Rein in die Komfortzone

Zu den Klagen der Wirtschaft gehört verlässlich jene über Mangel an Innovation. Nur mangelt es nirgends an guten Ideen. Wohl aber an Bereitschaft, mit dem Unberechenbaren zu rechnen.

Lehrstunde im innovationspolitischen Oberseminar: Auf der Konferenz „digitising europe“ deutet Angela Merkel die Zeichen der Zeit. Foto: Vodafone Institut.

Immer dann, wenn es um die Zukunftsfragen der Wirtschaft geht, ist das Lieblingsthema von Spitzenpolitikern und Konzernchefs die Innovation. Das gilt speziell in Wahlkampfzeiten. Ob von links, rechts oder mittig – wer staatstragend über die Ordnung der Wirtschaft spricht, erwähnt gern das magisch anmutende Signalwort Innovation und alle sich anbietenden Anschlusskompositionen: Man wünscht also „Innovationsfähigkeit“ und „innovationsförderliche“ Weichenstellungen, fordert „Innovationsstrategien“. Man beschwört den „Innovationsstandort“ Deutschland und hofft auf ein besseres „Innovationsklima“. Es fehle an einer Startup-Kultur, heißt es vor allem von Liberalen und Ultradigitalen; kurz: an einer vitalen Gründerszene auch außerhalb der Ballungszentren.

Weiterlesen →

Unverstandene Union: Über unlösbare Organisationsprobleme eines politischen Dachverbands

14473724517_20f621d512_kEin Ausfall der Übersetzungsanlage ist hier wohl noch das geringste Problem: Sitzung des Straßburger EU-Parlaments. Bild/Rechte: Europäische Union.

Die „Brexit“-Debatte beschäftigt die Medien. Was dem Austrittsbegehren der Briten folgt, ist ein reger Wettbewerb um Reformideen zur Struktur der EU.1 Die Stärke dieser Reaktionen liegt in ihrer leicht zugänglichen, sehr emotionalisierten Betrachtungsweise. Folglich liegt ihre Schwäche zugleich darin, dass spezifische Voraussetzungen und Bedingungen der Organisation EU als Organisation nur rudimentär und normativ in Augenschein genommen werden. Eine dagegen womöglich instruktivere Problembeschreibung bietet der Ansatz der „Meta-organizations“ der schwedischen Organisations- und Wirtschaftswissenschaftler Göran Ahrne und Nils Brunsson2, dessen Relevanz ich zunächst punktuell skizzieren werde und anschließend auf zwei umfangreiche Organisationsprobleme der EU eingehe.

Weiterlesen →

Promotionsplagiate in der Medizin – Im Zweifel gegen die Wissenschaft

Die Verteidigungsministerin bleibt Doktor. Kein gutes Signal für den akademischen Nachwuchs, aber ein gutes Indiz dafür, Medizin-Promotionen nicht ernst nehmen zu müssen.

25597026566_9d196d45ce_z

Ursula von der Leyen behält ihren Doktortitel und damit ein Stück Würde. Günstig für die Person, jedoch nicht für die Wissenschaft. Nicht um Moral kann es gehen, nicht eigentlich um Anstand, um Sitte oder die leidige Frage, wie viel Ehrlichkeit den Menschen von der Leyen schmückt. Worum sonst geht es Wissenschaft, wenn sie Forschung auf den Prüfstand stellt? Wesentlich geht es um Erhaltung ihrer Funktion, um Grenzziehung, letztlich um Schutz des Systems. Und nötigenfalls um Ausgrenzung jener, die erkennen lassen, dieses System nicht anerkennen zu wollen. Dass medizinische Promotionen oft wenig taugen, wäre abermaliger Erwähnung nicht wert, wäre der vermiedene Titelentzug in Sachen von der Leyen nicht einigermaßen ärgerlich, aus Sicht nicht weniger gar unerträglich für den akademischen Großbetrieb.

Weiterlesen →