Wissensbeschaffung vs. Wissenschaft

Jürgen Kaube wartet heute mit einem ganz wunderbaren Text und einer ziemlich besorgniserregenden Zeitdiagnose auf: Die Chinesen überholen uns!!! Nein. So platt ist es nicht. Auch wenn die Chinesen in der Überschrift auftauchen.

Viel eher geht es um die sehr aktuelle Tatsache, dass die deutschen (europäischen?) Unis und ihre sozialwissenschaftlichen Einrichtungen seit geraumer Zeit ein gewisses Völlegefühl plagt. Man merkt es im Tagesgeschäft kaum aber es ist doch zu beobachten. Das Engagement fleißiger Professoren fließt in die Selbstverwaltung der vielen neuen Studiengänge. Das Engagement der Studenten wird durch sinnlose Konkurrenz zerrieben – etwa, wenn mit Themenwahlen nicht mehr einzelne Lehrstuhlinhaber konfrontiert werden, sondern ganze Gremien, deren Mitglieder sich dann nicht mit einem Themenvorschlag tiefgründig, sondern mit allen oberflächlich und unter Aufsicht befassen müssen. Und überhaupt. Seit der Idee, dass es „Eliteuniversitäten“ geben müsse, werden universitäre Programme nicht mehr im Hinblick eigener Potenziale und Kompetenzen hin entwickelt, sondern immer mit Blick auf Termine und Konkurrenten. Im Großen wie im Kleinen läuft im sozialwissenschaftlichen Bereich nicht nur einiges schief, sondern vieles aus dem Ruder. Es lässt sich beobachten, dass eine sozialwissenschaftliche Fakultät nicht mehr der Wissenschaft gehört, sondern zunehmend der Drittmittel spendenden Wirtschaft oder der wissenshungrigen Politik als Wissensbeschaffungsbehörde dient. (Oder wie J. Kaube mit anderem Bezug meint: „Die Lektüre ist hier keine Investition mehr, sondern Konsum.“)

In der FAZ steht es heute ganze ohne die Hektik der wissenschaftlichen Tagespolitik. Eine unbedingte Leseempfehlung.

Veröffentlicht von Stefan Schulz

Diplom-Soziologe aus Jena via Bielefeld in Frankfurt am Main. Kümmert sich promovierend um die Bauernfamilien des 12. Jahrhunderts mit ihrem Problem der erstmaligen "Kommunikation unter Unbekannten" und ist heute Journalist. stefanschulz.com

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