Der Begriff Kredit verweist auf das Aufschieben von Zahlungen. Diese einfachste Form der Begriffsverwendung ist massenmedial inzwischen so präsent, dass die eigentliche Funktionsweise schon nicht mehr behandelt wird. Anstatt Tatsachen zu erklären, wird einfach auf den tradierten Begriff Kredit (als massenmedial taugliches Schema) zurückgegriffen und schon ist die Lage Irlands, Griechenlands, der Frankfurter Rundschau und die von 1860 München beschrieben: Diese Länder und Institutionen haben Schulden, die sie nicht bezahlen können – sie stehen vor tief greifenden Veränderungen.
Dass diese Vereinfachung über die Begriffsvehikel Kredit und Kreditfähigkeit zu einfach ist, versteht man beinah intuitiv. Es ist daher, wenn schon die empirischen Einzelfälle nicht genauer beobachtet werden, angeraten, sich zumindest über den Mechanismus der Verknüpfung von Zeit (Aufschieben) und Geld (Zahlung) grundsätzlich zu informieren. Insbesondere, weil ein offener Kredit nicht nur „Zahlungsrückstand“, „Belastung“, „Schulden“ bedeutet und nicht jede „Zahlungsunfähigkeit“ gleich eine Tragödie ist.
Wenn man diesen Weg geht und sich über den Gehalt des Begriffs Kredit informiert, ist es nur ein kleiner Schritt, die Idee des Aufschubs von Zahlungen von der Verengung auf Geld zu lösen und sich eine Stufe generalisierter über die Idee eines Aufschubs von Leistungen allgemein Gedanken zu machen. Schließlich sind Geldzahlungen nicht die einzigen Leistungen, zu denen man sich im Jetzt verpflichten kann, obwohl erst in der Zukunft die entsprechenden Mittel zur Verfügung stehen, mit denen geforderte oder notwendige „Kompensations“-Leistungen erbracht werden können. (Die Etymologie von Kredit verweist, ohne inhaltliche Verengungen, auf Glaube und Vertrauen.)
Den Kreditbegriff von Geldzahlungen zu lösen eröffnet eine interessante und, das sollte man nie unterschätzen, stammtischtaugliche Heuristik. Denn nicht nur das Irland/Griechenland-Thema passt ins Kredit-Ideenschema, sondern auch das Atomkraftproblem. Nationen, die sich per politischer Entscheidung „saubere Energie“ via Atomkraft heute auszahlen lassen, müssen die Atommüllentsorge-Leistung morgen erbringen. Sie haben sich selbst einen Vertrauensvorschuss dafür gegeben, dies später zu können.
Wenn ein Atomkraftwerk bis zum Ende funktionstüchtig bleibt, müssen die Brennelemente gelagert und betreut werden. Wenn ein Kraftwerk vor seinem politischen Ende kaputt geht, ist zwar, wie aktuell, die Lagerungsfrage geklärt (worden), doch eine Betreuungs-Leistung ist umso aufwendiger. (In Fukushima sind es übrigens 60 – 90 Tonnen Brennstoff pro Reaktor. Die Einheit dieser (direkten und indirekten) finanziellen Betreuungs-Leistung wird wahrscheinlich die nächsten Jahrzehnte in ‚Prozent des BIP‘ angegeben, wie schon jetzt in der Ukraine.)
In diesem Rahmen bietet der heutige Nachrichtentag zwei gravierende Feststellungen zum Ende der Kreditfähigkeit auf. Zum einen kündigte heute sowohl der Bundespräsident als auch die Kanzlerin das „too big to fail“-Prinzip der Bankenrettung auf und zum anderen ist der (partielle) Atomausstieg in Deutschland seit heute politisch abgemachte Sache. Das Moratorium wird zuungunsten der Atomkraftwerksbetreiber ausgehen und darüber wird offensichtlich nicht mehr politisch verhandelt, es gilt der Rechtsweg. Zwar muss man beim Atomthema noch abwarten, was letztlich wirklich passieren wird, doch die heute bewilligten 24 Mrd. Euro (via), mit denen die Banken des 4-Millionen-Einwohner-Landes Irland ein weiteres Mal ausgestattet werden, markieren ein auch für Laien erkennbares faktisches Ende der finanziellen Kreditfähigkeit. (Man kann und wird Irland und den anderen Ländern und Institutionen weiterhin Geld geben, nur mit der Form „Kredit“ wird man es zukünftig erheblich schwerer haben. Und „Schenkung“ wird kein politisch angemessenes, akzeptiertes Substitut sein.)
(Bild: damaradeaella)
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