Vertrauenskrise? Die 45-Billionen-Dollar-Lüge

In den Medien ist aktuell überall die Rede davon, dass die Börsenlage einen ausgetrockneten Kreditmarkt zwischen den Banken geschuldet ist, dies wiederum sei auf einen Vertrauensverlust zurückzuführen.

Hier mal die Wahrheit: Die Akteure der Finanzwirtschaft wissen gar nicht, was Vertrauen ist, da sie es bereits vor etwa einem Jahrzehnt abgeschafft haben. Vertrauen ist, ganz ursprünglich gedacht, der grundlegende Mechanismus, der greift, wenn durch Kontinuität Vereinfachungen akzeptiert werden. Man erwartet, dass das zwanzigste Ereignis, wie die neunzehn vorherigen ablaufen. Man erwartet von seiner Familien Unterstützung, von Freunden Freude und von Gegnern Missbilligung. Vertrauen stützt Erwartungen, positive wie negative. Allerdings bleibt Vertrauen normalerweise immer unbestimmt und diffus, basiert auf Intuition und ist an Personen gebunden. Seit die Welt komplizierter wurde, spielte auch Systemvertrauen eine Rolle, aber grundsätzlich unterscheidet es sich vom beschriebenen Personenvertrauen nicht. Solange wir nicht erfolgreich in die Zukunft gucken können, brauchen wir Vertrauen.

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„Politische Gier“

„Die Gier“, das egoistische und rücksichtslose Verhalten, ist das Übel der Wirtschaftskrise, sagen all die, die nicht zwischen sozialen Strukturen und ihren Akteuren unterscheiden können, bzw. nur problematische Akteure sehen und keinen Sinn für Gesellschaftsstrukturen haben. Bestes Beispiel dafür ist die FDP mit all ihren Hampelmännern, die mit Händen und Füßen kämpfen, um ihre Ideologie zu retten. „Der Markt ist in Ordnung, das ist, liegt ja teilweise… überwiegend auch an den Managern“ ist von FDP MdBs zu hören (hier länger und lustiger).

Das Gier, als menschliche Eigenschaft, nicht Ursache des Übels sein kann liegt auf der Hand. Für „Gier“ gibt es, wie für jede andere Instanz menschlicher Motivation, keinen absoluten Maßstab. Alle Wertungen beruhen auf Ansichten, die auch anders ausfallen können, weshalb es sich lohnt, darüber politisch zu streiten. Man braucht sich aber keine Illusionen machen, darüber auch entscheiden zu können. Moralische Appelle in diesen Dimensionen haben nur die Funktionen, die zu besänftigen in deren Sinne gesprochen wird.

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Semantik wirkt (!!!)

Es gibt Soziologen (wie mich) die pfeifen auf jedwede Aussage von Menschen aus der Wirklichkeit. Erstens, weil „Mensch“ keine Kategorie ist, die etwas soziologisch darstellen kann, lässt sie sich auch noch so gut benennen, bezeichnen, zählen und vergleichen. Zweitens, weil ein human-tonaler Ausspruch zwar Wirklichkeit erzeugt, aber nie Realität widerspiegelt. Kurz: Gerede ist egal. Wer tatsächlich etwas über die Welt erfahren will, darf nicht die Menschen fragen sondern muss spartenspezifischer vorgehen. Für interessante, soziologisch entschlüsselbare gesellschaftliche Phänomene ist sehr selten werturteilendes, ideologiegeleitetes Gelaber von Bedeutung, viel mehr muss man faktische Geldströme, reines Abstimmungsverhalten oder zufällige Bekanntheitsgrade beobachten.

Solch ein Weltbild hilft ungemein durch den Alltag, man fragt sich, der Trugbildanfälligkeit von Semantik bewusst, aber umso mehr, wie alles überhaupt funktionieren kann, da andere Menschen auf Gerede soviel geben. Statistiken werden gefälscht, Bilanzen werden komponiert, Zukunft wird versprochen und Fakten werden erzeugt. Manchmal enteilt die semantische Wirklichkeit der faktischen Realität so sehr, dass sich die Einheit der Welt von ganz allein infrage stellt.

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Die Erblindung der Gesellschaft (update)

Was macht man eigentlich mit einem Mathematikstudium, wenn man lieber handfest arbeitet, anstatt philosophisch und zahlenfrei über den Grundproblemen zu brüten? Man heuert bestenfalls in einer Investmentbank oder einem Rückversicherer an. Der Einstieg geschieht wohl am ehesten über Erstversicherer und normale Banken. Bei ihnen errechnet man kundenspezifische Finanzströme, ermittelt Werte, legt Preise fest und gibt dann seinen Klienten über die eigenen Rechenergebnisse bescheid. In diesen Positionen ist man ein fachmännischer Finanzdienstleister für den kleinen und einzelnen Kunden.

Die angesprochene Ebene höher, bei Investmentbanken und Rückversicherern, sieht der Alltag ähnlich aber doch auch ganz anders aus. Man rechnet ebenfalls mit Zahlen, hat Klienten, errechnet Preise und legt Werte fest – nur eben nicht für den kleinen Einzelkunden, sondern für Gesellschaften, Märkte und Kollegen. Man spricht hier nicht mehr von Finanzdienstleistern sondern von Analysten.

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