Hm. Was soll man von dem Tag heute halten..? Ich durchfliege in Gedanken all die Bücher, die ich zum Thema Politik gelesen habe, und stelle fest, es hat sich etwas Neues ergeben. Statt mit Resignation oder Moralisierung reagieren plötzlich ganze Publikumsteile der Politik mit Humor. Und zwar nicht zu knapp. Es wird nicht nur an einem Thema angesetzt, das kräftig durch den Kakao gezogen werden kann, sondern es werden alle aktuellen Sachthemen beiseitegelassen und eine Person, die vormals als Teilnehmer die politische Kommunikation dominierte, wird selbst zum Thema gemacht. Obwohl sie genau dies durch die eigene Rückzugsentscheidung eigentlich vermeiden wollte.
Und es ist noch kurioser. Es handelt sich nämlich nicht um ein Thema, das zum Zwecke der Artikulation politischer Haltungen aufwendig mobilisiert und begründet werden muss, sondern man handelt auf Einladung. Man zieht nicht los, argumentiert und moralisiert, sondern man verschärft einfach die Betonung dessen, was bereits gesagt wird und schon hat man eine eigene und eigenartige politische Kampagne.
Den „Und alle so Yeaahh!“ Rufen konnte man damals noch mit dem Schabernack-Vorwurf begegnen. Sie haben eine Veranstaltung gestört, tauchten nur kurz auf und erledigten sich recht schnell. Die heutigen „Pro-Guttenberg-Demonstrationen“ sind von anderem Kaliber. Es handelt sich ganz klar um politische Kommunikation. Doch man kann ihr mit keiner gängigen politischen Kampagnen-Strategie begegnen.
Gegenargumente auf der Sachebene laufen ins Leere, weil sie gegen nichts gerichtet werden können. Bei den heutigen Pro-Guttenberg-Demonstrationen, und dem Guttenberg-Humor, der seit Wochen Twitter dominiert, sind keine offensiv vertretenen Werte im Spiel. Es wird nicht mit besonderem Wissen gepunktet. Es tritt keine Ideologie zutage. Alle Regeln der Diskussionsebene einer ernsthaften politischen Auseinandersetzung, wie wir sie in der Schule lernen, sind außer Kraft. Die Politik wird einfach nur ausgelacht. Jedoch nicht durch die kurze, freche Zote, sondern mit erheblichem organisatorischen und persönlichen Aufwand.
Das ist allein deshalb faszinierend, weil Guttenbergs Strategie der letzten zwei Jahre, wenn auch nicht mit Humor, auf gleiche Weise funktionierte. Auch ihm war auf der Sachebene nicht beizukommen. Er profilierte sich nie über Erfahrung oder Sachverstand, sondern durch indirekt kommunizierte Tatkraft, Herkunft und Unabhängigkeit. Was konnte man dagegen sagen? Nichts. Jedes Argument zu tagespolitischen Entscheidungen, familiärer Herkunft und finanzieller Unabhängigkeit barg das Risiko des Neidverdachts oder anderer politischer Motivunterstellungen.
Es ist, gerade deswegen, interessant zu sehen, wie das sachlich entmündigte Publikum, dem jede Möglichkeit der ernsthaften politischen Auseinandersetzung genommen wurde, jetzt auf den Fall Guttenberg reagiert: durch Humor – fernab jeder politischen Sache, ideologischer Ausrichtung und moralischen Empörung.
Und es wird ebenso interessant sein, wie die Politik auf diese Aktion des Publikums reagieren wird. Dass politisches Aussitzen zu Resignation führt, ist allenfalls noch eine Berliner Hoffnung. Wenn Merkel ihrer Strategie treu bleibt, wird sie in zwei Jahren aus dem Amt gelacht. Auf der Sachebene haben sich allmählich alle Diskussionen erledigt, auch wenn im TV noch versucht wird, themenzentrische, ergebnisoffene Diskussionen zu simulieren. Und die eigentlich einzige Möglichkeit, die bleibt, auf Humor mit besserem Humor zu reagieren, wirft, was die konkrete Praxis betrifft, nur Fragezeichen auf.
(Bild: fotografiona)
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