Vom Nutzen von Managementmoden

Managementmoden ziehen zwangsläufig Kritik auf sich. Wirtschaftswissenschaftler bemängeln, dass die Verfechter von Managementmoden mit einem simplen Verständnis von Organisationen arbeiten, das mit der Realität von Organisationen wenig zu tun hat. Sozialwissenschaftler beklagen, dass der Heizwert vieler Managementbücher deren Erkenntniswert bei Weitem übersteigt. Soziologen stellen fest, dass Managementmoden so wenig zu vermeiden sind wie der jährliche Grippe-Virus, der zwar immer nur leicht mutiert, aber einen gerade deswegen immer wieder erwischt.

Aus einer wissenschaftlichen Perspektive sind die Verfechter von Managementmoden ein einfaches Ziel. Die Konzepte sind häufig so mit Werteformulierungen aufgeladen, dass es ein leichtes Spiel ist, auf die inneren Widersprüchlichkeiten in ihrer praktischen Umsetzung zu verweisen. Die empirische Basis der Managementkonzepte ist häufig nur eine schlecht gemachte Simulation wissenschaftlicher Vorgehensweisen, so dass sie in den meisten Fällen einer Methodenkritik von Studierenden im ersten Semester nicht standhalten würde.

Neben einer Industrie, die in immer kürzeren Zyklen Managementkonzepte auf den Markt bringt, hat sich deswegen ein eigenes Genre ausgebildet, in dem die jeweils aktuelle Managementmode auseinandergenommen wird. Es scheint inzwischen nicht nur eine Mode zu sein, immer neue wohlklingende Managementkonzepte zu propagieren, sondern diese dann mit der Aussage „Alles schon mal dagewesen“ zu kritisieren. In akademischen Kreisen scheint es, so die Beobachtung, zu einer Art Massensport geworden zu sein, Managementmoden zu entlarven. Kritiker der Modenkritik zeigen sich deswegen gelangweilt, dass mit der Geste „Nichts Neues unter der Sonne“ letztlich immer wieder die gleiche Argumentationsfigur genutzt wird. Fast kann man – in einer weiteren reflexiven Drehung – den Eindruck bekommen, dass es inzwischen nicht nur in Mode ist, Managementmoden zu kritisieren, sondern es inzwischen auch modisch ist, die immer wieder vorgebrachten Kritiken von Managementmoden zu kritisieren.

Dabei darf nicht übersehen werden, dass es Sinn ergeben kann, mit einer organisationswissenschaftlichen Kritik an der jeweils aktuellen Managementmode zu parasitieren. In der Lehre an Universitäten und Fachhochschulen ist es hilfreich, Studierende die aktuellen Managementmoden analysieren zu lassen, damit sie den Unterschied zwischen lediglich akademisch klingenden Selbstbeschreibungen in der Managementliteratur und distanzierenden Fremdbeschreibungen aus der Organisationswissenschaft begreifen. Es kann als Organisationsforscher sinnvoll sein, sich an der gerade gefeierten Managementmode kritisch abzuarbeiten, um in der Abgrenzung alte Einsichten der Organisationswissenschaft unter die Praktiker zu bringen. Vereinzelnd mag es sogar sinnvoll sein, eine eigene kleine Managementmode zu initiieren, um wissenschaftlich fundierte Überlegungen zu Macht, Vertrauen und Verständigung in Organisationen bei Praktikern zu verankern.

Aber letztlich ist aus einer abgeklärten Praktiker-Perspektive sowohl der Lärm, mit dem neue Managementkonzepte unter die Leute gebracht werden, als auch die zwangsläufig darauffolgende Kritik an diesen, unbefriedigend. Einerseits reicht schon ein wenig Organisationserfahrung aus, um nicht in Begeisterungsstürmen zu verfallen, wenn unter Labeln wie Agilität, Exzellenz oder Qualität eine neue Sau durch das Dorf des Managements getrieben wird. Andererseits weiß man aber als erfahrener Praktiker auch, dass man sich den häufig angesagten Moden nur schwer entziehen kann. Aus dieser Perspektive ergibt es Sinn, sich über die sehr simple Machart von Managementmoden bewusst zu sein und sie so für seine eigenen Zwecke einsetzen zu können.

Aus „Managementmoden nutzen. Eine sehr kurze Einführung“ (Springer VS 14,90). Die Publikation der Auszüge soll die Auseinandersetzung mit den Überlegungen zu Managementmoden ermöglichen. 

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