Omar Bassan al-Bashir und die Weltgesellschaft

Der Haftbefehl des Internationalen Strafgerichtshofs gegen den sudanesischen Präsident Omar Hassan al-Bashir dokumentiert den unaufhaltsamen Fortschritt weltgesellschaftlicher Differenzierung, wobei gleichzeitig zu beobachten ist, dass entlang verschiedener Ebenen der Weltgesellschaft Konfrontationslinien auftreten, für die es bisher keine Beobachtungsschemata gibt. Um dies zu zeigen, werde ich in einem ersten Schritt den Begriff der Weltgesellschaft einführen, dann das Problem von Nationalstaatlichkeit und Weltpolitik anreißen, um im dritten Schritt die Konfrontationslinien der weltkulturellen Eben zu skizzieren. Abschließend zeigt sich, dass Menschenrechte eine Transformation von Kultur zu Recht erlebt haben.

Weltgesellschaft

Systemtheoretisch betrachtet gibt es nur eine Gesellschaft, die Weltgesellschaft. Diese Fassung von Gesellschaft hängt in erster Linie von ihrer begrifflichen Bestimmung ab: für Gesellschaft ist das konstitutive Element Kommunikation. Alles, was Kommunikation ist, gehört zur Gesellschaft, alles andere ist Umwelt. Alle Kommunikation ist potentiell füreinander erreichbar, bzw. über eine Verkettung von Interaktionszusammenhängen miteinander vernetzt. Daher kann es nur eine Gesellschaft geben, die Weltgesellschaft.

Weltpolitik

Auch für die Politik muss davon ausgegangen werden, dass es ein System der Weltpolitik gibt. Kritiker dieser systemtheoretischen Perspektive wenden ein, dass der Nationalstaat auf politischer Ebene doch das konstitutive Element sei. Systemtheoretisch wird diese Kritik auf den Kopf gestellt: Die genuine Leistung des weltpolitischen Systems ist die wechselseitige Anerkennung des Nationalstaats. Das weltpolitische System ermöglicht die segmentäre Differenzierung in nationalstaatliche Territorien erst, da erst durch die Anerkennung nationalstaatlicher Souveränität eine globale politische Auseinandersetzung möglich wird, ohne dass sich ein nationales Reich über den Globus erstreckt.

Menschenrechte

Auf einer anderen Ebene der Weltgesellschaft, der Kultur, wie Stichweh (2000) zeigt, entwickelt sich die Anerkennung von Menschenrechten. Gerade in der Frage der Menschenrechte ist zu beobachten, dass die kulturelle Diversität der Weltgesellschaft hier nicht anzutreffen ist, sondern das exakte Gegenteil. Der Anpassungsdruck souveräner Staaten gegenüber der Anerkennung von Menschenrechten führt zu einer Limitation nationalstaatlicher Souveränität. Die Einschränkungen führen soweit, dass Eingriffrechte entstehen, die Interventionen gegenüber souveränen Staaten ermöglichen, ohne (!) dass ein anderer souveräner Staat dafür als direkter Adressat einer Gegenreaktion zur Verfügung stünde, wie dies im Falle einer Kriegshandlung beobachtbar ist.

Konsequenzen weltpolitischer Intervention

Der Haftbefehl gegen den sudanesischen Präsidenten zeigt deutlich, dass die kulturelle Verbreitung der Menschenrechte eine Rückwirkung auf das weltpolitische System gehabt hat, dass nun selbst in Aktion treten muss, ohne dass dafür nationalstaatliche Adressen zur Verfügung stünden. Die Irritationen, die mit diesem Fall politisch und medial diskutiert wurden liegen meiner Meinung nach vor allem darin, dass die Beobachter noch nicht damit umgehen können, dass politische Interventionen gegenüber souveränen Staaten nicht mehr durch einzelne Staaten oder ein Staatenbündnis ausgelöst werden.

Verantwortung

Die Frage die sich dann nämlich stellt, ist die nach der Verantwortung. Notwendigerweise bleibt sie leer. Das ist aber auch nicht weiter schlimm, wenn die Beobachter sich daran gewöhnt haben. Schließlich wird bei alltäglichen Rechtsprozessen auch nicht nach den Motiven oder der Verantwortung der Ermittlungs- und Justizbehörden gefragt, solange sie durch positiv gesetztes Recht gestützt sind.

Kultur oder Recht?

Der Verweis auf positiv gesetztes Recht, bringt mich zu der abschließenden Frage, ob man bei Menschenrechten von Kultur sprechen kann? Ich denke, dass man Stichwehs Überlegungen dahingehend nutzen kann, wenn man die Entstehung von Menschenrechten und ihre weltweite Verbreitung verstehen will. Das lief durchaus über kulturelle Entwicklungen. Es gibt einen (schwer zu bezeichnenden) Transformationspunkt, an dem die Kultur des Menschenrechts zu einem Recht der Weltgesellschaft wurde und damit einer andere Sphäre zuzurechnen ist, nämlich dem Weltrechtssystem. Die Konsequenz dieser Transformation ist mit dem Haftbefehl gegen Omar Bassan al-Bashir beobachtbar.

Literatur:
Stichweh, 2000, Weltgesellschaft.

1 Kommentar

  1. Stefan Schulz sagt:

    Für mich ist der internationale Strafgerichtshof eine Institution, die durch staatliche Politik beeinflusst wird und noch keine derartig autonome Handhabe hat.

    Sobald aber George W. Bush vorgeladen wird, teile ich deine Transformationsthese. ;-)

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