Es muss ein innerer Wunsch sein, ein evolutionärer Traum, den viele Menschen heute kurz vor seiner Erfüllung sehen. Seit Google-Gründer Sergey Brin behauptete, eine Datenbrille auf dem Kopf wäre weit männlicher als ein Telefon in der Hand, macht man sich darüber Gedanken, wohin der anstehende Schritt geht. An mehr Männlichkeit hatte bis dahin noch kaum jemand gedacht. Ein Fussball- oder Eishockeyspiel aus der Perspektive des Schriedsrichters zu sehen, weckte dann aber doch geschlechtsspezifische Vorfreude. Wie auch im morgendlichen Halbschlaf die Mode der Frau beurteilen zu können.
Nach Einführung der Sprachsteuerung soll der technologiebenutzende Mensch davon abgebracht werden, seine Hände für etwas zu benutzen, was auch sehr gut ohne sie geht. Die Sprachsteuerung war ein Anfang, die die großen Computerhersteller heute nahezu perfektioniert haben. Etwas ungewöhnlich schien es dann aber doch, sich mehr mit als mittels seines Telefons zu unterhalten. Die neue akustische Aufmerksamkeit der Maschinen für die Menschen war aber nur der Anfang – heute beobachten uns die Telefone. Android, das Handybetriebssystem von Google, lässt sich beispielsweise schon heute mit Blicken steuern. Man muss es nur ansehen, damit es sich entsperrt, ein Passwort oder Muster, das die Finger zeichnen, ist nicht mehr notwendig.
Auch schaltet sich das Handydisplay nicht aus, solange man es anblickt, sofern man diese Annehmlichkeit will. Man kann es schon heute so einrichten, um die Akkus hinter den energiefressenden Bildschirmen zu schonen. Wenn die Gerüchte stimmen, wird Samsung in der nächsten Woche ein Telefon vorstellen, das sich noch detaillierter per Blickkontakt steuern lässt: Das Telefon wird erkennen, wenn der Blick an das untere Ende des Bildschirms wandert und weiterscrollen. Wer ein Video schaut, wird nicht mehr auf Play und Pause drücken müssen, sondern wird nur den Blick von der einen Seite des Bildschirms zur anderen Seite wandern lassen, das Telefon wird es verstehen.
Hier treffen gleich zwei Aspekte aufeinander. Zum einen nämlich, dass Tablets heute mehr und mehr zum Hand- und Kochbuch werden und zum anderen, dass immer häufiger das, was zuvor per Text festgehalten wurde heute in Videos gebannt wird. Schmink-Videos, für deren Steuerung man keine Hand frei hat sind nur der amüsante Beginn einer bemerkenswerten Entwicklung.
Einen Namen für diese Technologie gibt es noch nicht. Die bewährte Gestensteuerung ist es schließlich nicht, sondern vielmehr eine unmerkliche Aufmerksamkeit, die den Herstellern eine ihrer drängendsten Fragen endlich beantwortet: Was machen die Menschen tatsächlich mit ihren Telefonen? Oder, spezifischer: Haben sie die Werbung nun gesehen oder nicht? Die Technologie wird aufmerksamer und hilfsbereiter. Die Befreiung der Hände wird einen so grundlegenden Paradigmenwechsel darstellen, dass auch das auf vielen Gebieten abgeschlagene Unternehmen Microsoft wieder hoffnungsvoll in den Wettkampf um das nächste größte Ding einsteigt.
Die sich als Zubehör für die Spielekonsolen etablierte Kamera „Kinect“ kann heute nahezu alles und trägt den vielsagenden Namen „Fusion“. Während das „Internet der Dinge“ propagiert wird, weil das Netz in alle Dinge wandert und auch die Bedeutung von 3D-Druckern am liebsten schon direkt im Geschichtsbuch als erst einmal auf ein paar Notizzetteln festgehalten wird, entwickelt Microsoft einen 3D-Scanner, dem sich nichts mehr entziehen kann. Zwar hat Apple damals die Tastatur aus dem Telefon ausgebaut, doch den nächsten Entwicklungsschritt, sie auch tatsächlich überflüssig zu machen, geht nun Microsoft. Es wird also auf vielen Ebenen noch interessant.
(Video: Die Ego-Optik kennen wir schon, aus dem Computer – jetzt erobert sie die Welt.)
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