Das ZDF-Nachtstudio übers Internet mit Sascha Lobo, Mario Sixtus, Astrid Herbold und Peter Kruse ist weder interessant noch unterhaltsam. Mit Sascha Lobo als Außnahme reden sich alle beim Internetbeschreiben in Rage, nutzen Begriffe die nicht ganz klar sind und führen vernunft- und homozentrische Paradigmen, die schon vor 50 Jahren als albern abgehakt wurden. Die Sendung verlief ungefähr so:
- Astrid Herbold meint, die Interneteurphorie störte sie. Sixtus fragt, wer denn das Internet so bejubelt. Sie traut sich aber nicht ihn selbst und seinen blind-jubelnden, amtsmüden Elektrischen Reporter zu nennen.
- Lobo wird gefragt, warum das Internet mehr (sozial) ist als bloß eine (sachliche) Suchmaschine. Er erzählt: jede Metapher die das Internet beschreibt, greift zu kurz. Es ist jeden Tag ein neues Netz, daher kann man es nicht beschreiben. Aber es ist irgendwas damit.
- Peter Kruse meint: Der Geist kann ja wohl schlecht aus der Maschine kommen. Die Aufgabe der Verknüpfung der Information kann nur von Menschen gelöst werden. Später meint er: Man darf die alten Methoden nicht auf die neuen Medien anwenden, sondern (und das ist wohl neu?) Musterbildung zulassen. „Musterbildung schafft Wahrheit“. Mit Musterbildung meint er aber Mustererkennung, und somit eine Aufgabe des erkennenden Menschen und nicht des Mediums, der Maschine.
- Peter Kruse meint: Das Internet und die „Realität“ sind beide (zu) komplex aber wir wissen nur, wie wir mit der einen Art umzugehen haben – die onlineige Komplexität ist uns (noch) fremd.
- Peter Kruse meint, das Internet hält kontextfreie Information bereit. (Er vergisst jedoch zu erwähnen, was das bedeutet und was er damit sagen will.)
- Sascha Lobo meint, es gibt eine „Qualität in der Maschine“. Aber ihm wird widersprochen – es sei nur ein Algorithmus für Käuferstatistiken usw..
- „Kollektive Intelligenz“ – Es wird 5 Minuten zu diesem Begriff frei assoziiert.
- Kruse sagt „Soziale Systeme“ und meint Menschengruppen.
- Sascha Lobo erzählt von „sozialen Filtern“ – Kruse: Vertrauensverluste in Informationen und Experten.
- Mit „Reduktion von Komplexität“ meinen alle irgendwas, keiner sagt, was genau.
- „Demokratiesierung des Wissens“ – niemand sagt, was er damit meint – Sixtus sagt: „persönliche Entscheidungen können besser werden“.
- Astrid Herbold (Peter Kruse zustimmend): Die Macht kommt nicht von Google, sondern von den Menschen. Kruse: „Wenn es Google nicht macht, macht es jemand anderes.“
Es sind also viele offene Punkte, für die genügend Zeit gewesen wäre. Z.B.:
Worin besteht das Erfolgsrezept von Google? Peter Kruse meint, es hilft dem Menschen beim Auffinden von Informationen, die „kontextfrei“ zur Verfügung gestellt werden und mit denen sich erkennende Musterbildung betreiben lässt, die die Welt „aus dem Kleinen zum großen Ganzen“ zusammensetzt. Die (exakte) Gegenthese, die mir viel einleuchtender erscheint ist aber, dass Googles Erfolg darin besteht, gerade die Kontextualisierung samt Musterbildung (die Peter Kruse dem Nutzer zuschreibt) besonders erfolgreich zu betreiben und den Nutzer von diesen Aufgaben zu entlasten. Google ist am erfolgreichsten, weil es uns am besten hilft. (Die Gegenfrage wäre, ob Peter Kruse sich das Internet als Quelltext anguckt und sich den Rest selbst denkt, so wie der eine Operator in The Matrix.)
Sascha Lobo wird heftig widersprochen, als er erwähnt, dass der Maschine eine Qualität zuzusprechen ist. Dabei war dies der klügste Satz der ganzen Diskussion. Nur darf man nicht so an die Sache rangehen, zu behaupten, erst die Computer-Maschine hält mensch-externe Denk/Intelligenz-Qualität bereit (er als Riesenmaschinist weiß das, die anderen weigern sich). Wenn wir Menschen tatsächlich jede Entscheidung selbst treffen müssten, kämen wir zu nichts. Also überlassen wir viele Entscheidungen der Gesellschaft: Wann fährt der Bus?, was gibts zu kaufen?, wann muss man in die Schule?, wann wird Alkoholgetrunken? (Natürlich kann man ein sehr unbequemes Leben führen und die Entscheidungen doch selbst treffen. ;-) Kruse würde jetzt widersprechen und sagen: Aber es sind doch alles Menschen (im Hintergrund) und man müsste sagen: Ja, überall sind Menschen, dennoch sind diese gesellschaftlichen Prämissen Ergebnisse von sozialen Entscheidungsverfahren: von Planung. Niemand einzeln wäre an ihnen Schuld. Menschen bringen sich ein, bringen sich nicht ein, müssen sich einbringen, verpassen sich einzubringen – das Regulativ für diese Koordinationsleistungen sind soziale, keine psychischen Mechanismen. (Das kann man aber als Organisationsberater wie Peter Kruse einer ist nicht akzeptieren, wem sollte man diese Entmächtigung des Einzelnen verkaufen? – „Führungskräften“ jedenfalls nicht.)
Ich will es mal dabei belassen, obwohl man noch eine Weile so weitermachen könnte. Peter Kruse meinte z.B. auch, und das entspricht seinem Tenor, die Macht geht nicht von Google (bzw. Facebook) aus, sondern von den Menschen. Das Argument: Wenn es Google nicht macht, macht es jemand anderes. (Das hat er nicht selbst gesagt, aber entschieden bejaht.) Das ist natürlich merkwürdig. Wenn es Facebook nicht gäbe, liefe dann 14% des Internets über StudiVZ (die Anderen)? Ebenso redet er stets von „Reduktion von Komplexität“, beschreibt aber ein Problem, dass eher zu seinem Mustererkennungsmethoden gehört. Es handelt sich also auch dabei um irgendwas psychisches. Ebenso könnte man sich noch Gedanken über die „Demokratisierung von Information“ machen. In dem Begriff „Demokratisierung“ steckt dabei immer so ein Hinweis auf etwas das passiert, wenn Information frei(er) verfügbar ist. Die interessante Frage ist, worauf dieser Hinweis zielt – doch darüber wurde nichts gesagt.
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