auf einer genauen Kenntnis der anderen Angehörigen und können sich so über personenbezogene Erwartungen stabilisieren. Das führt dazu, dass sich in diesen kleinen Systemen besonders enge Formen des Zusammenhalts ausbilden, die dann als Leitbild auf größere Gebilde übertragen werden können. Gemeinschaft wird dabei nicht ausschließlich auf Vorstellungen von kleinen, auf personenbezogene Kommunikation basierenden Systemen wie Liebesbeziehungen, Kleinfamilien oder Freundesgruppen projiziert, sondern findet sich auch in Zielvorstellungen von Protestbewegungen, religiösen Zusammenschlüssen, patriarchal geführten Unternehmen, selbstverwalteten Betrieben, sozialistischen Parteien oder totalitären Diktaturen.
Schon in den ersten sozialwissenschaftlichen Zugriffen wird der Begriff der Gemeinschaft durch die Gegenüberstellung zur Gesellschaft geschärft. Während der „gemeinschaftliche Wille“, so der Soziologe Ferdinand Tönnies, in der durch Gemeinwohl bestimmten Verwandtschaft, Nachbarschaft und Freundschaft zu finden sei, seien die Menschen in der Gesellschaft voneinander getrennt und würden sich deswegen nur an ihrem persönlichen Nutzen ausrichten. Gemeinschaft, so der Soziologe Max Weber im Anschluss an diese Überlegung, basiere auf einer durch Tradition oder Emotion ausgelösten, subjektiv gefühlten Zusammengehörigkeit. Die Gesellschaft dagegen baue auf einem rational motivierten Interessensausgleich auf.
Verfechter der Gemeinschaftsidee, die sich häufig auf die Überlegungen Tönnies‘ berufen, stellen die beiden Konzepte nicht nur analytisch gegenüber, sondern favorisieren die Gemeinschaft als überlegenes Konzept. Sie entstehe „organisch“ und sei deswegen im Prinzip „gut“, während die Gesellschaft „künstlich“ geschaffen werde und deswegen als „schlecht“ zu bewerten sei. Sie beklagen die Zerstörung der Gemeinschaft durch die anonymisierenden Mechanismen der modernen Gesellschaft, weshalb sie eine Rückkehr zu gemeinschaftlichen Prinzipien fordern.
In Managementkonzepten wird diese normativ aufgeladene Unterscheidung von Gesellschaft und Gemeinschaft auf Organisationen übertragen. Das Problem sei, dass die höhere Mobilität, verstärkte Urbanisierung und verschärfte Arbeitsteilung die klassischen Haltepunkte des Menschen in der Verwandtschaft und Nachbarschaft erodieren lasse und gleichzeitig die Organisationen das Bedürfnis nach Gemeinschaft immer weniger befriedigen würden. Im Fokus der Kritik steht besonders der „seelenlose Taylorismus“, der mit seiner „rationalen Fassade“ nur mühsam die Spannungen und Widerstände eines durchrationalisierten Betriebes verbergen könne. Besonders die „unter innerer und äußerer Zerrissenheit des modernen Lebens leidende Generation“ spüre deswegen ein „tiefes Verlangen nach neuer Gemeinschaft und organischer Zusammenfügung“.
Damit verbindet sich die Kritik an einer Erosion der Gemeinschaft mit der Klage, dass in den Organisationen zu viel gemanagt und zu wenig geführt würde. In durchformalisierten, bürokratisierten Organisationen würden Entscheidungen nur noch über die Hierarchien durchgesetzt. Manager würden Mitarbeiter nicht mit ihrer Persönlichkeit überzeugen, sondern Konformität allein mit Verweis auf ihre formalen Weisungsbefugnisse durchsetzen. Dagegen würden sich in auf Gemeinschaft setzenden Organisationen die Prinzipien der Führung quasi naturwüchsig ausbilden. Personen, die am stärksten vom Zweck der Organisation beseelt seien und die am ehesten in der Lage wären, alle anderen mitzureißen, würden in Führungspositionen gelangen und von den anderen in dieser Stellung auch akzeptiert werden. Man mag diese Personen durch hierarchische Positionen absichern, für die Durchsetzung der Führungsansprüche sei dies aber nicht nötig.
Auszug aus Stefan Kühl „Führung und Gefolgschaft. Management im Nationalsozialismus und in der Demokratie“ (Suhrkamp 2025, 24,- Euro).
Schreibe einen Kommentar