#Guttbye Talking Points

Es sieht so aus, als ob die Strategie der Banken auch für Guttenberg aufgeht. Statt ein einzelnes, kleines Vergehen zu verüben, sammelt er einen großen Haufen von Vergehen, Verstrickungen und eventuell auch Verbrechen an – sodass am Ende alle den Überblick verlieren. Banken sind milliardenschwer und „systemrelevant“, Guttenberg strickt sich daraus eine gegen ihn gerichtete, möglichst diffuse Kampagne, die er entsprechend thematisiert (bzw. thematisieren lässt).

Den Überblick zu behalten ist also leicht erschwert. Es lohnt sich allerdings, die einzelnen Punkte, die bislang aufgelaufen sind einmal zu ordnen und so zusammenzufassen, dass die Brisanz jedes einzelnen Aspekts des Fall Guttenbergs deutlich und kommunikabel ist. Eine kleine Liste:

1. Es gibt keine „bewusste Täuschung“ im Wissenschaftsbetrieb. Es gibt nur Täuschungen. Wenn man des Plagiats verdächtigt wird (durch einfachen Textvergleich), liegt die Beweislast beim Autor, und bis nicht stichhaltig bewiesen ist, wie es zu ungekennzeichneten, nicht eigenen Textstellen kam, handelt es sich um ein Plagiat. (Die Frage ist dann, wie es bewertet wird. Das unterscheidet sich entsprechend „eidesstattlicher Versicherungen“, „ehrenwörtlichen Erklärungen“, usw.)

2. Ein mit Plagiatsverdacht belastetem Autor ist es nicht möglich, an der Aufklärung des Sachverhalts mitzuwirken. Er kann sich nur dazu erklären.

3. Die Uni Bayreuth ist ein Opfer. Guttenberg hat sie getäuscht. Jedes Mal, wenn eine Institution einen akademischen Grad verleiht, vererbt sich ihre Reputation auf die ausgezeichnete Person. Guttenberg hat sich seine Reputation auf Kosten der Reputation seiner Universität ergaunert.

4. Wie man heute lernt, ist die Verwendung der Auftragsarbeit des wissenschaftlichen Dienstes des Bundestags erstaunlich klar geregelt. Guttenberg hat somit aus einer Quelle (ohne Quellenangabe) zitiert, die erstens nicht zitationsfähig ist und die zweitens eine Genehmigung zur Veröffentlichung sogar ausdrücklich nicht erteilt hat.

5. Der Bundestag (bzw. Teile der Bundespolitik) wird durch den Fall Guttenberg gegenwärtig thematisch blockiert, weil Guttenberg noch im Amt ist, nicht weil er anhaltend kritisiert wird. Die Regierungskoalition verhindert ordentliche parlamentarische Arbeit.

6. Es ist nicht möglich, Guttenberg in zwei Personen, eine politische und eine akademische, aufzuteilen. Der Doktortitel ist Teil des Namens, den er selbst nicht ablegen kann (seine Art der Verwendung ist dabei egal). Er war auch als Politiker ein Akademiker mit Auszeichnung. Zudem verwendete er seine Politikerpersönlichkeit (via Bundesminister-Briefkopf), als er der Uni Bayreuth seinen Brief mit der Bitte um Aberkennung der Doktorwürde schrieb. (Er ist also als Person beschädigt, nicht nur seine akademische Vergangenheit.)

7. – 9. Eine Dissertation enthält nur selten Zitate länger als 3 Sätze unformatiert im Fließtext. Selbst wenn Guttenberg Belege eingefügt hätte, sähe das alles sehr merkwürdig aus. Einleitungen sind höchstpersönliche Angelegenheiten. Normale Menschen warten ihre Publikation ab und stellen keine Anträge auf Ausnahmeregelungen um ihren „Dr.“ 2 Jahre eher im Namen führen zu dürfen.

10. Guttenbergs geklaute Textteile sind wohl größtenteils googlebar. (Und zwar ohne Google Books.)

Soviel zum wissenschaftlichen Teil der Thematik. Die Aspekte zur wirtschaftlichen Person Guttenberg kommen jetzt allmählich heraus. Er war „Student und Sponsor“ der Uni Bayreuth und hat sonst noch interessante Aktivität im Lebenslauf

(Bild: superflexnet)

Veröffentlicht von Stefan Schulz

Diplom-Soziologe aus Jena via Bielefeld in Frankfurt am Main. Kümmert sich promovierend um die Bauernfamilien des 12. Jahrhunderts mit ihrem Problem der erstmaligen "Kommunikation unter Unbekannten" und ist heute Journalist. stefanschulz.com

4 Kommentare

  1. Momentant wird nach meiner Wahrnehmung nur auf Guttenber herumgeritten. Gut, er hat Fehler gemacht und muss konsequenzen ziehen. Das sehe ich genauso. ABER: Meiner Meinung nach mus auch die Universät Bayreuth konseuqenzen ziehen. Es kann ja wohl nicht sein dass eine mehrköpfige Prüfungskommision absolut gar nichts mitbekommen hat, ausser die Herren haben das Wekr einfach nicht gelesne, sondenr nur ihrne summa cum laude Servusdarunter gesetzt. Das ist ein genauso großer Skandal. Ich finde es unvefrohren die Uni als Opfer darzustellen. Was sinddenn denn das für Professoren die nicht inder Lage sind eine Doktorarbeit gescheit durchzusehen? Wozu sind die überhaupt da? Waru mstellt diese Fragen niemand?

  2. Stefan Schulz sagt:

    Interessante Buchstabensetzung ;-)

    Es ist aber zu beachten, dass nicht die gesamte Uni mit dem Forschungsbeitrag des Herrn Guttenberg betraut war, sondern ein Prof. erem. und ein Zweitprüfer. Das die Kommissionen jede Arbeit lesen (und auf Plagiate untersuchen) ist zu viel verlangt. (Aber ein bisschen hast du recht.)

  3. docmuffler sagt:

    Ein Professor, der eine Arbeit benotet, muss dieses auch lesen. Liest er sie nicht, kann er nicht mit sehr gut benoten. Liest er sie, muss er merken, dass verschiedene Autoren mit unterschiedlichem Stil daran gearbeitet haben. Die beiden Prüfer haben also grob fahrlässig gehandelt.

    Zu meiner Zeit stand der Doktorand im regelmäßigen Kontakt mit seinem Doktorvater. Man stimmte sich ab und hat die Arbeit nach erfolgtem Feedback überarbeitet. Macht man das in Bayreuth nicht? Machen das Juristen nicht?
    Prof. Dr.-Ing. Dipl.-Phys. M. Muffler

  4. […] zu kurz. Die Argumentation der MHH-Forscher ist, binnenakademisch betrachtet, geradezu abstrus. Täuschungsabsicht ist ein großes Wort. Man sieht sie, wo andere Schlamperei wähnen und man kann sie verneinen, wo […]

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