Zwischen Wissensproduktion und Wissenspräsentation liegen Welten. Für wissenschaftliches Wissen fällt dieser Unterschied vielleicht am deutlichsten aus. Studierende in den ersten Semestern erfahren den Unterschied zwischen Produktion und Präsentation wissenschaftlichen Wissens in gähnend langweiligen Vorlesungen auf eine besonders schmerzvolle Weise. Hochdekorierte Forscher halten Vorlesungen, denen man beim besten Willen nicht folgen kann. Monotone Monologe über Monopole.
Im Zuge mannigfaltiger Reformen des Wissenschaftssystems wird der Transfer wissenschaftlichen Wissens „in die Praxis“ von ganz verschiedenen Seiten gefordert. Die Einrichtung von Transferstellen, Wissenschaftsbüros und Public-Private-Partnerships an Universitäten sprechen Bände. Eine soziologische Untersuchung dieser „Governance“-Bemühungen kann da kaum noch hinterher kommen. Die einschlägigen Studien, die es bisher gibt, kommen allerdings zu ernüchternden Ergebnissen: Wissenschaftliches Wissen erscheint zu sperrig, um „transferiert“ werden zu können.
Gestandene Kommunikationsmanager lassen sich von solchen Feststellungen natürlich nicht schrecken. Ganz im Gegenteil wird in dem sperrigen Gegenstand geradezu eine Herausforderung gesehen. Wissenschaftliches Wissen, das sich gegen seine außerwissenschaftliche Verwendung und Präsentation sträubt, soll einer breiten Öffentlichkeit präsentiert werden. Diese Ziel verfolgt das „Famelab„. Ein Wettbewerb, in dem junge Wissenschaftler, die am Beginn ihrer Karriere stehen, gegeneinander antreten, indem sie ihr Forschungsvorhaben möglichst unterhaltsam präsentieren. Mit Jury, Preisen und allem drum und dran. Quasi das „Popstars“ der Naturwissenschaft, was auch die Aufmachung des Trailer des englischen Vorbilds verdeutlicht:
Mit diesem Format der „Wissenschaftsförderung“ scheint unbestreitbar ein gewisser Erfolg verbunden zu sein. Deshalb gibt es das Famelab jetzt auch in Deutschland. Soziologisch betrachtet, muss aber davon ausgegangen werden, dass Wissenschaft in ihrer Kernfunktion, nämlich der Suche nach Wahrheit, nicht gefördert wird. Ganz im Gegenteil lässt sich vermuten, dass die Teilnehmer aus der Wissenschaft „herausgefördert“ werden. Die Vermittlung wissenschaftlichen Wissens außerhalb der Wissenschaft mag eine Form von Reputation produzieren. Sicher ist jedoch, dass es sich um außerwissenschaftliche Reputation handelt, die kaum für wissenschaftliche Zwecke genutzt werden kann. Schlimmer noch wiegt das Ausschlussverhältnis der Ressourcen: Die Zeit, die mit dem Erwerb außerwissenschaftlicher Reputation verbracht wird, kann nicht für den Erwerb genuin wissenschaftlicher Reputation genutzt werden.
Gerade aber in den Anfangsjahren einer wissenschaftlichen Karriere führt die Priorisierung außerwissenschaftlichen Reputationserwerbs dazu, dass die Grundlagen für den Verlauf der weiteren Karriere außerhalb der Wissenschaft gesetzt werden. Fehlt die wissenschaftliche Reputation, wird eine wissenschaftliche Karriere immer unwahrscheinlicher. Dagegen wird die außerhalb der Wissenschaft erworbene Reputation motivierend wirken, sich noch stärker außerhalb der Wissenschaft zu engagieren. Es ist dann abzusehen, dass aus jungen Wissenschaftlern durch Veranstaltungen wie famelab Wissenschafts- oder Kommunikationsmanager werden.
Betrachtet man einen kumulativen Effekt dieses Wettbewerbs, tritt eine weitere nicht-intendierte Folge in den Blick. Insbeondere die rhetorisch versierten Wissenschaftler dürften durch die Aussicht auf vergleichsweise schnellen Reputationserwerb zur Teilnahme motiviert werden. Wenn nun aber gerade diejenigen Wissenschaftler, die sich rhetorisch von den meisten ihrer Kollegen absetzen können, durch solch einen Wettbewerb „aus der Wissenschaft gezogen“ werden, verbleiben genau diejenigen, die ihre Studenten und Kollegen mit schier endlosen Vorträgen quälen.
Soziologisch betrachtet, werden Wettbewerbe wie das famelab weder zu einer Qualifizierung der Wissenschaftler hinsichtlich ihrer Präsentationstechniken führen, noch dazu beitragen, dass Wissenschafler sich zunehmend gegenüber einer breiten Masse öffentlich präsentieren. Diejenigen, die teilnehmen und erfolgreich sind, werden letztlich keine Chance in der Wissenschaft haben und außerhalb der Wissenschaft, als ehemalige Wissenschafler, über Wissenschaft reüssieren. Damit bestätigt sich letztlich nur die allgemeine These, dass sich Funktionszusammenhänge von außen nicht intendiert steuern lassen, weil Funktionslogiken nicht einfach ineinander übersetzbar sind. Aber zu dieser Einsicht braucht es wohl noch weitere 500 Jahre Universitäts- und Wissenschaftsreformen.
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