Heuchelei statt Konflikt

Zur Wirkung von Moral in Organisationen[1]

Ein Beitrag für Cristina Besio und André Armbruster (Hg.) Organisierte Moral Wiesbaden: Springer VS 2020

In der Forschung wird davon ausgegangen, dass Moralkommunikation zu heftigen Konflikten führt, weil bei dieser immer persönliche Achtung oder Missachtung zum Ausdruck gebracht wird. In diesem Artikel wird im Gegensatz zu dieser Annahme argumentiert, dass von der Organisationsspitze eingeführte Moralkampagnen in der Regel zu Heuchelei führen. Die über Hierarchie formalisierte Machtasymmetrie in den meisten Organisationen verhindert, so das Argument, moralisch geführte Konflikte und führt stattdessen zu einer oberflächlichen Anpassung der Organisationsmitglieder, an die von oben vorgegebenen moralischen Richtlinien.

1.    Die Hoffnung der moralischen Organisation

Schaut man sich Organisationen an, die wegen Regelabweichungen in die öffentliche Kritik geraten sind, fällt eine Sache auf: Vor dem Bekanntwerden des Skandals hatten sich diese Unternehmen Systeme zur Sicherung von Gesetzeskonformität gegeben, die vielfach als musterhaft galten (siehe dazu Chen und Soltes 2008, 116f.). Als herauskam, dass Siemens systematisch Schmiergeldzahlungen zur Auftragsgewinnung eingesetzt hat, wurde Siemens weltweit als einer der Vorreiter im Compliance Management betrachtet. Schließlich hatte Siemens direkten Anteil daran, dass die Bundesrepublik Deutschland die Konvention zur Bekämpfung von Auslandskorruption unterschrieben hatte und hatte sich außerdem selbst mit der Mitgliedschaft im Global Compact verpflichtet auf Korruption zu verzichten (Dombois 2009, S. 131). Bis zum Bekanntwerden der Manipulation bei Abgastests galt ebenso Volkswagens System zur Sicherung von Regeleinhaltung als vorbildlich. Die Ansicht war, dass Volkswagen im Zuge eines Schmiergeldskandals kurz nach der Jahrhundertwende, ein System zur Verhinderung von Verstößen gegen Arbeits-, Kartell- und Umweltgesetze aufgesetzt hatte, das anderen Automobilkonzernen weit überlegen war (Bauschke 2014, S. 174).[2] Ein noch so ausgefeiltes System zur Kontrolle der Regeleinhaltung – so die Lektion aus diesen Fällen – scheint nicht davor zu schützen, dass Organisationen durch Regelverletzungen in existenzbedrohende Legitimationskrisen geraten.[3]

Das ist ein zentraler Grund, weswegen immer mehr Organisationen das Management von moralischer Integrität als neue Wunderwaffe gegen Gesetzesverstöße und Regelverletzungen für sich entdecken (siehe für einen Überblick Paine 2006; George 2010; Wieland 2010; Schöttl 2018).[4]  Die Hoffnung hinter einem Management von Integrität ist, dass Organisationen als Ganzes moralisch handeln können. Die Forderung nach einer sozialen Verantwortung von Organisationen läuft darauf hinaus, die im Konzept des „ehrbaren Kaufmanns“ noch offensichtlich am individuellen Akteur verankerten Moralvorstellungen, auf jetzt nur noch als kollektive Akteure begriffene Organisationen auszuweiten. Wenn Organisationen als kollektiven Akteuren ähnlich wie individuellen Akteuren Entscheidungen zugerechnet werden können, dann hätten diese, so das Argument, auch die Verantwortung sicherzustellen, dass diese Entscheidungen unter moralischen Gesichtspunkten getroffen werden.[5] Unternehmen, Vereine, aber auch Krankenhäuser, Armeen, Universitäten und Schulen seien, so das Argument, letztlich auch nichts anderes als „zusammengesetzte Moralpersonen“, deren Handeln sich an ethischen Werten messen lassen müsse.[6]

Die Konsequenzen, die aus diesem Streben nach Integrität für die moralischen Ausrichtung der einzelnen Organisationsmitglieder gezogen werden, sind eindeutig. Organisationsmitglieder sollten sich, so der Tenor, nicht nur an die formalen Regeln halten, sondern ihr Handeln auch systematisch an Werten wie Integrität, Menschenwürde, Toleranz oder Gerechtigkeit orientieren (siehe früh in diesem Sinne z.B. Badaracco und Ellsworth 1989; Srivastva 1988; Paine 1994). In Organisationen sollte nicht die stupide Befolgung von Regeln im Mittelpunkt des Handelns stehen, sondern es komme vielmehr auf die Entwicklung einer „spezifisch werteorientierten Haltung“ an, die weit über die durch die Organisation gesetzten Regeln hinausgehe (Schöttl und Ranisch 2016). Organisationsmitglieder sollten, so die Forderung, sich aus „Einsicht in die Richtigkeit“ an zentrale moralische Werte halten und nicht, weil ein Verstoß gegen diese mit schmerzhaften Sanktionen verbunden ist (Grüninger et al. 2015, S. 7).

Ausdruck findet dieses Streben nach Moralität in der Verabschiedung von Moralrichtlinien (siehe für die damit verbundenen Hoffnungen z.B. Ferrell und Gardiner 1991; Weaver et al. 1999). Im Englischen werden diese als Code of Ethics, Code of Conduct, Corporate Credo oder Values Statement bezeichnet. Im Deutschen ist je nach Organisation von Ethikcode, Moralkodex, Wertebekenntnis oder Verhaltensleitbild die Rede. Die genaue Bestimmung, was diese Richtlinien leisten, changieren dabei zwischen eher allgemeinen Wertformulierungen einerseits und sehr konkreten Verhaltensprogrammen andererseits. Bei allen Unterschieden im Detail – in der Regel handelt es sich um ein offizielles Dokument, durch das verbindliche moralische Standards für alle Organisationsmitglieder gesetzt werden sollen (siehe dazu Schwartz 2001, S. 248).[7]

Begleitet wird dieser Prozess durch „Moralunternehmer“, die Organisationen „Moral“ verkaufen. Durch die von Moralunternehmern angebotenen Seminare, Checklisten und Zertifizierungen werden Verhaltensweise wie kontrollierte Verstöße gegen Gesetze oder die kreative Auslegung von Regeln für alle sichtbar als abweichend und moralisch verwerflich markiert. Dabei geht es nicht nur darum allgemein geteilte Regeln moralisch durchzusetzen, sondern auch mit Verweis auf hehre Ziele neue moralische Regeln zu setzen (siehe zum Konzept der Moralunternehmer Becker 1963, S. 147–163).[8]

Legitimatorisch abgesichert werden diese „Moralunternehmer“ durch Wissenschaftler, die versuchen die in den Organisationen propagierten moralischen Prinzipien mit einer anspruchsvollen ethischen Reflexionstheorie zu fundieren.[9] Dabei hat sich unter Begriffen wie Organisationsethik, Wirtschaftsethik oder Geschäftsethik eine eigene wissenschaftliche Subdisziplin ausgebildet, der es darum geht, die in Organisationen eingeführten moralischen Prinzipien theoretisch zu begründen und deren Umsetzung in die Praxis zu unterstützen.[10] Neben der Politikethik, der Wissenschaftsethik, der Medizinethik, der Religionsethik und der Sportethik, die als Dienstleister für die in den jeweiligen gesellschaftlichen Teilbereichen verorteten Organisationen auftreten, gibt es dann für das ökonomische Feld eben auch eine Wirtschaftsethik.[11]

Im Rahmen solcher Moralrichtlinien werden Mitarbeiter mit einem fast unendlichen Anforderungskatalog vorbildlicher Verhaltensweisen konfrontiert (siehe nur beispielhaft Kuhn und Weibler 2012b). Mitarbeiter sollen „in Einklang mit den eigenen Werten“ handeln und sich dabei permanent um einen „fairen Ausgleich“ bemühen zwischen dem, was ihnen persönlich hilft und dem, was anderen nützt. Dabei käme es, so der Tenor, auf „Authentizität“ an – auf die Übereinstimmung zwischen den „Werten, die man vertritt, und den Handlungen, die man vollführt“ (Kuhn und Weibler 2012a, S. 70) . Wichtig sei bei integrem Verhalten die „moralische Standhaftigkeit im Angesicht von Widerständen“ – also in Konfliktsituationen auf das Ergebnis abzuzielen, das „die bestmögliche Realisierung der vertretenen Werte ermöglicht“ (Grüninger et al. 2015, S. 8). Mitarbeiter müssten die „Charakterstärke“ entwickeln, auch in schwierigen Situationen für „das Rich­tige und Gerechte“ einzustehen und zwar auch dann, wenn dieses Verhalten mit einem hohen Preis für sie selbst ver­bunden ist (Kuhn und Weibler 2012a, S. 72).[12] Die ganze Organisation wird folglich von einer „Appelitis“ erfasst, durch die sich Organisationsmitglieder gegenseitig belehren, wie man sich moralisch korrekt zu verhalten habe.[13]

Weil sich Einstellungen und Haltungen nicht von oben befehlen lassen, hat die Popularität des Themas Integrität zu einem Boom von Kulturprogrammen in Organisationen geführt.[14] Die Vorstellung vieler Manager und Berater ist, dass sie die Wertekultur einer Organisation gestalten können. Dafür sollen „sinnvermittelnde Maßnahmen“ eingesetzt werden, durch die den Mitarbeitern die „Werte“ ihrer Organisation nahegebracht werden sollen. Mit Integritäts-Trainingsprogrammen soll ein „do-it-right“ Klima etabliert werden, in dem Werte wie „honesty“ und „fair play“ impliziert werden sollen ( Paine 1994, 111ff.). In Workshops zur Fehlerkultur wird gefordert, dass man ein „vorbildliches Führungsverhalten zeigen“, „Freude an Verantwortung ermutigen“, „Zutrauen demonstrieren“ und „vertrauensorientiertes Fehlermanagement fördern“ sollte. Eine Rotation von moralisch vorbildlichen „Subkulturträgern“ soll zur Förderung der Integrität beitragen. „Interdisziplinäre Lerngruppenzusammensetzungen“ sollen als „Maßnahme der Personalentwicklung“ dazu dienen, die propagierten Moralvorstellungen in der Organisationskultur zu verankern (Bleicher 1986, S. 105). Die Mitarbeiter von Großorganisationen werden von „Chief Integrity Evangelists“ auf „Culture Journeys“ geführt, auf denen sie von Kleinstorganisationen lernen sollen, wie sie die „dunkle Triade“ aus „autoritärer Führung“, „aggressiven Zielen“ und „Hire-and-Fire-Kultur“ überwinden können. Es werden Kulturleitbilder erlassen, durch die Mitarbeiter dazu verpflichtet werden, sich „aufrichtig zueinander“ zu verhalten, „unkompliziert und verlässlich miteinander umzugehen“, sich „auf Augenhöhe“ zu begegnen und sich „freundschaftlich verbunden“ zu fühlen. Kurz: Eine Förderung von moralischer Integrität über vielfältige Organisationskulturprogramme scheint für viele Manager und Berater die Lösung für das Problem zu sein, dass – jedenfalls in ihrer Wahrnehmung – die klassischen Maßnahmen zur Regeleinhaltung versagen.

2.    Zum Unterschied von Legalität und Moralität

Durch die Forderung nach Integrität ist es in Organisationen zu einer seltsamen Vermischung von Legalität und Moralität gekommen.[15] Verstöße gegen organisationsinterne Regeln oder staatliche Gesetze werden nicht nur als illegales, sondern auch als amoralisches Verhalten betrachtet (so zum Beispiel Anand et al. 2005, S. 9). Als „organisationale Verbrechen“ werden in dieser Logik alle Entscheidungen betrachtet, die einen körperlichen oder finanziellen Schaden bei den eigenen Kunden, den Mitarbeitern der Organisation, anderen Organisationen, staatlichen Institutionen oder der allgemeinen Öffentlichkeit anrichten – unabhängig davon, ob es sich tatsächlich um einen Gesetzesverstoß handelt oder nicht (so z.B. Frank und Lynch 1992, S. 17). Aus dieser Perspektive dieser „moralischen Formalisten“ sind alle Organisationsmitglieder, die nach rationalen Abwägungen gegen staatliche Gesetze verstoßen nicht etwa nur „illegalitätstolerante Berechner“, sondern gleich auch „amoralische Kalkulatoren“ (Kagan und Scholz 1984).[16]

2.1. Zum Verhältnis von Moralität und Legalität

Auf den ersten Blick hat diese Verknüpfung von Moralität und Legalität eine gewisse Plausibilität. Wenn Gesetze allzu sehr von allgemein gültigen Moralvorstellungen entfernt wären, dann wäre es schwer, sie durchzusetzen. Die Polizei, Staatsanwaltschaften, und Gerichte wären in einer Art Dauereinsatz, um dem Gesetz gegenüber einer allgemein geteilten Moralvorstellung Geltung zu verschaffen. Der Staat wäre gezwungen, in immer stärkerem Maße auf sein Gewaltmonopol zurückzugreifen, um Gesetze gegen seine Bürger durchzusetzen.[17] Die moralischen Legalisten unter den Rechtsphilosophen vertreten deswegen die Auffassung, dass jede staatliche Rechtssetzung von Moral durchdrungen sein müsse. Jede Rechtsprechung sei, so die Auffassung, deswegen zwangsläufig auch mit einem moralischen Urteil verbunden.[18]

Rechtssetzung und Rechtsprechung schließen dabei nicht nur an allgemeine gesellschaftliche Moralvorstellungen an, sondern – und dieser Punkt wird häufig übersehen – die Gesetze prägen auch die Moralvorstellungen in der Gesellschaft.[19] Man kann dies beispielhaft an der unterschiedlichen Bewertung von Produzenten erlaubter und verbotener Drogen beobachten. Die moralische Verdammung von Heroinherstellern oder Kokainhändlern erscheint vielen Beobachten moralisch geboten, weil diese gesetzlich verboten sind, während die Verdammung von Zigarettenproduzenten oder Alkoholikadealern nicht in gleicher Form moralisch verwerflich erscheint, weil diese Drogen in den meisten Ländern nicht verboten sind. Konsequenterweise genehmigen Politiker den Betreibern von großen Koks-Laboren oder Dealer-Netzwerken in den meisten Fällen keine Stände auf ihren Parteitagen, lassen ihnen keine Lobbyistenausweise für Parlamente ausstellen und veröffentlichen Treffen mit ihnen nicht auf ihrer Website, während die Lobbyvertreter der Zigaretten- und Alkoholkonzerne als gut zahlende Werbepartner für Parteitage begehrt sind, ihnen problemlos Zugang zum Parlament gewährt wird und Treffen mit ihnen in aller Öffentlichkeit stattfinden.[20]

Auf den zweiten Blick gestaltet sich das Verhältnis von Moralität und Legalität deutlich komplexer.[21] Das kann man daran erkennen, dass bereits viele legale Entscheidungen von Kritikern als moralisch verwerflich eingeschätzt werden können. Man sieht dies beispielsweise an der moralisch aufgeladenen Kritik an abhängig machenden Produkten wie Zigaretten, Alkohol oder Schmerzmitteln, an der aggressiven Propagierung von Salz-Fett-Zucker-Mischungen als Lebensmittel oder am Export von Maschinengewehren und Panzerfahrzeugen in Staaten in denen Regimekritiker in Gefängnissen gerne auch mal zu Tode gefoltert werden. Diese Praktiken bewegen sich in den meisten Staaten im Rahmen des gesetzlich erlaubten, was sie aber in keinster Weise vor moralischer Kritik schützt. Im Gegenteil – gerade weil ein Verhalten mit Gesetzes vereinbar angesehen wird, kann es besonders heftige Kritik auf sich ziehen, um dieses auch gesetzlich verbieten zu lassen.[22]

Umgekehrt kann aber auch offensichtlich illegales Verhalten als hochgradig moralisch betrachtet werden (siehe dazu Hasnas 2006, 59f.). Die Ermordung von Staatsoberhäuptern, die Verweigerung militärischer Befehle oder das Eindringen von Schiffen in nationale Hoheitsgewässer werden in den meisten Staaten als Gesetzesbruch geahndet, können aber moralisch vorbildlich markiert werden. Man denke nur an die gesetzlich als Mordversuch zu wertenden Attentate gegen Hitler zur Zeit des Nationalsozialismus in Deutschland, an die strafrechtlich scharf verfolgten Befehlsverweigerungen in Kambodscha während des Pol Pot Regimes oder das erzwungene Absetzen von Flüchtlingen in Italien durch Schiffe von privaten Rettungsmissionen. Gerade das mit dem gesetzlichen Verbot verbundene Risiko für die Einzelnen trägt maßgeblich zu einer positiven moralischen Bewertung bei. Es ist, so könnte man mit Georg Wilhelm Friedrich Hegel sagen, manchmal die moralische Ehre großer Charaktere, sich rechtlich schuldig zu machen.

Sicherlich, es gibt Fälle in denen Staaten eine enge Kopplung von Moralität und Legalität gelingt. Die engste Verknüpfung kann man in Staaten beobachten, die versuchen allgemein verbindliche Rechtsvorstellungen konsequent auf eine moralische Basis zu stellen. Man denke nur an Länder mit starken evangelikalen Bewegungen mit ihren strengen Regulierungsversuchen des Familienrechts, an Staaten unter Kontrolle von Islamisten mit ihren Bestrebungen zur Etablierung einer allgemein verbindlichen Scharia oder nicht zuletzt an sozialistische Staaten mit ihren Vorstellungen einer an die Ideologie des Marxismus-Leninismus angelehnten richtigen Lebensführung. All diesen Staaten ist gemein, dass diese nicht mehr nur versuchen, ihre Rechtsordnungen mit eher allgemeinen Verweisen auf weitgehend konsensfähige Wertekataloge zu legitimieren, sondern mit Verweis auf eine für alle verpflichtende Moral konkrete Verhaltensweisen vorschreiben.[23] Jedoch sind Staaten mit einer solchen engen Kopplung von Moralität und Legalität schnell dem Vorwurf des Totalitarismus ausgesetzt, weil Moral als ein über das Rechtssystem durchgesetztes Staatsprogramm schnell zur Tyrannei wird (siehe dazu Arendt 1958).[24]

Es scheint offensichtliche Vorteile zu haben, dass in der modernen Gesellschaft Moralität und Legalität in der Regel nur lose miteinander gekoppelt sind. Die Rechtssetzung und Rechtsprechung kann moralisch aufgeladene Debatten nicht komplett ignorieren, aber es wirkt konfliktreduzierend, dass sie nicht jede Entscheidung zusätzlich unter moralischen Gesichtspunkten abwägen muss. Der Bruch von staatlichen Gesetzen muss also nicht systematisch auch ein Verstoß gegen gesellschaftliche Moralvorstellungen darstellen und nicht jeder Verstoß gegen gesellschaftliche Moralvorstellungen muss auch gleichzeitig ein Bruch von staatlichen Gesetzen sein.[25]

2.2. Unterschiedliche Eindeutigkeiten von Legalität und Moralität

Ein Grund für die lose Kopplung von Moralität und Legalität besteht in deren unterschiedlichen Spezifizität. Bei allen Grauzonen – ob etwas legal oder illegal ist, ist vergleichsweise klar. Eine rechtliche Normierung von Verhaltenserwartungen funktioniert nur, wenn genau spezifiziert wird, was erwartet und was nicht erwartet werden kann (Luhmann 2008c, S. 127). Sicherlich, eine vollkommene Eindeutigkeit bei der Formulierung von rechtlichen Verhaltenserwartungen lässt sich nicht erreichen. Aber mit Gerichten steht letztlich ein über mehrere Instanzen gehender, aufwendiger Klärungsprozess zur Herstellung von Eindeutigkeit zur Verfügung. Man mag ein Urteil moralisch nicht richtig finden, ist aber trotzdem rechtlich verpflichtet, sich an dieses zu halten.

Im Gegensatz zu dieser prinzipiellen Möglichkeit, die Legalität und Illegalität von Verhalten feststellen zu lassen, sind die Möglichkeiten klare Unterscheidungen zwischen Moralität und Immoralität zu ziehen, deutlich begrenzter (Luhmann 1972, S. 217). Zwar scheint man sich im Allgemeinen schnell darauf einigen zu können, dass Moral für die Gesellschaft wichtig ist, kann sich dann aber trefflich darüber streiten, was jetzt ein unter Gesichtspunkten der Moral richtiges Verhalten ist. Gerade angesichts der Beschwörung von Moral als notwendigem Kitt der Gesellschaft fällt auf, wie unterschiedlich die Vorstellungen sind, was gut und was schlecht ist (Luhmann 1993, S. 78).

Was als moralisch und was als unmoralisch betrachtet wird, ist – jedenfalls in der modernen Gesellschaft – immer vom Standpunkt der jeweiligen Beobachter und des sich herausmendelnden Zeitgeistes abhängig (siehe dazu schon allgemein Cooper 1981). Wenn Staaten – vielleicht als Reaktion auf moralische Kritik – den Verkauf und Konsum bisher legalisierten Drogen, das Anbieten von zu Fettleibigkeit führenden Fertigprodukten oder den Export von Waffen in Folterstaaten verböte, würde das die Differenz zwischen Legalität und Moralität nicht auflösen. Im Gegenteil: Man kann sicher sein, dass sich Beobachter über die Freiheitseinschränkungen durch eine von einer Ökodiktatur träumenden Elite echauffieren werden und mit moralischer Verve ein Ende dieser „Verbotspolitik“ fordern würden.

2.3. Die Verschärfung der Diskrepanz in Organisationen

Die Diskrepanz zwischen Legalität und Moralität verschärft sich in Organisationen noch einmal erheblich. Während staatliche Gesetze in der Regel eher einen groben Rahmen rechtliche verbindlicher Verhaltenserwartungen vorgeben, werden diese in der Form von formalen Verhaltenserwartungen in Organisationen erheblich gesteigert (Luhmann 1972, S. 257).[26] In Organisationen kann formal festgelegt werden, wann man wo zu sein hat, welche Handgriffe man zu tätigen hat und welche Kleidung man dabei zu tragen hat. Es findet über die Formulierung von Mitgliedschaftsbedingungen eine Spezifikation von Verhaltenserwartungen an Personen statt, die diese außerhalb der Organisation als Zumutung empfinden würden.

Diese bis ins Detail gehende Durchformalisierung von Organisationen gerät noch stärker als die im Vergleich dazu eher generell gehaltene staatliche Gesetzgebung in einen Kontrast zur durch subjektive Färbung gekennzeichneten Moralvorstellungen in Organisationen. Sicherlich – man könnte einwenden, dass die moralischen Richtlinien in Organisationen häufig nur abstrakte Leitfäden sind, aus denen sich keine konkreten Handlungsanweisungen ableiten ließen. Die moralischen Richtlinien, so das Argument, würden lediglich abstrakte Vorgaben wie Respekt vor Anforderungen der Organisation, Kollegialität in der Zusammenarbeit oder Wertschätzung gegenüber Kunden, Klienten oder Patienten, aber keine konkreten Verhaltenserwartungen formulieren.

Damit übersehen die Verfechter einer Moralisierung der Organisation allerdings den zentralen Effekt der von ihnen verlangten moralischen Integrität. In einer durch Moralkampagnen erfassten Organisation kann letztlich jede Verhaltensweise unter moralischen Gesichtspunkten betrachtet werde. Das verspätete Erscheinen am vorgeschriebenen Ort kann als Respektlosigkeit, die Verweigerung eines formal vorgeschriebenen Handgriffs als mangelnde Kollegialität und Unachtsamkeiten bei der Kleidung als mangelnde Wertschätzung gegenüber dem Kunden, Klienten oder Patienten verurteilt werden. Es gibt im Prinzip für Organisationsmitglieder keine Sicherheit mehr, dass ihr Verhalten nicht von irgendjemanden unter moralischen Gesichtspunkten betrachtet wird.[27]

3.    Moral als Ausdruck der Achtung und Missachtung von Personen

Das Bekenntnis zu in moralischer Kommunikation verwendeten Werten hat auf den ersten Blick eine gewisse Plausibilität. Es wäre auch überraschend, wenn die Geschäftsführer eines Unternehmens offen für eine „korrupte Unternehmenspolitik“ einträten, eine „unmoralische Haltung“ ihrer Mitarbeiter einforderten und eine von „Werten befreite Führung“ propagieren würden. Der Reiz von Werten ist, dass sie „hohe Konsenschancen“ haben, weil man sich abstrakt und schnell darauf einigen kann, dass Menschenrechte, Umweltschutz und Gerechtigkeit, Frieden und Freiheit anzustreben sind (Luhmann 1972, 88f.).[28]

Man kann in offiziellen Verlautbarungen oder öffentlichen Konferenzen erkennen, wie durch die Aneinanderreihung von Werten dieses Konsensbedürfnis bedient wird. Managementberater können ohne Widerspruch in Organisationen fordern, dass „vorbildliches Führungsverhalten“ gezeigt, „Gemeinschaft gestaltet“ und „konstruktives Führungsverhalten“ an den Tag gelegt werden sollen. Spitzen von Organisationen können sich in ihren Reden ohne Widerspruch dazu bekennen, dass „destruktives Führungsverhalten abgebaut“, „selbstkritische Auseinandersetzungen mit dem eigenen Führungsverhalten stattfinden“ sowie „ineffektive und ineffiziente Maßnahmen gestoppt werden“ müssen. Auch Organisationsmitglieder können sich ohne Risiko in öffentlichen Veranstaltungen dazu bekennen, dass „Zutrauen demonstriert“, „Freude an Verantwortung gezeigt“ und „Eigeninitiative gestärkt“ werden muss.[29] Kurz: „Man geht davon aus, dass in Bezug auf Wertschätzungen Konsens besteht“ (Luhmann 2008b, S. 241).

Durch die Verwendung abstrakter Wertformulierungen wird letztlich ein harmonistisches Bild der Organisation gezeichnet, bei dem davon ausgegangen wird, dass die Normen, an denen sich Organisationen orientieren, problemlos mit den herrschenden Normen in der Gesellschaft kombinierbar sind.[30] Abstrakt können sich alle darauf einigen, dass es zu einem bürgerschaftlichen Verhalten von Organisationen gehört, allgemeine gesellschaftliche Werte wie den Erhalt der Natur, menschenwürdige Arbeitsbedingungen, die Gleichstellung der Geschlechter oder den Erhalt individueller Freiheit zu einigen.[31]

Aber gerade weil man sich in ihrer Abstraktheit so schnell auf sie einigen kann, geben Werte nur sehr unbestimmte Anhaltspunkte für Entscheidungen. Sie lassen weitgehend unklar, welche Entscheidung einer anderen vorgezogen werden muss (Luhmann 1972, 88f.; Luhmann 1997, S. 343; siehe auch Groddeck 2011, S. 73). Wie soll man darauf reagieren, wenn die Freiheit, sich mit einem Auto beliebig fortzubewegen, den vorzeitigen Tod von Tausenden Anwohnern von Schnellstraßen durch Stichoxide und Feinstaubbelastung zur Folge hat? Soll man im Konfliktfall für die Durchsetzung von Menschenrechten einen Krieg unterstützen und den Export von Rüstungsgütern in ein Krisengebiet dulden? Die Orientierung an Werten führt – anders als die Orientierung an Programmen – bei konkreten Entscheidungen zu einer Vielzahl von sehr praktischen Widersprüchen.

Welche Effekte hat es jetzt, wenn diese allgemein akzeptierten und wohlklingenden Werte mit moralischen Ansprüchen aufgeladen werden?

3.1. Die Konkretionssuggestion von Moral

Wenn man moralisch argumentiert, nutzt man die allgemeine Akzeptanz von Werten, suggeriert dabei jedoch, dass sich aus den proklamierten Werten sehr spezifische Handlungen ergeben.[32] Die Kritiker des auf Automobilen basierenden Individualverkehrs bedienen mit ihrer Forderung nach verstärkten Umweltschutzbemühungen einen auch unter Autofahrern weitgehend konsensfähigen Wert, moralisieren aber das Thema, wenn sie aus diesem die Notwendigkeit eines individuellen Verzichts auf die Nutzung von Automobilen ableiten. Durch das Einfließen der Proklamation allgemeiner Werte in die Einforderung einer spezifischen Moral wird von den moralischen Vorkämpfern eine Konkretion der Werte suggeriert, die in der Wahrnehmung vieler nicht gegeben ist. Der Effekt dieser Konkretionssuggestion ist, dass die Moralisierung zu heftigen Auseinandersetzungen führen kann, obwohl sich in Bezug auf die Werte, aus denen die moralische Handlungsmaximen abgeleitet werden, (fast) alle einig sind.

Durch die Proklamation von Moralvorstellungen wird Achtung oder Missachtung gegenüber Personen zum Ausdruck gebracht (siehe allgemein zur Achtungskommunikation Luhmann 1984, S. 319; Luhmann 1990, S. 18; Luhmann 1997, S. 397; Luhmann 2008c, 102ff.). Man kann sich durch die Einnahme einer moralischen Position selbst als „achtungswürdig“ präsentieren oder man kann prüfen, ob sich jemand durch seine Reaktion „Achtung verdient“. Man kann andere durch Moralisierung im „Netz der Achtungsbedingungen fangen, um sie dann darin abzuschleppen“ oder sie darin gefangen in einem Meer aus moralischen Anforderungen treiben zu lassen (so Luhmann 1984, 215f.).

Durch Achtung honoriert man andere dafür, dass sie sich so verhalten, wie man es für richtig hält. Wertschätzung ist dabei die Währung, die man denjenigen zukommen lässt, die in Wort und Tat den eigenen moralischen Vorstellungen nahe kommen (Luhmann 1984, S. 318). Anerkennung verdienen Personen, die in ihrem Denken, Fühlen und Handeln konsistent sind und die proklamierten Werte – auch gegen Widerstände – mit ihrem konkreten Handeln in Einklang bringen (Palanski und Yammarino 2007).

Bei moralisch vorgebrachten Anforderungen an andere Personen verbergen sich mögliche persönliche Interessen hinter der Berufung auf ein allgemeines Wohl (Luhmann 1997, 1038f.). Man präsentiert sich dabei als Vertreter des „großen Ganzen“, der „bisher Missachteten“ oder „zukünftigen Generationen“ (siehe dazu Luhmann 1991, S. 5). Nur durch diese – stets kommunikative – Abstrahierung von eigenen Interessen des moralisch Argumentierenden, erhalten moralische Appelle überhaupt erst ihre Wucht im Anspruch an andere. Den moralisch vorgetragenen Anforderungen kann man sich kommunikativ nur schwer entziehen, ohne dass einem egoistische Motive unterstellt werden können (Besio 2013, S. 316).

3.2. Moralisierung als Personalisierung

Durch die Forderung nach einem an breit geteilten Moralvorstellungen ausgerichtetem Integritätsmanagement wird das Thema von Regelverletzungen in Organisationen in einem bisher nicht bekannten Maße personalisiert. Wenn es zu einem Verstoß gegen Gesetze kommt, dann wird dies auf das „fehlende Wertegerüst“, das „mangelnde Rückgrat“ oder die „moralische Rückständigkeit“ der als Regelbrecher identifizierten Personen zurückgeführt.

Sicherlich – es wird zugestanden, dass Personen in Organisationen immer in Rollen als Organisationsmitglieder handeln. Aber letztlich wird erwartet, dass diese an sie in der Rolle herangetragenen, als unmoralisch markierten Anforderungen widerstehen. Kalkulierte Gesetzesverstöße oder kreative Regelabweichungen werden dann nicht mit der Notwendigkeit flexiblen Handelns im Rahmen informaler Rollenerwartungen interpretiert, sondern als zu verachtende Charakterschwäche der ganzen Person betrachtet.

Weitergehend – durch die Moralisierung wird impliziert, dass von dem Verhalten in der Rolle als Organisationsmitglied auf die persönliche Integrität insgesamt geschlossen werden. Wer in seiner Rolle als Organisationsmitglied gegen Gesetze verstößt, wird es, so die Implikation, auch in anderen Rollen mit der Regeltreue nicht ernst nehmen. Wer in seiner Rolle als Organisationsmitglied andere Menschen quält, kann das nicht dadurch wieder-gut-machen, dass er oder sie außerhalb der Organisation eine fürsorgliche Familienmutter oder ein liebevoller Familienvater ist.[33] Moralisch verwerfliches Verhalten „kontaminiert“ Personen nicht nur in ihrer Rolle als Organisationsmitglied, sondern als Person zur Gänze (Fuchs 2010, S. 18).

Wie wirkt sich jetzt eine Moralisierung konkret in Organisationen aus?

4.      Moralisch aufgeladene Kulturprogramme als Aufforderung zur Heuchelei

Dass Werte keine konkreten Anhaltspunkte für Entscheidungen bieten, ist für Organisationen an sich keine Schwierigkeit. Wenn man den Idealismus des Organisationsneulings abgelegt hat, lernt man sehr schnell zu akzeptieren, dass die an hehren Werten orientierte Außendarstellung der Organisation nur sehr lose mit der faktischen Entscheidungsebene verbunden ist. Angesichts des Populären Wertes der „Authentizität“ mag es plausibel klingen, wenn das Spitzenpersonal fordert, dass Organisationsmitglieder sagen müssen, was sie denken und tun müssen, was sie sagen, aber gleichzeitig ist allen klar, dass das Verhältnis zwischen dem was gedacht, was gesagt und was gemacht wird in Organisationen eher lose gekoppelt ist (vgl. Brunsson 1989).

Problematisch wird es immer dann, wenn eine Organisation zum Beispiel nach einem Skandal aufgrund von Gesetzesverstößen oder Regelbrüchen den moralischen Druck auf ihre Mitglieder erhöht. Denn die Forderung nach einer Orientierung der Organisationsmitglieder an dem Wert der Integrität führt nicht dazu, dass sich diese auch moralischer verhalten. Moral funktioniert nicht wie eine Trivialmaschine, bei der man auf der einen Seite die Forderung nach moralgeleiteten Einstellungen hineinsteckt und dann auf der anderen Seite moralisches Handeln herausbekommt.

So haben verschiedene empirischen Forschungen erheblichen Zweifel aufkommen lassen, ob Ethikrichtlinien, Moralcodices oder Leitbilder zu grundlegenden Verhaltensänderungen in Organisationen führen.[34] Kaum ein Organisationsmitglied ist in der Lage eine Situation zu benennen in der sie durch Bezug auf Ethikrichtlinien ein anderes Verhalten erreichen konnten (Schwartz 2001, S. 247). Organisationsmitglieder berichten, dass ihnen diese wenig dabei helfen, Anforderungen zu regelabweichendem Verhalten abzuwehren (Badaracco und Webb 1995, S. 10). Organisationsmitglieder entscheiden immer wieder nach ethischen Gesichtspunkten, aber diese werden nicht durch Ethikrichtlinien der Organisation beeinflusst, sondern widersprechen diesen sogar teilweise (Cleek und Leonard 1998, 628f.).[35]

Der Effekt von Integritätskampagnen ist vorrangig, dass Mitarbeiter ihr Handeln auf Workshops oder Konferenzen anders darstellen. Sie realisieren schnell, dass sie angesichts der von der Organisationsspitze betriebenen Aufladung mit Werten ihr Handeln nicht mehr nur als regelkonform, effizient und innovativ, sondern zusätzlich auch als moralisch vorbildlich präsentieren müssen. Alle wissen, dass es die „unmoralische Welt“ in der Organisation gibt, sehen sich durch Integritätskampagnen aber dazu gezwungen, organisationsöffentlich so zu tun, als würden sie in einer „moralischen Welt“ leben (siehe Weltz 2011, S. 67–81).[36] Kampagnen zur Integrität produzieren genau das, was sie eigentlich verhindern wollen: Heuchelei.[37]

4.1. Heuchelei statt Konflikt – Effekte moralischer Kommunikation in Organisationen

Dass Moralkampagnen zu Heuchelei führen, mag auf den ersten Blick überraschen. Schließlich wissen wir aus der empirischen Forschung, dass das Ergebnis von moralisch aufgeladener Kommunikation zu-aller-erst Konflikte sind (siehe dazu Luhmann 1997, S. 404). Durch Moral aufgeladene  Auseinandersetzungen führen zu einem „Überengagement der Beteiligten“, das nicht selten zu kaum noch einzugrenzenden Konflikten führt (Luhmann 1990, S. 26). „Wenn man sich“, so Niklas Luhmann (2008d, S. 349), „moralisch auf der richtigen Seite sieht, besteht wenig Grund, sich noch um eine Verständigung zu bemühen. Dann kann es nur darum gehen, der guten Sache zum Sieg zu verhelfen, und sei es mit immer stärkeren Mitteln.“[38]

Wegen dieser mit Moral verbundenen Konflikthaftigkeit galt früher bei vielen Familienfeiern die Regel, dass religiöse oder politische Themen nicht angesprochen werden sollten. Durch die „pseudoethische Rechthaberei“ in solchen Konflikten, lässt man sich selbst als moralisch „gut“ und die anderen als moralisch „schlecht“ erscheinen – eine Beschreibung, die die anderen häufig nicht bereitwillig akzeptieren. Die Gefahr war deswegen groß, dass durch die dadurch zum Ausdruck gebrachte persönliche Achtung oder Missachtung nicht mehr einzuhegende Konflikte entständen  (siehe zur Moralisierung in Familien Tyrell 2008, S. 330). Denn eine „offene Moralisierung“ ist immer auch ein mehr oder minder gewagtes „Konfliktangebot“ (Luhmann 2008c, S. 112).

Es scheint einige wenige Organisationen zu geben, in denen Themen mit Fragen der Achtung und Missachtung aufgeladen werden und sich daraus heftige Konflikte ergeben – man denke beispielsweise an selbstverwaltete Betriebe, religiöse Basisorganisationen oder politische Parteien.[39] In diesen Organisationen werden wegen der hohen Identifikation mit den Zwecken der Organisation  wirtschaftliche, religiöse oder politische Themen im Hinblick auf die Lebensführung ihrer Mitglieder betrachtet. Die sich daraus ergebenen moralischen Konflikte sind teilweise so heftig, dass es immer wieder zu Abspaltungen aus der Organisation kommt. Sachkonflikte, die man in jeder Organisation findet, werden durch Moralisierung zu Identitätskonflikten, in denen es für die Mitglieder „um alles“ geht. Aufgrund der weitgehenden formalen Gleichberechtigung ihrer Mitglieder gibt es keinen effizienten Mechanismus, mit dem man mit Fragen von Achtung und Missachtung aufgeladene Konflikteskalationen stoppen kann.[40]

In den meisten Organisationen kommt es jedoch wegen ihrer hierarchischen Grundstruktur bei Moralisierungen gerade nicht zum Streit, sondern zur Heuchelei. Der Grund dafür liegt in der erheblichen formalen Machtasymmetrie in diesen Organisationen. Wenn die über formale Hierarchie definierte Spitze der Organisation die Devise ausgibt, dass sich alle Mitglieder zukünftig an den aktuell in der Gesellschaft populären Werte zu orientieren haben, dann ist es in den meisten Organisationen für deren Mitglieder nicht ratsam, diese Werte dafür zu nutzen, hierarchisch höher gestellten Mitgliedern gegenüber ihre persönliche Missachtung wegen Verletzung moralischer Standards zum Ausdruck zu bringen (siehe dazu auch Jackall 1988, S. 6). Die moralisch aufgeladene Kommentierung des Verhaltens in der Organisation findet eher auf der Hinterbühne der Organisationsmitglieder statt, bei gleichzeitiger Bedienung der offiziell verkündeten Werte auf der Vorderbühne.

Die über Programme zur wertzentrierten Organisationsführung und zu integritätsorientiertem Management eingeforderte Heuchelei ist für Organisationen funktional. Keine Organisation, das wissen wir aus der Organisationsforschung, kann auf ein gewisses Maß an Scheinheiligkeit verzichten (Brunsson 1989, 194ff.; siehe auch Brunsson 1986; Brunsson 1993). Jedes Unternehmen, jede Verwaltung, jedes Krankenhaus, jede Partei und jede Nichtregierungsorganisation ist darauf angewiesen, ihrer Umwelt immer auch eine geschönte Darstellung ihrer selbst zu präsentieren (siehe dazu Kühl 2011, 136ff.). Heuchelei ist lediglich der in der Organisationswissenschaft etablierte, für Praktiker aber vielleicht zuerst unfreundlich klingende Begriffe für ein solches Aufhübschen der Schauseite.

Heuchelei ist dabei eine langfristige Investition in die in Organisationen gepflegte Moralität (March 1978, S. 604).[41] Man ist sich bewusst, dass es eine Organisation ruinieren würde, wenn diese konsequent nach den proklamierten moralischen Standards geführt werden würde. Durch diese Heuchelei wird der moralische Standard als Teil der Schauseite der Organisation aufrechterhalten, gleichzeitig innerhalb der Organisation jedoch ein hohes Maß von Abweichung von eben diesen Standards geduldet. Durch Heuchelei wird also die proklamierte Moral gestützt, weil bei allen Abweichungen Organisationsmitglieder gezwungen werden, sich zu diesen zu bekennen.[42]

Aber es gibt gute Gründe, dieses für die Herstellung von Legitimation notwendige Aufhübschen der Organisation Spezialisten zu überlassen. Es ist zentraler Bestandteil der Jobbeschreibungen von Geschäftsführern, Marketingexperten und Pressesprechern, eine überzeugende Fassade der Organisation aufzubauen, zu pflegen und notfalls auch zu reparieren. Verlangt eine Organisationsspitze jedoch von allen Mitarbeitern lautstarke Bekenntnisse zu moralischer Integrität, blockiert dies die notwendigen Auseinandersetzungen innerhalb der Organisation. Integrität wird zu einer abstrakten Formel, zu der man sich – will man Karriere in der Organisation machen – bekennen muss.

4.2. Die Ausbildung von Zensurmechanismen

Das Ergebnis der Moralisierung sind in Organisationen Zensureffekte.[43] Zur Eröffnung von Veranstaltungen zu integrem Verhalten oder zu Fehlerkulturen, verkündet die Organisationsspitze gerne, dass „alles auf den Tisch“ kommen kann. Es wird erklärt, dass für alle Mitarbeiter, die einen Regelverstoß oder Gesetzesbruch in der Organisation beobachten, ihre „Türen jederzeit offenständen“. Es wird von oben das Motto ausgegeben, dass jetzt „alles offen besprochen werden könne“.  Aber Organisationsmitglieder wären naiv, wenn sie dieser Aufforderung der Spitze nach Offenheit Folge leisten würden. Allen ist bewusst, dass es auf  Veranstaltungen zur Moralität in Organisationen, zu integrem Verhalten und zu Fehlerkulturen immer eine offizielle und eine inoffizielle Agenda gibt. Offiziell wird signalisiert, dass Tacheles geredet werden kann und Gründe für Regelverstöße offen angesprochen werden können. Inoffiziell herrschen jedoch sehr genaue Normen darüber, was gesagt und was nicht gesagt werden darf und Mitarbeiter, die diese nicht kennen, würden in einem hohen Maße Irritationen auslösen.

Auf Workshops zum Qualitätsmanagement in Unternehmen wissen alle, dass eine Erfolgsmeldung nach der anderen an die Führung gemeldet werden muss und dass diejenigen, die auch strafrechtlich relevanten „Tricksereien“ bei der Vergabe von Aufträgen oder die illegale Nutzung von Räumen offen ansprechen, nicht nur Druck von ihren Kollegen, sondern besonders auch von der Führung bekommen würden. Auf Veranstaltungen von Armeen zum Thema „Fehlerkultur“ ist allen klar, dass dort der obersten Heeresleitung Formalitätsfassaden vorgeführt werden und über eine Standortkommandantin, die offen auf grundlegende Probleme hinweist, in der Kaffeepause gewitzelt werden wird, dass sie wohl bereits vom militärischen Geheimdienst abgeholt worden sei (siehe ausführliche Empirie dazu bei Kühl 2007).

Auf Veranstaltungen zu Integrität und Moral stellen sich in den meisten Fällen drei Effekte ein. Ein erster Effekt ist die Flucht zurück in allgemeine Werteformulierungen. In jeder Organisation kursieren eine Menge von Werteformeln, zu denen man sich ohne jegliche Probleme bekennen kann – Kollegialität, Integrität, Kreativität, Vertrauen oder Offenheit. Wenn man in Workshops zur Fehlerkultur, Veranstaltungen zu moralischem Management oder integren Organisationen nicht völlig verstummen will, besteht immer die Möglichkeit, die allgemein gepflegten Werte der Organisation zu feiern. Beobachter können leicht den Eindruck bekommen, an einer gottesdienstähnlichen Veranstaltung teilzunehmen, in denen ein Teilnehmer nach dem anderen ein öffentliches Bekenntnis für den gerade aktuellen Wertekatalog der Organisation ablegt.

Ein zweiter Effekt ist die Zelebrierung von Regelkonformität. Es wird in monotonen Wiederholungen so getan, als könne die Organisation nach an hehren moralischen Werten orientierten formalen Prinzipien funktionieren. Wenn überhaupt über Abweichungen von Regeln gesprochen wird, dann nur unter dem Gesichtspunkt, dass diese Abweichungen zukünftig verhindert werden müssen. Alle Teilnehmer sind sich bewusst, dass es in der Organisation notwendig ist, unauffällig Dienstwege zu umgehen, Programme der Organisation zu missachten oder Ziele ohne Rücksprache mit der Hierarchie zu modifizieren – aber in den Veranstaltungen wird so getan, als seien diese alltäglichen Formen des Regelbruchs für die Organisationen letztlich nicht nötig (siehe dazu Kette 2018).

Ein dritter Effekt ist die Flucht in unverfängliche Themen. Wenn in den Veranstaltungen Druck aufgebaut wird, jetzt mal die „Hosen herunterzulassen“, werden unverfängliche Themen herangezogen. Dann werden unter dem Thema Fehlerkultur nicht die Tricks zur Manipulation von Ausschreibungen, die Nutzung verbotener Werkzeuge oder die regelmäßige Überschreitung von Arbeitszeiten erwähnt, sondern unverfängliche Themen wie möglicherweise ausstehende Impfungen, die unzureichende Reinigung von Sozialräumen oder kaputte Desinfektionsanlagen in den Duschen angesprochen. Man kennt diesen Trick des Ablenkens aus den Vorlagen für Wirtschaftsprüfungsgesellschaften oder Finanzämter. Man erlaubt den Blick auf kleine Ungereimtheiten, um von den größeren Unregelmäßigkeiten abzulenken (siehe dazu Kühl 2007).

Dieses Verschweigen kritischer Themen in Interaktionen bezeichnet man in der Wissenschaft als „Kommunikationslatenz“. Es handelt sich systemtheoretisch ausgedrückt um das „Fehlen bestimmter Themen zur Ermöglichung und Steuerung von Kommunikation“ (Luhmann 1984, S. 457). Fast alle wissen über sensible Themen Bescheid, gleichzeitig ist dieser Umstand aber nicht oder nur unter großen Schwierigkeiten ansprechbar. Es ist ein „offene Geheimnis“, dass problematische Themen nicht angesprochen werden dürfen. Gerade in Veranstaltungen zu Moral und Integrität  hat man häufig den Eindruck, es mit einer ziemlich lauten „Verschwörung des Verschweigens“ zu tun zu haben (Luhmann 1964, S. 281).[44]

Für die Ausbildung dieser geschwätzigen Schweigezirkel in moralisch aufgeladenen Organisationen gibt es sicherlich gute Gründe. Die informalen Zensurmechanismen dienen dem „Strukturschutz“ der Organisation (vgl. Luhmann 1984, S. 459), weil die formalen Interaktionen mit zu vielen kritischen Informationen überlastet würden. In formalen Interaktionsformaten – in Fortbildungsveranstaltungen, Workshops oder Konferenzen – sind sie, so die plausible Annahme, kaum thematisierbar.[45]

5.    Die Akzeptanz der Funktionalität von Regelabweichungen

Auf formale Versuche, in Organisationen eine „offene Kommunikation“ unter dem Label „moralische Integrität“ einzuführen, gibt es nicht selten moralisch aufgeladene informale Gegenreaktionen. Während es durch formal aufgesetzte Kulturprogramme Kollegen zugestanden wird, in Workshops und auf Konferenzen zur Fehlerkultur Bekenntnisse zur offiziellen Moral abzulegen, wird ein solches Verhalten außerhalb dieses Rahmens nicht selten moralisch verurteilt. Die Rede ist dann von „Speichelleckern“, „Arschkriechern“ oder „Radfahrern“, die durch besonders laute Moralbekenntnisse nach oben buckeln, während sie im Gegensatz zu den proklamierten Moralprinzipien heftig nach unten und gelegentlich auch zur Seite treten.[46]

Die einzige Möglichkeit Regelabweichungen in Organisationen auch im formalen Rahmen zu thematisieren besteht in einer konsequenten Entmoralisierung.[47] Statt über die Proklamation von moralischen Richtlinien die alltäglichen Regelabweichungen mit Fragen von persönlicher Achtung und Missachtung zu verbinden, werden durch Entmoralisierung – und der damit verbundenen Entpersonalisierung – die Gründe für Regelabweichungen systematischer auf informale Verhaltenserwartungen in Organisationen zurückgeführt werden.

Erst durch diese Entpersonalisierung der Regelabweichung besteht überhaupt die Möglichkeit, zumindest einzelne kommunikative Nischen zu schaffen, in denen über die spezifischen Regelabweichungen gesprochen werden kann. Für Mitarbeiter entstehen so kommunikative Schutzräume, in denen die Funktionalitäten und Dysfunktionalitäten von Regelabweichungen besprochen werden können, ohne das über eine von oben moralisch aufgeladene Kommunikation Verstöße sofort mit persönlichen Verfehlungen der Mitarbeiter in Verbindung gebracht werden.

Diese Entmoralisierung wird jedoch dadurch erschwert, dass der Druck zur Ausbildung von Moralkommunikationen in Organisationen stark zugenommen hat. Die Spitzen von Organisationen können nicht nur straf- und zivilrechtlich belangt werden, wenn sie ihre formale Aufsichtspflicht verletzt haben, sondern auch wenn sie die Entwicklung einer Organisationskultur der Regelabweichung zugelassen haben. Die Spitzen von Organisationen  seien, so die immer lauter werdenden Stimmen, schließlich nicht nur für Lücken in der formalen Struktur, sondern auch für toxische Effekte in informalen Strukturen verantwortlich (siehe frühe Überlegungen unter anderem bei Bucy 1991).

Der Versuch über Ethikrichtlinien und Integritätskampagnen auf diese Organisationskultur einzuwirken, ist  nicht nur wirkungslos, sondern aufgrund der damit verbundenen Zensureffekte in nicht wenigen Fällen sogar kontraproduktiv. Sie können aber für die Spitze der Organisation als Rechtfertigung dienen, dass man alles unternommen habe, um einer Organisationskultur entgegen-zu-wirken, durch die Mitarbeiter zu Gesetzesverstößen ermutigt werden.

Aufgrund des Legitimationsdrucks können Organisationen nur begrenzt selbst regulieren, wie stark sie moralisch nach innen wirken wollen. Organisationen, die beispielsweise wegen einer Skandalisierung von Gesetzesverstößen oder Regelbrüchen unter besonderem Legitimationsdruck stehen, haben kaum andere Möglichkeiten als durch Ethikrichtlinien und Integritätskampagnen ihren „guten moralischen Willen“ zu demonstrieren. Aber dies sind dann auch die Organisationen, die aufgrund der mit der Moralisierung verbundenen Zensureffekte am wenigsten wesentliche Gesetzesverstöße und Regelbrüche thematisiert bekommen.

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[1] Bei diesem Artikel handelt es sich um erste Überlegungen zu einem Kapitel in einem geplanten Buch von mir über brauchbare und unbrauchbare Illegalität in Organisationen.

[2] So galt Volkswagen laut des Dow Jones Sustainability World Index nicht zuletzt wegen einer eigenen Geschäftsstelle für Nachhaltigkeit, einem Konzernsteuerkreis zur Nachhaltigkeit und der Einrichtung eines Nachhaltigkeits-Boards als nachhaltigstes Unternehmen der Automobilbranche. Die Beispiele für das „moralische Scheitern“ von Organisationen mit vorbildlichen Systemen zur Regeleinhaltung könnten beliebig ergänzt werden. Bis beispielsweise bekannt wurde, dass das Management des Energieunternehmens Enron Finanzmanipulationen auch zur persönlichen Bereicherung nutzte, galt dessen System zur Verhinderung persönlicher Bereicherungen bei solchen Finanztransaktionen als vorbildlich, siehe Anonymus (2003, 2129f.).

[3] Die Wirkung von Compliance Programmen ist – auch aufgrund von methodischen Problemen – vergleichsweise wenig untersucht worden. Siehe aber Treviño et al. (1999) mit einer eher skeptischen Haltung. Dass die Befragung von Unternehmensspitzen und weitergehend von Verantwortlichen von Compliance-Abteilungen eine positive Korrelation von Compliance-Maßnahmen und Verhinderung von Gesetzesbrüchen ergibt, ist wenig überraschend (siehe z.B. Parker und Nielsen (2009).

[4] Zum Zusammenhang von Integrität und Moral, siehe Becker (1998, S. 158–160).

[5] Aufschlussreich zu diesem Aspekt Matys (2011, S. 205–206). Zur kaum noch zu übersehenen und in der Regel theoretisch wenig innovativen Literatur zur Corporate Social Responsibility, siehe nur beispielsweise Carroll (1999); Fukukawa et al. (2007); Mcwilliams und Siegel (2001). Einen Überblick bieten beispielsweise Idowu et al. (2013).

[6] Der Begriff „persona moralis composita“ stammt von Samuel Pufendorf (1998); siehe dazu Aichele (2008, 8f.) Eine ähnliche Position vertritt Peter French (1984), der „conglomerate collectivities“ wie Unternehmen aber nicht „aggregate collectivities“ wie Mobs oder Massen den Status einer moralischen Person zuweist. Einen guten Überblick über verschiedene Positionen zur Moralfähigkeit von Organisationen bietet Maring (1989, 2003 und umfassend 2001).

[7] Siehe zur Verbreitung dieser Richtlinien besonders in Unternehmen Ziegleder (2007)

[8] Howard S. Becker entwickelte das Konzept des „moral entrepreneurs“ zur Analyse der Etikettierung abweichenden Verhaltens in der Gesellschaft. Eine Spezifikation des Konzepts auf die Setzung und Durchsetzung von Moralvorstellungen in Organisationen steht aber noch aus. Die Literatur bezieht sich vorrangig auf Organisationen, die als „moral entrepreneurs“ auf politische Prozesse einwirken.

[9] Siehe als gut gemachte Beispiele Duska (2007) oder Abend (2014). Einen Überblick über die relevanten Texte im Feld bietet Calabretta et al. (2011). Das auch Wissenschaftler bei dieser Moralisierung der Organisation mitmachen ist gerade in den USA früh kritisiert worden. Siehe nur zum Beispiel die Kritik von Shapiro (1983, S. 307). Siehe zur Ethik als Reflexionstheorie der Moral Luhmann (1984, S. 319); allgemein auch Luhmann (2008a).

[10] Hier lässt sich nachvollziehen, was sich in der Moderne allgemein als Arbeitsteilung zwischen Ethik und Moral ausgebildet hat. Seit dem Ende des 18. Jahrhundert etablierte sich die Ethik als wissenschaftliche Disziplin, die sich mit der „Begründung moralischer Urteile befasste und sich zugleich praktisch für ein begründbares Verhalten einsetzte“ (Luhmann (2008e, 196f.).

[11] Wolfgang Krohn (1999, S. 319) identifiziert neben den auf funktionssystemische Konfliktbereiche bezogenen Ethiken noch Ethiken die auf technik-induzierte Konfliktbereiche (Reproduktionsethik, Informationsethik), auf ökologische Problemwahrnehmung (Tierethik, Umweltethik), auf solidaritätsbezogene Themen (Fürsorgeethik) und auf Verfahren der Konfliktaustragung (Gerechtigkeitsethik, kommunitaristische Ethik) bezogen sind.

[12] Siehe ausführlich Palanski und Yammarino (2007), die Moralität über fünf Merkmale bestimmen – den ganzheitlichen Anspruch an das Denken, Fühlen und Handeln eines Menschen, die Authentizität als Person, die Moralität in Form der Ausrichtung nicht nur auf eigenen Nutzen, sondern auch auf den Anderer, die Entsprechung von Worten und Taten und die Standhaftigkeit im Angesicht von Widerständen. Dass auch Organisationswissenschaftler Moral richtig gut finden können und deswegen intensiv nach der Moral der Organisation suchen, sieht man zum Beispiel bei Geser (1989, 211ff.); Clegg et al. (2007, 107ff.) oder Ortmann (2010, S. 11). Zur Schwierigkeit einer Soziologie der Moral, siehe Nassehi et al. (2015, 1f.).

[13] Niklas Luhmann (2008e, S. 196) spricht von „Appellitis“ als einer „Krankheit“, die im „Prinzip harmlos, keinesfalls lebensgefährlich; aber für den, der davon befallen ist, zeitweise doch recht schmerzhaft“ sei. Man erkenne das „an eigentümlichen Zuckungen und an der Heftigkeit und Insistenz, mit denen der Kranke agiert und andere anzustecken versucht.“

[14] Siehe nur beispielhaft für eine Begeisterung für diese Organisationskulturprogramme Bussmann (2011, S. 67–69) oder Glock (2018, 233f.) Einflussreich in der Diskussion besonders Jones et al. (2007) und Maon et al. (2010). Es handelt sich dabei um eine spezifische Variante von Kulturprogrammen, die in regelmäßigen Abständen über die Organisation ausgerollt werden, siehe dazu Kühl (2018).

[15] Dies findet sich auch in der wissenschaftlichen Literatur, in der unter moralisch verwerflichem Verhalten sowohl Verstöße gegen Gesetzes- als auch gegen Gerechtigkeitsnormen zusammengefasst werden, siehe zum Beispiel Jones (1991); Donaldson und Dunfee (1994); Umphress und Bingham (2011); Hirsch et al. (2018).

[16] Die Vermischung ist in der Literatur mehr oder minder explizit. Siehe nur als Beispiel das Ergebnis eines Workshops zu Definitionsproblemen bezüglich des Begriffs der White-Collar-Kriminalität: „Illegal or unethical acts that violate fiduciary responsibility or public trust, committed by an individual or organization, usually during the course of legitimate occupational activity, by persons of high or respectable status for personal or organizational gain“ (in Helmkamp et al. (1996, S. 351)). Derlei Vermischungen finden sich auch in Formulierungen, dass nur Organisationen, in denen nicht gegen Gesetze verstoßen werden, als „konsequent ethische Organisationen“ bezeichnet werden (Greve et al. (2010, S. 54)).

[17] Oder die Gesetze wären lediglich eine Rechtsfassade, an die sich niemand gebunden fühlt, weil die gesellschaftlich geteilten Moralvorstellungen sich grundlegend von den Gesetzen des staatlichen Rechts unterscheiden. Solche Prozesse kann man sehr gut in den Ländern beobachten, in denen – häufig auf internationalen Druck – ein Gesetzeswerk eingeführt wurde, das den traditionellen Moralvorstellungen in der Gesellschaft widersprach. Virulent werden diese Differenzen dann besonders an Fragen der Gleichstellung der Geschlechter oder der sexuellen Orientierung.

[18] Den Begriff der „moralischen Legalisten“ halte ich für passender als der üblicherweise verwendete der „legalistischen Moralisten“. Siehe zum „legal moralism“ in der Rechtstheorie besonders die Kontroverse zwischen Hart (1968) und Devlin (2009); ein guter Überblick findet sich bei Kahan (1997). Legalistische Moralisten gehen davon aus, dass Bestrafungen von Regelverstößen dann gerechtfertigt sind, wenn durch die Regelabweichung gegen zentrale in der allgemeinen Moral begründeten Regeln verstoßen wird (siehe dazu auch Green (2006, 21f.)).

[19] Siehe dazu auch Walker (1980).

[20] Die Opiumkrise in den USA ist nur ein Beispiel dafür, wie unterschiedlich legale und illegale „Drogendealer“ behandelt werden; siehe dazu McGreal (2018); Meier (2018) Für eine ganz ähnliche Debatte, siehe die populärwissenschaftliche Analyse über den Umfang mit Amphetaminen von Graham (1972) und die ausführlichere Arbeit dazu von Rasmussen (2008). Siehe für eine frühe Kritik an der Doppelmoral in der Drogenpolitik Duster (1970).

[21] Siehe zur Trennung von Moral und Recht im Rahmen des Modernisierungsprozesses ab dem 18. Jahrhundert Hart (1968) oder Mitchell (1978).

[22] Passas und Goodwin (2004) fassen diese Auffassung in ihrem Buch mit der Aussage „It’s Legal but It Ain’t Right“ zusammen.

[23] Es darf nicht übersehen werden, dass die Moralisierung der Gesellschaft – und damit des Rechts – immer auch aus eigenen Reihen kritisiert wurde. Siehe nur zum Beispiel die Kritik am Moralismus des Sozialismus von Alexander Bogdanov (1984, S. 25).

[24] In dem Sinne auch die Aussage von Niklas Luhmann (1972, S. 223), dass die „Trennung von Recht und Moral […] zur Bedingung von Freiheit“ wird.

[25] Das war auch schon die Kritik an der weiten Bestimmung von White-Collar-Kriminalität durch Sutherland ((1940)), bei der legalistische und moralische Überlegungen nicht sauber getrennt wurden (siehe früh die Kritik zum Beispiel von Tappan (1947, 96ff.). Entgegen der breiten, auch moralische Verstöße umfassenden Bestimmung von „White-Collar-Kriminalität“ plädierte Tappan für eine strikte Eingrenzung auf durch Gerichte bestätigte Gesetzesverstöße von Organisationen. Zur Debatte siehe unter anderem Friedrichs (2010, S. 251); Reurink (2016, 388f.).

[26] Sicherlich gibt es auch bei staatlichen Gesetzen Fälle genauer Spezifikation. Man denke nur an die Steuergesetzgebung oder die Straßenverkehrsordnung.

[27] Im Prinzip sind der Moralisierung in Organisationen keine Grenzen gesetzt. In der Zeitdimension gibt es kaum eine Möglichkeit moralische Auszeiten zu fordern. Gerade wegen dem Zugriff der Moralkommunikation auf die ganze Person, wird zeitlich begrenztes Handeln in einer Organisationsrolle nicht als Entschuldigung akzeptiert. Der Hinweis, dass man ja nur von 9.00 Uhr bis 17.00 Uhr unmoralisch gehandelt hat, außerhalb dieser Zeitspanne aber moralisch einwandfrei handelte, widerspricht allen Vorstellungen von moralischer Integrität. In der Sachdimension kann jedes Thema unter Gesichtspunkten von Achtung und Missachtung anderer Personen beurteilt werden kann. Jeder vermeintlich auf Kosten anderer erzielte Vorteil kann als Ausdruck moralischer Niederträchtigkeit thematisiert werden. Jede unbedachte Äußerung kann als Ausdruck mangelnder Achtung skandalisiert werden. Jede Lüge zum Schutz anderer – oder der ganzen Organisation – kann als Indiz mangelnder Integrität betrachtet werden. In der Sozialdimension kann man sich kaum einer Moralisierung anderer entziehen. Wenn die Regeln für „gutes Verhalten“ für alle gleich gelten sollen, dann bedeutet dies, dass niemand vor dem moralischen Urteil anderer sicher ist (zur Universalität von Moral siehe Besio (2018, S. 32)).

[28] Bei Bandura (1999, S. 206) heißt es: „Almost everyone is virtuous at the abstract level.“

[29] Dabei handelt es sich um Zitate aus einer hochrangig besetzten Veranstaltung zur Fehlerkultur einer europäischen Armee unter Beteiligung fast des gesamten Generalstabs. Interessant war, dass die aus diesen Wertformulierungen bestehenden Rückmeldungen aus den Workshops und die Zusammenfassungen der Plenumsdiskussionen aus vor der Veranstaltung produzierten Folien bestand.

[30] So z.B. deutlich Carroll (1991). Siehe auch den in der Literatur häufig zu findenden Fehler, dass Abweichungen von organisationalen Normen mit der Abweichung von gesellschaftlichen Normen weitgehend gleichgesetzt werden. Siehe z.B. die Definition von „organizational misbehavior“ als „any intentional action by members of organizations that violates core organizational and/or societal norms“ (Vardi und Wiener (1996, S. 151).

[31] Zum Konzept von „organizational citizenship behavior“ siehe van Dyne et al. (1994). Abweichungen von allgemeinen gesellschaftlichen Hypernormen erscheinen dann gleichzeitig auch wie Abweichung von organisationalen Erwartungen. Zum Konzept von Hypernormen – letztlich nur ein anderer Begriff für Werte – siehe Donaldson und Dunfee (1994).

[32] Wie wichtig der Bezug auf geteilte Werte bei der Moralkommunikation ist, kann man in einem einfachen Experiment feststellen. Schließlich wäre man sozial ziemlich schnell isoliert, wenn man sich bei der Kommunikation seiner allgemeinen Moralvorstellung nicht auf allgemein geteilte Wertevorstellungen beriefe. Man kann dies einfach testen, wenn man beispielsweise in von den Taliban besetzten Gebieten Afghanistans, im schiitisch geprägten Iran oder in den von Evangelikalen dominierten Gemeinden der Südstaaten, mit entsprechender Verve die Position von sexueller Selbstbestimmung vertritt. Umgekehrt können überzeugte Taliban, radikale iranische Schiiten oder evangelikale US-Amerikaner in einer Diskussionsrunde in Schweden, einer liberalen Kirchengemeinde in den Niederlanden oder einer Universität im Osten der USA verkünden, dass Homosexualität eine Sünde ist. Siehe für eine solche Analyse an etwas unverfänglicheren Themen wie das Halten von Hunden und das Waschen von Wäsche Chaudhary (2006).

[33] An dieser Frage, hat sich die Holocaustforschung über Jahrzehnte abgearbeitet; siehe nur beispielsweise das Konzept des Doubling von Robert Jay Lifton (1986).

[34] Siehe aber deutlich optimistischer zum Beispiel Bowman (1981); Benson (1989).

[35] Die Empirie zu dieser Differenz ist vielfältig. Siehe nur beispielhaft die organisationswissenschaftlichen Untersuchungen über Banken, in denen einerseits in Ethik-Workshops den Kundenberatern beigebracht wird, die Käufer von Finanzprodukten – speziell Witwen und Waisen – nicht zu bescheißen, diese danach aber über aggressive Zielvorgaben bezüglich des Umsatzes genau dazu angehalten werden. Siehe dazu Neckel et al. (2018).

[36] Siehe Coffee (1977, 1099ff.) für die Position, dass moralische Reaktionen auf Regelabweichungen häufig nicht nur ineffizient, sondern auch kontraproduktiv sind.

[37] Wolfgang Krohn (1999, S. 314) macht zurecht darauf aufmerksam, dass der Vorwurf der Scheinheiligkeit auch an entmoralisierte Akteure zurückgespiegelt werden kann, wenn diese sich auf die „unerbittliche Sachlogik“ von Wirtschaft oder Politik berufen und dadurch ihre unmoralischen Praktiken „zu veredeln“ suchen.

[38] Und weil es sich schon reimt noch seine Ergänzung: „Moral macht Mut zur Wut“.

[39] Der Bezug dieser Organisationstypen zu politischen oder religiösen Bewegungen ist nicht zufällig, ist dort doch Moral ein zentrales Instrument zur Mobilisierung der Anhängerschaft; siehe dazu Hellmann (1998, S. 500).

[40] Die Moralisierung in solchen Organisationen ist vergleichsweise gut untersucht; siehe nur die klassische Studie von Freeman (1972) über die Tyrannei der Strukturlosigkeit. Für einen Überblick siehe Parker et al. (2013) oder Meyers (2013).

[41] Wörtlich heißt es bei (March (1978, S. 604)): „Hypocrisy is a long-run investment in morality made at some cost (the chance that, in fact, action might otherwise adjust to morals). Siehe auch die insgesamt schlechte Übersetzung bei March (1990, S. 321).

[42] Hinter diesem Gedanken verbirgt sich das bekannte Diktum des vielleicht bekanntesten Moralisten der frühen Neuzeit, François de La Rouchefoucauld: „L‘hypocrisie est un hommage que le vice rend à la vertu.“ – „Heuchelei ist eine Huldigung, welche das Laster der Tugend darbringt.“

[43] Dieser Punkt wird von Jäger und Coffin (2011, S. 138), die moralische aufgeladene Konflikte in Organisationen in Interaktionen verorten, prominent übersehen. Sicherlich stimmt es, wenn sie schreiben, „Wer nach der Moral der Organisation sucht, stößt zwangsläufig auf die Interaktionssysteme der Organisation“ (Jäger und Coffin (2011, S. 148), aber diese Interaktion ist in hierarchischen Organisation ganz anders, als es sich die Autoren vorstellen.

 

[44] Zur Polizei siehe aus der älteren Forschung etwa Westley (1956); siehe aktuell auch Skolnick (2002) sowie Rothwell und Baldwin (2007).

[45] Siehe auch Cristina Besio (2014, S. 78) für das Argument, dass moralische Kommunikation die technische oder wissenschaftliche Auseinandersetzungen behindert.

[46] Vgl. Zur Ausbildung von Sondermoralen in Organisationen Luhmann (1984, S. 318).

[47] Siehe zur Entmoralisierung als Konsequenz einer Zurechnungsexpansion in der modernen Gesellschaft Lübbe (1998, S. 39).

Veröffentlicht von Stefan Kühl

Hat vor zwanzig Jahren als Student die Systemtheorie in Bielefeld (kennen-)gelernt und unterrichtet dort jetzt Soziologie. Anspruch – die Erklärungskraft der Soziologie jenseits des wissenschaftlichen Elfenbeinturms deutlich zu machen. Webseite - Uni Bielefeld

1 Kommentar

  1. Markus Hänsel sagt:

    Lieber Herr Kühl,

    Danke für die spannenden Anstöße.
    Einige kurze Anmerkungen dazu:
    Beim Umgang mit Moral in gesellschaftlichen Zusammenhängen scheint mir die Transparenz und kontinuierliche Überprüfung der jeweiligen Moralvorstellungen mit Verweis auf konkrete Verantwortung mindestens ebenso wichtig wie der Verweis auf Legalität. Die Voraussetzung einen wahrgenommen Regelbruch oder einen empfunden Werteverstoß zu adressieren kann zwar immer durch Machtkonstellationen und Hierarchie beeinflusst und konterkariert werden, dennoch glaube ich, dass wir gerade in der aktuellen Wirtschaftswelt nicht von der Hypothese der Mündigkeit des mitarbeitenden oder führenden Bürgers und der Möglichkeit intersubjektive Moralvorstellungen im Dialog, im Sinne einer Diskursethik, auch mit Konflikt und Streit immer wieder zu konstituieren, lassen können. Eine ausschließliche Entpersonalisierung halte ich für eine gleichsam wenig wünschenswerte wie illusionäre Anforderung an die Auseinandersetzung mit Fragen nach Verantwortung in Organisationen – der Verzicht immer wieder konkrete Situationen mit handelnden Personen samt deren Kontextbedingungen, Rollengefüge und Widersprüchlichkeiten zu betrachten, würde letztlich sogar die zentrale Grundlage rechtlicher Unterscheidung unterminieren. Ohne Bezug zu persönlicher Verantwortung läßt sich in kommunikativen Nischen sicherlich wohlfein über Regelbrüche im Allgemeinen resümieren – zukunftsorientiert ändern wird sich so letztlich wenig. Die Kombination einer leidenschaftlich anlagenden Streitschrift gegen moraline Kampagnen und Appelle in Unternehmen, die ich durchaus teilen kann, mit achselzuckendem Propagieren systembedingter Doppelmoral und zahnlosen Kommunikationsritualen, wäre dann ein ähnlicher Fall eines Bewältigungsversuchs kognitiver Dissonanz, wie er wohl bei den erwähnten Unternehmensbeispielen vorliegt.

    Späte Grüße, Markus Hänsel

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