Dr. plag. (plagium)

Lügenbaron

Roland Preuß schlägt in der heutigen Ausgabe der SZ auf der Meinungsseite vor, Plagiate verjähren zu lassen und bezieht sich dabei direkt auf die Diskussionen rund um die Doktorarbeit von Anette Schavan. Dieser (inhaltlich wie praktisch abstruse) Vorschlag ist für mich besonders interessant, weil er einen zentralen Aspekt der Diskussionen widerspiegelt. Es geht dabei um eine differenzierungstheoretische Perspektive. So lässt sich das Ringen um Wahrheit und politische Hoheit als ein Wechselspiel von Eingriffs- und Schließungsversuchen von Wissenschaft und Politik verstehen. Im Kern lautet die Forderung von Roland Preuß, die erfolgreiche Plagiatsprüfung von dem Entzug des Titels zu trennen: Weiterlesen →

Religiöser und anderer Glaube

Religion, Gott und Glaube, das sind die Schlagworte der Texte, die mich die Woche am meisten interessiert haben. Irgendwie ist Richard Dawkins „Gotteswahn“, ein Buch, das ich aus Prinzip nicht lesen würde, hochgekocht und wurde, wie es das Thema hergibt, kontrovers und teilweise leicht emotional besprochen. Ergebnisse sind: Religion ist Bullshit, Gott ist keine so einfach zu umreißendes Phänomen und: es ist ein interessantes Thema, aber eben nur, solange es Thema bleibt.

Das Problem der Religion ist, das die Gesellschaft nicht ohne sie auskommt und nie ohne sie auskam. Religion ist der, wenn alle anderen Stricke des Weltbildes (Familienzusammenhalt, Karriereplanung, Fitnessplanung, …) reißen, letztlich übrig bleibende, ununterschiedene, absolut gesetzte Rückhalt, den man als Individuum, mit anderen Individuen, findet. Besonders wenn man sich einer unzähmbaren, unsicheren, unstabilen und inkonsistenten gesellschaftlichen Realität gegenüber ausgeliefert sieht.

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Planwirtschaft reloaded

Durch Innovationsbemühungen vorwärts in die Vergangenheit?

Die Planwirtschaft ist wieder auf dem Vormarsch. Fast jeder wird dies im Alltag beobachten können. Und um Missverständnisse auszuräumen, sei vorweg gesagt, worum es nicht geht: Die Planwirtschaft wird den Kapitalismus nach der Bankenkrise nicht ersetzen. Auch wenn sich einige dies wünschen mögen, gibt es die Planwirtschaft nicht zurück (es sind halt die Leser der SuperIllu…). Und doch finden sich unmissverständliche Anzeichen für den Rückkehr der Planwirtschaft. Der Wandel vollzieht sich allerdings nicht im politischen System, sondern vielmehr auf allgemeiner organisationaler Ebene und ist eng mit den Stichworten Qualitätssicherung, Zielvereinbarung, leistungsbezogene Vergütung, Evaluation und Reform verbunden. Es sieht ganz danach aus, als ob die Planwirtschaft auf organisationaler Ebene eine Renaissance erlebt, die abseits intendierter Ziele ganz praktisch realisiert wird. Wie konnte es dazu kommen?

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Zur Dynamik der Wissensgesellschaft

Oder: die Mythen der Bildungsforschung

Ich werde niemanden damit überraschen, wenn ich schreibe, dass wir in einer Wissensgesellschaft leben, deren gesellschaftlicher, organisationaler und individueller Wandel immer schneller voranschreitet und in der wissensbasierte Qualifikationen und lebenslanges Lernen von höchster Priorität sind, um den mehrdimensionalen Wandel nicht nur zu bewältigen, sondern auch gestalten zu können. Jeder kann und darf unhinterfragt behaupten, dass wir es mit einer dynamischen Wissensgesellschaft zu hätten. Die fraglose Verbreitung dieser beiden gesellschaftlichen Mythen überrascht mich allerdings jedes mal aufs Neue. Wer oder was ist denn die „Wissensgesellschaft“ und wo ist der Tacho, auf dem man die zunehmende Geschwindigkeit des gesellschaftlichen Wandels ablesen kann?

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Soziologische Stilblüten (II)

Wenn es richtig ist, daß das menschliche Erkennen sich aus praktischen Notwendigkeiten entwickelt hat, weil das Wissen des Wahren eine Waffe im Kampf ums Dasein ist, sowohl gegenüber dem außermenschlichen Sein wie in der Konkurrenz der Menschen untereinander – so ist es doch an diese Herkunft längst nicht mehr gebunden, und ist aus einem bloßen Mittel für die Zwecke des Handelns selbst zu einem endgültigen Zwecke geworden.

Simmel, Georg (1908): Soziologie. Untersuchungen über die Formen der Vergesellschaftung. Gesamtausgabe Band 11, hg. von Otthein Rammstedt, Frankfurt am Main: Suhrkamp 1992. S. 13.