Wenn es doch bloß um Unterhaltung ginge

Politische Reden müssen nicht gelingen, um zu überzeugen. Gerade im situativen Scheitern kann das Potential liegen, eine besondere Verbindung zwischen Redner und Publikum herzustellen. Ein Publikum, das eine Rede taktvoll mitfühlt, ist zu anderen Sympathien in der Lage, als eines, das mit druckreifen Appellen beladen wird, seien sie auch noch so zustimmungsfähig. Viele Politiker wissen es: Ein Publikum will gebraucht und bedient werden.

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Sehen und gesehen werden

Richard Dreyfuss liest die iTunes EULA

Wenn man beim Friseur sitzt, und das dortige Personal fragt, wie man sein Haar den pflege und man mit: „hm, was meinen Sie denn?“ oder „hm, gar nicht“ antwortet, erntet man Blicke des Unverständnis. Friseuren ist, so meine Beobachtung, recht häufig der Vorwurf zu machen, dass sie sich mit ihren Kunden verwechseln und jedem Menschen unterstellen, sich 8h am Tag nur um Haare zu kümmern. Ähnlich ist es beim Zahnarzt. Mir wird regelmässig empfohlen, auf Säfte gänzlich zu verzichten – als ob es mir in jeder Lebenslage nur um die Säurebelästigung meiner Zähne ginge. Bei Friseuren lächelt man noch darüber, Ärzte nimmt man schon ernster. Aber im Grund es ist falsch, dem (eigenen) Leben auch nur irgendeinen obersten Wert, eine Zielsetzung oder gar einen (und keinen anderen) Sinn zuzuteilen.

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Nach dem Paukenschlag

Eigentlich habe ich keine Ahnung von Comics. Eigentlich bin ich richtig genervt, wenn in Gesprächen andauernd Simpsons-Zitate verwendet werden, die nichtssagend sind und auch mit Vorabend-TV-Wissen nichts sagen. (Und alle Comic-Freunde, die mir jetzt erzählen wollen, dass die Simpsons nicht zum Comic zu zählen sind… – so Comicunbedarft bin ich eben.)

Thomas Strobl hat aber heute morgen auf einen ganz besonderen Superhelden hingewiesen. Einen gefallenen Punisher. Alt, abgehalftert und zum Teil mit Alltäglichem befaßt. Ich habe oben das Bild eingefügt, dass ich am eindrucksvollsten finde. Der alte Held, noch fähig Superheld zu sein, doch das, worauf es eigentlich ankommt, einen guten Eindruck zu hinterlassen und Zuversicht zu versprühen, das schafft er nicht mehr.

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Globalisieren und Zentralisieren

Kopfloses Rennen

Es ist lange her, dass in der Politik über Europa gestritten wurde. Man hatte sich daran gewöhnt, dass insbesondere der Bundestag alle Schritte der Weiterentwicklung Europas geschlossen geht. Selbst als das Bundesverfassungsgericht mahnte, die Parlamentarier sollen sich durch EU-Verträge nicht selbst entmachten, wurde der Vertrag von Lissabon, mit dem das zu befürchten stand, zuvor mit nur 58 Gegenstimmen im Bundestag beschlossen. Diese Einigkeit ging verloren, als Europa vor eineinhalb Jahren mit dem ersten Rettungspaket für Griechenland seinen Alltag verlor. Seit dem wird täglich neu gerettet. Und offensichtlich fehlt die Zeit, dies in Ruhe zu tun. Die Alternativen werden öffentlich diskutiert.

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Warren Buffet sagt:

Since 1992, the I.R.S. has compiled data from the returns of the 400 Americans reporting the largest income. In 1992, the top 400 had aggregate taxable income of $16.9 billion and paid federal taxes of 29.2 percent on that sum. In 2008, the aggregate income of the highest 400 had soared to $90.9 billion — a staggering $227.4 million on average — but the rate paid had fallen to 21.5 percent.

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Notwendige Proteste, notwendige Arrangements

Start einer kleinen Reihe: Sonntagssoziologie. Sachen die in der Zeitungsarbeit übrig bleiben, oder diese vorbereiten & der anfallende Rest.

Der Versuch von Sascha Lobo, das Internet als generatives Element in die Diskussion über die Ursachen des Verbrechens in Oslo zu thematisieren ist interessant. Der grundsätzliche Versuch ist richtig, weil er nicht abwegig und in der Form trotzdem mutig ist. Noch interessanter ist allerdings die Nachbesprechung, denn sie greift die Problematik auf, dass es derzeit keine tragfähige Internetverteidigungsargumentation gibt. Und es wird erst recht keine geben, wenn zukünftige andere Menschen ihre Copy/Paste-Pamphlete ins Internet stellen und zeigen, was das Internet für Potentiale in sich birgt, gerade wenn man Souverän seiner Filter ist.

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Resonanz & Widerstände

Die Uni Bielefeld hat ihren eigenen Humor.

Als wir vor etwas mehr als drei Jahren hier angefangen haben, war die Idee ziemlich einfach. Wir wollten die Diskussionen aus unseren Uniseminaren konservieren und fortführen. Tatsächlich umgesetzt haben wir dann aber die noch viel einfachere Idee: Jeder schreibt einfach wann und was ihm beliebt. Das, was in Uniseminaren nicht geht und wofür man auch die ganze Härte eines Bielefelder Soziologiekolloquiums kassiert, hat sich als zentrale sozialtheoristische Idee herausgeschält: Beliebigkeitssoziologie. Oder wie Klaus Kusanowsky es neuerdings in anderem Kontext nennt: Assoziologie (es geht ums Assoziieren, nicht um Asozialität). Die Definition dessen ist recht einfach. Es geht darum, ein tagesaktuelles oder anders interessantes einzelnes, empirisches Phänomen, meistens eins das bereits massenmedial beobachtet wird, zu nehmen und es mit soziologischer Theorie zu konfrontieren. Eine Voraussetzung dafür ist die gründliche Theorieauslegung, doch genau das sollte nicht gleich übertrieben werden. Zumindest fehlten in meinen Texten immer die Quellenverweise und absoluten theoretischen Rückversicherungen. Denn zentral stand ein ganz anderes Anliegen: das Argumentieren einer Perspektive, die durch den Text allein anschlussfähig ist. Auch wenn es sich anders liest, genau dieses lockere Herunterschreiben, bei dem man sich an Lektüre erinnert, aber nicht zur Suche nach Seitenzahlen verpflichtet ist, stellte sich letztlich als extrem entspannend heraus. Zumindest kann ich sagen, das Füllen dieser Internetseite hat mir immer mehr Spaß gemacht. Ich würde fast sagen, am Ende ging es nur noch um die Freude – auch wenn die Themen anderes zeigen.

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Was weiß Google schon?

In der Zeitung nachgucken, was später im TV kommt. Ziemlich oldstylisch...

Was weiß Google schon? Das ist die Frage, um die sich vieles dreht. Es ist keine akute Tagesaktualität, sondern die ‚prognostizierende Historisierung‘ die immer mal wieder aufflammt. Hier zum Beispiel. Diese Diskussion ist beinah nur gut zu finden. Sie war internetuntypisch diszipliniert, als hätten sich alle Beteiligten im Kolloquium getroffen. Jeder hatte die Textgrundlage gelesen, gute Argumente konnten zünden und selbst Michael Seemann ist durch einen durchdachten & pointierten Beitrag aufgefallen (gilt nicht für den, den er danach verlinkte.) Und, und das ist besonders hervorzuheben, es wurde über Problemstellungen diskutiert.

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Zwei Portionen Kulturoptimismus

Maschinen helfen nur bei bekannten Problemen

Die Überlegungen zum „Kulturpessimismus“ (hier sollte eigentlich auf einen Text von Kathrin Passig verlinkt werden, der Merkur hat ihn aber depubliziert) bekamen für mich die letzten Wochen neue Attraktivität, seit ich gelesen habe, wie deutsch dieses Phänomen ist. Ängste und Vorbehalte werden der deutschen Kultur ja in vielen Bereichen unterstellt, doch hier scheint es noch besonderer zu sein. Immerhin gibt es New Yorker Autoren, die ganze Bücher zu ihrem kulturpessimistischen Erleben schreiben und dann von einer deutschen Zeitung per Interviewfrage erfahren, dass es dazu im alten Europa bereits eine in Jahrhunderten kondensierte Geisteshaltung gibt. Die Begeisterung darüber ist dann, zumindest in dem Einzelfall, so groß, dass der Titel „Kulturpessimist“ direkt mit auf den Grabstein soll. In Amerika beginnt man, sich Gedanken zu machen. Was Manufakturen, Maschinen und Metropolen nicht schafften, erledigt jetzt die Computerisierung: gesellschaftliche Debatten zu „Moral Panic“.

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Gut & Richtig

Die letzten Monate hat sich nicht nur hier ein tragendes Thema herauskristallisiert. Bei mir war es das durch Werturteile dominierte „Privatmeinungsinternet“, bei Klaus Kusanowsky ist es die „Trollforschung“ Erforschung der „Trollkommunikation“. Ich habe meine private Meinung dazu etwas klarer geäußert, kusanowsky blieb diszipliniert beobachtend & diagnostizierend. Sascha Lobo wurde hin und wieder erwähnt. Er zeigte in seinem re:publica Vortrag und vereinzelten Texten Sensibilität für das hinter dem Thema steckende Problem. Sozusagen ergänzend kommen bei ihm Appelle und Therapieansätze vor.

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