Ambidextrie als Managementmode

Es gibt kaum ein Thema in der Organisation, das sich nicht dafür eignet, in Form einer Managementmode aufgegriffen zu werden. So wird das Thema des Umganges mit gegensätzlichen Anforderungen in Organisationen im Konzept der Ambidextrie aufgegriffen und popularisiert. Die klassische Frage der Organisationstheorie, wie Organisationen einerseits in einem kreativen Modus der „Exploration“ neue Ideen entwickeln und gleichzeitig in einem Modus der „Exploitation“ von der Effizienz optimierter Strukturen profitieren können, wird dabei für Praktiker aufbereitet. Der Blick wird dabei dafür geöffnet, wie Organisationen in den drei Sinndimensionen versuchen, widersprüchliche Prinzipien zu vereinbaren.

Für die Sozialdimension ist herausgearbeitet worden, dass Personen durch ihre fachliche Ausbildung und berufliche Sozialisation Fähigkeiten entwickeln, die auf unterschiedliche Anforderungen von Organisationen eingestellt sind. Betriebswirten wird dabei – so jedenfalls eine stark vereinfachte Darstellung – eine starke Ausrichtung auf die kreative Suche von geeigneten Mitteln für vorgegebene Ziele unterstellt, während Juristen als Experten für die Erarbeitung und Interpretation komplexer Wenn-Dann-Regeln angesehen werden. Die unterschiedliche fachliche Expertise muss dabei nicht als Manko angesehen, sondern kann als hilfreiche fachliche Diversität in arbeitsteiligen Organisationen begriffen werden.

Für die Sachdimension ist aufgezeigt worden, dass alle Organisationen ihre Einheiten danach ausrichten können, wie stark sie mit Unsicherheiten in der Umwelt umgehen müssen. Unsicherheitsabsorbierende Einheiten wie Forschung, Entwicklung, Personal oder Marketing federn dabei die widersprüchlichen Anforderungen so ab, dass der technische Kern der Organisation durch optimierte Strukturen auf Effizienz getrimmt werden kann. Das ermöglicht, dass Organisationsmitglieder die widersprüchlichen Anforderungen nicht selbst aushalten müssen, sondern sich auf den Mechanismus konzentrieren können, der für die eigene Organisationseinheit zentral ist.

Für die Zeitdimension ist darauf hingewiesen, dass eine zentrale Fähigkeit von Organisationen darin besteht, zu erkennen, wann sie eher auf Exploration und wann eher auf Exploitation setzen sollten. Idealtypisch lässt sich dies bei risikokapitalfinanzierten Unternehmen beobachten, die in Phasen eines Booms auf dem Finanzmarkt auf eine schnelle Entwicklung neuer Produkte und Dienstleistungen setzen, ohne dabei darauf zu achten, ob diese kurzfristige Gewinne abwerfen, aber beim Zusammenbruch des Finanzmarktes fast panisch versuchen, über eine Etablierung effizienter Strukturen und dem zumindest kostendeckenden Verkauf ihrer Leistungen ihre Liquidität zu sichern.

Die interessante Perspektive auf die Struktur von Organisationen wird jedoch häufig dadurch verdeckt, dass die „Ambidextrie“ auf eine Eigenschaft von Personen reduziert wird. In modernen Organisationen, so häufig der Tenor in der Managementliteratur, mache es nötig, dass Menschen „beidhändig“ agieren können müssen, also sowohl im Modi der kreativen „Exploration“ als auch im Modi der effizienten „Exploitation“ wirken können müssen. Das diese personalen Fähigkeiten gar nicht nötig sind, weil der Umgang mit Ambidextrie durch die Organisation selbst über Strukturen sichergestellt werden kann, wird dabei übersehen.


Aus „Managementmoden nutzen. Eine sehr kurze Einführung“ (Springer VS 14,90). Die Publikation der Auszüge soll die Auseinandersetzung mit den Überlegungen zu Managementmoden ermöglichen. 

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