Heute, am 42-Tag, hat Google 00:00 Uhr die News veröffentlicht, dass sie seit Monaten mit sich selbst steuernden Autos über kalifornische Highways fahren. Laser auf dem Dach, kartographierte Straßen, Kameras, Bewegungssensoren und der Google-Software-Hardware-Komplex machen dies möglich.
Der Spiegel fragt sich nun, warum Google an einer sachfremden Technik forscht, für die es noch kein Geschäftsmodell gibt. Man muss den Redakteuren anscheinend auf die Sprünge helfen: Sich selbst steuernde LKWs, die auf der linken Autobahnspur (die natürlich eine neue Bedeutung erhält) im 50m Abstand fahren und sich nie überholen, sondern die Spur nur zum von der Autobahn abfahren verlassen. Allein diese Umsetzung sollte Milliarden wert sein.
Die Technik dafür scheint wohl bereit zu sein. Jetzt muss nur der rechtliche Rahmen geklärt werden, und es stellt sich ein interessantes soziologisches Problem. Wer trägt die Verantwortung, wenn in einem Verkehrsunfall der Unfallverursacher kein Mensch ist, sondern eine Maschine, wenn menschliches Versagen also nur noch mittelbar als Verantwortlichkeit juristisch zur Verfügung steht? Können die Verkehrswege ohne natürliche Personen geregelt werden?
Interessant wird es zusätzlich auch deswegen, weil es sich bei den Google Roboterautos um sehr sichtbare Entitäten handelt. Bislang konnte die Weltfinanzwirtschaft und die Industrie fast vollständig auf Maschinen umgestellt werden, im öffentlichen Raum bekommt man dies bislang allerdings nicht mit. Das könnte sich demnächst schlagartig ändern. In 10 Jahren werden die Luftsicherung und der Güterverkehr auf Schiene und Straße vielleicht soweit auf Maschinen umgestellt sein, dass die Gesellschaft ernsthaft an einer neuen „postmodernen“, „nächsten“ Beschreibung arbeiten muss.
2010 ist vielleicht das letzte Jahr, in dem man überhaupt noch versuchen kann, einen hübsch designten Bahnhof als „Innovation“ und „Zukunft“ anzupreisen.
(Bild: Dan Coulter)
[…] Schulz betrachtet bei den Sozialtheoristen Googles neuestes Experiment mit computergesteuerten Verkehrsteilnehmern […]
Was in riesigen Lagern, auf Häfen und anderen abgeschlossenen Orten der Logistik funktioniert, wird sicherlich auf den öffentlichen Raum ausgeweitet (vor allem wenn man Google’s spezielle Interpretation der Öffentlichkeit berücksichtigt). Und im öffentlichen Verkehr gibt es tatsächlich schon Umsetzungen: U-Bahnen fahren bereits in Frankreich und seit 2008 auch in Nürnberg ohne Fahrer durch die Gegend. In Nürnberg fahren diese Züge auf den gleichen Gleisen wie Fahrer-gesteuerte Züge. Mir sind keine spektakulären Unfälle bekannt, die das Verantwortungsproblem empirisch zugänglich machen würden. Im Falle der Bahnen wird jedoch immer darauf verwiesen, dass echte Menschen doch irgendwie in mehr oder minder unmittelbarer Nähe „anwesend“ sein würden, entweder im Zug als Begleiter oder auf den Bahnhöfen. Das juristische Problem ist m.E. eher nachrangig, weil letztlich Betreiber oder Hersteller verantwortlich gemacht werden können, oder die Verantwortlichkeit per Vertrag regeln. Wichtiger wird es eher sein, dass es (zumindest noch in den nächsten Jahre) Menschen gibt, die via Interaktion irgendwie erreichbar sind. Bei Zügen lässt sich das Problem der Interaktionserreichbarkeit sicherlich einfacher lösen als mit einer Kette von LKWs.