Dieser Tage beginnt für viele Kinder der schulische Ernst des Lebens. Für viele andere wird er in weiterführenden Schulen noch einmal verschärft. Was für die Kinder mit neuen Belastungen einhergeht, sollte für Eltern eigentlich mit Entlastung verbunden sein. Kinder in staatlicher Obhut, das gibt wieder Freiraum für das eigene Leben.
Seit etwa (grob geschätzten) 15 Jahren sind es jedoch nicht nur die Kinder, die eingeschult werden, sondern in Maßen auch wieder deren Eltern. Kaum eine deutsche Einschulungszeremonie kommt dieser Tage ohne die Bitten um elterliches Engagement und die Vorstellung des Fördervereins der Schule aus.
Und es sind gerade die Einschulungsveranstaltungen, die genutzt werden, Eltern mit Mitgliedschaftsanträgen für Fördervereine zu überrumpeln. Wahrscheinlich, weil die Stimmung gut und der Gruppenzwang ausgeprägt ist. Wenn die Umgebung neu ist, orientiert man sich an den anderen. Wenn so das erste Elternpaar vor den Augen der anderen im Sack ist, lassen sich die anderen leicht nachziehen. Wer wollte an diesem wichtigen Tag schon Widerworte geben – geht ja auch nur um 10 Euro.
Das Zugpferd der Fördervereine sind dabei die „schrumpfenden öffentlichen Kassen“, die kompensiert werden müssen. Zumal es hier um „ihre Kinder“ geht. Wenn man diese gut gemeinte Fördervereinskonstruktion funktionalistisch durchanalysiert, erhält man jedoch ein eher erschreckendes Bild.
Fördervereine sind nach Wikipedia Verbindungen von „potenziellen Geldgebern“ und „unterfinanzierten gemeinnützigen Projekten“. Ich denke es liegt auf der Hand, das Eltern in Deutschland mehrheitlich nicht als „potenzielle Geldgeber“ zu betrachten sind. Genauso wenig sind Schulen „gemeinnützige Projekte“. Zumindest nicht in dem Sinne, der hier wohl gemeint ist.
Förderverein verlagern die Verantwortung des Staates in die privaten, direkt involvierten Hände der Eltern. Die einzelne Schule wird dabei zur grundlegenden Kategorie. Welche sich nicht selbst hilft, geht unter. Eltern werden, neben ihrer grundsätzlichen gesellschaftlichen Belastung durch ihren Nachwuchs noch direkter in Verantwortung und unverhältnismässiges Engagement gedrängt. Im Grunde sind Mitgliedsbeiträge für schulische Fördervereine als versteckte Schulgebühren zu begreifen. Dabei könnte es genau umgekehrt sein, dass Bürger ohne Kinder ihre Freiheit zumindest finanziell kompensieren. Denn die Vorteile gesellschaftlichen Nachwuchses genießen sie auch.
Wieso hat sich diese Struktur von Fördervereinen dennoch durchgesetzt um Schulen am Leben zu erhalten? Wie immer, weil sie funktioniert – und zu meiner Erklärung, weshalb das so ist, möchte ich meine allererste Gender-Studie in Worte fassen, sie beruht auf genau einem von mir beobachteten Fall einer NRW-Grundschule:
Erste Beobachtung: Der Förderverein besteht aus engagierten Frauen. Zumindest ist er bei der Einschulung nur durch weibliche Mitglieder, die stapelweise Mitgliedschaftsbögen verteilt haben, in Erscheinung getreten. Zweite Beobachtung: Die Bögen ausgefüllt und teilweise vor Ort bezahlt, haben zumeist Männer.
Mein Erklärung dazu ist simpel und ein bisschen holprig. Aber, Frauen interessieren sich verhältnismäßig seltener für das „abstrakte Große und Ganze“, Männer sind eher von Kleinigkeiten genervt und absolvieren sie ohne viel nachzudenken, Hauptsache es geht vorbei.
Und genau das äußert sich bei Fördervereinen. Mütter gehen zwei Stunden lang von Elternpaar zu Elternpaar, um sich für die gute Sache einzusetzen. Väter dagegen sind nach 20 Sek. Kontakt mit dem Förderverein schon bedient, und machen gute Mine zum nervigen Spiel, das am besten gelingt, wenn sie ganz schnell bezahlen.
Die Eltern werden gegeneinander ausgespielt, und der eigentliche Verursacher der Misere, bleibt außen vor. Der (im Wortsinne) unfassbare Staat tritt allenfalls in Sitzungen des Fördervereins als Motivationsgrundlage zutage, doch anstatt in diesem Moment aktiv angegangen zu werden, konzentrieren sich die Anwesenden lieber auf die unmittelbaren Projekte des Fördervereins.
Meiner Meinung nach sollte das anders laufen. Wenn ich für einen schulischen Förderverein bezahlen würde, würde ich mich in ihm engagieren und darauf hinwirken, dass man mit den Mitgliedsbeiträgen einmal dort Krach macht, wo das eigentliche Übel zu verorten ist. Die jährlichen Mitgliedsbeiträge eines Bundeslandes dürfte doch reichen um einmal die Ministerpräsidenten auf Verbesserung ihres Gewissens zu verklagen bzw. auf Aufgabe ihrer Verpflichtung gegenüber ihres Gewissens. Aber zu so was wird es in Deutschland nie kommen, da fehlt uns französischer Geist.
Dass unser Schulsystem marode ist, darin stimmen wir überein ;-)
Allerdings hätte ich eine andere, vielleicht noch simplere Erklärung dafür parat, dass sich Frauen engagieren und Männer zahlen. Die „Klassische“. Dabei kann man auf psychologische/anthropologische Differenzen verzichten. Frauen bzw Mütter sind auch heute häufig Hausfrauen oder arbeiten nur Teilzeit. Klar, dass sie dann Zeit finden, sich für das „Wohl“ ihrer Kleinen zu engagieren. Männer haben diese Zeit nicht, sie arbeiten, sind daher aber auch in der „finanziellen Versorgerrolle“… Das alte Spiel. Mama kümmert sich um den Nachwuchs, Papa zahlt.
Jo, das kann sein. Ich würde es aber als evolutionäres Relikt ansehen – mit den typischen Begriffen „Höhle“, „Urzeitmensch“, „Jagd“, usw. ;-)
Aber müsste man tatsächlich mal auszählen welchen Berufsstatus die Mütter, die die Fördervereinsfunktionen inne haben, haben. Vielleicht kommt das hin.
Ich glaube, dass es sich hier um zwei Paar Schuhe handelt.
Zum einen steht die Frage, warum Fördervereine existieren können/müssen. Zum anderen steht die Frage des überproportionalen aktiven Engagements von Frauen in diesen Vereinen.
Die erste Frage ist ja teils schon beantwortet worden: Der Staat ist kaum greifbar, Proteste schwer zu mobilisieren und letztlich sind die Kinder der Betroffenen ja gerade jetzt in der Schule und benötigen die gute Ausbildung ja sofort und nicht erst dann, wenn der politische Prozess für Veränderungen gesorgt hat. Stichwort Eigenzeit des politischen Systems. Dass sich Organisationen dann raffinierte Methoden einfallen lassen, um neue Mitglieder zu gewinnen und Zahlungen zu motivieren, dass ist höchstens noch unter dem Gesichtspunkt des „Wie?“ interessant. Die Elternpaare gegeneinader auszuspielen, erscheint ein kluger Schachzug zu sein, der aber nur bei traditioneller Rollenauffassung funktionieren wird.
Für die zweite Frage habe ich grad keine kluge These parat, sträube mich aber immer sehr gegen die Jäger-und-Sammler-Annahmen.
Nimmt man dies allerdings einmal als empirische Gegebenheit hin, dann kann man vielleicht noch einmal gezielter Fragen, warum politische Proteste wenig, bis überhaupt nicht stattfinden. Schließlich ist politischer Krawall in der Regel eine klassische Männer-Domäne.