Prolog: Es gehört wohl zur neuen Medienlogik, dass man selbst vom größten neuen Meme aus der Zeitung erfährt. (Vielleicht, weil es sich schlecht in einen Podcast verpacken lässt.) Aber vor dem Hinweis von Nachwuchskollege Sebastian Dörfler, war mir der „Harlem Shake“ völlig fremd.
Und wie sensationell das ist. Vielleicht haben die Google-Leute recht, es sind nicht mehr die wissenschaftlichen Papiere, auf die es ankommt, sondern die Proof of Concepts, die ihre Plausibilität ganz eigen darstellen. Dirk Baecker hat also doch recht: Um das Soziale zu verstehen, muss man nur kurz hingucken. Wer Netzwerke verstehen will, muss sich bei Facebook anmelden und wer Normalität (über ihren Gegenentwurf einer Krise) verstehen will, muss sich bei Youtube Harlem Shakes anschauen. Es ist immer dasselbe: Einer fällt aus der Rolle und kurz danach alle. Keine Story, keine Geschichte – jeder dreht für sich durch, aber alle auf einmal. Das ist witzig und überraschend, denn die 30 Sekunden, die die Videos lang sind, reichen, sich an ihren Anblick zu gewöhnen. Klickt man sich durch die Youtube-Videos ist man so gespannt darauf, was man zu sehen bekommt, dass man nach dem fünften Video schon enttäuscht ist, wenn die Leute nicht genug ausrasten.
Bei Leo Laporte wurde im vergangenen Jahr mehrmals darüber gesprochen, was das neue Normale eigentlich ist, jetzt, da wir alles zu sehen bekommen. Einhundert Jahre wurde nur nach Drehbuch gefilmt, abgelesen, was es zu sagen gab, versteckt hinter Masken und aufwendigen Frisuren. Das ist schlagartig vorbei, seit die Kameras überall stehen und Youtube sehr genau darauf achtete, dass es immer auch eine Sofort-Upload-Funktion in der eigenen Mobilfon-App gibt, die sich jetzt auch Twitter mit „Vine“ eingebaut hat. (Das jegliche Möglichkeit der Post-Production der Videos verweigert wird, ist ein Feature, kein Fehler der neuen Technik.)
Also, ja, die „Harlem Shakes“ sind alle inszeniert, aber nicht mehr oder weniger, als das Fernsehen bislang alles inszenierte. Nur absolut anders.