Social Web sollte auch social sein!

Der AGB-Unfug muss ein Ende haben. Das Internet macht sich in der Gesellschaft breit, und kaum jemand bekommt es bewusst mit. Aufklärung hilft nicht. Wie auch? Das ist nicht neu. Aufklärung war noch nie eine wirkliche Lösung. Wenn es zu kompliziert ist, ist es zu kompliziert. Noch bevor Sascha Lobo seine Kolumne heute veröffentlichte, twitterte Johnny Haeusler: „Hiermit akzeptiere ich die Allgemeinen Geschäftsbed…“ Klick. Und er hat damit (genau, womit denn?) recht. Die Gesellschaft muss reibungsarm funktionieren. Wenn sie jedoch auffällig merkwürdig funktioniert und uns ständig überrascht und zur Problemlösung anhält, ist der Rat, die Gesellschaft möge in jedem an sie angeschlossenem Gehirn mitprozessiert werden, keine zielführende Antwort.

„Die digitale Aufklärung ist der Ausgang des Nutzers aus seiner selbstverschuldeten Unnerdigkeit“. Das ist ein schöner Satz. Doch das Problem ist anders gelagert. Das Wort digital bedeutet nämlich nichts grundlegend Neues (außer, dass die Maschinen noch näher an unser Gehirn herangerückt sind). Frank Lübberding trägt einen guten Einwand vor. Wenn sich Technologie in der Gesellschaft breitmacht, kann nur die Gesellschaft die Nebenfolgen behandeln. Die „Nerdisierung“ des Einzelnen hilft bei den Problemen, aber nur die „Nerdisierung“ der Politik kann die Probleme auch lösen. Twitters Funktionieren ist inzwischen so wichtig wie die pünktliche Bahn. Die Piraten stehen schon bereit. Sie müssen nur noch lernen, wie sie politische Diskussionen auf Entscheidungen zuspitzen, ohne dass danach alle aus Enttäuschung noch mehr diskutieren.

Vielleicht könnte man der AGB-Textflut aber auch noch anders begegnen. Die Teile des Internets, die man als moderner Mensch wirklich braucht, sind überwiegend gar nicht nur kostenlos, sondern tatsächlich frei. Wikipedia, WordPress, Twit.tv. Zustimmungspflichtige AGB gibt es nur dort, wo die Macher im Hintergrund noch Profit vermuten. Twitter hat inzwischen eine Bedeutung gewonnen, bei der man sich wünscht, dass es nicht einfach einem Markt übergeben wird. Twitter hat Probleme, was die eigene Finanzierung betrifft. Vielleicht sollten sie sich darum einfach keine weiteren Gedanken machen. Den die nun angestellten Überlegungen schüren ungute Ahnungen. Werbung wird in der Timeline sehr stören, promoted trends sind nahezu sinnlos. Vielleicht schafft es Twitter ein Verfahren zu entwickeln, mit dem am Honorar prominenter User für Werbetweets mitkassiert werden kann. Twitters Optionen für Geschäftsmodelle wurden nie euphorisch diskutiert. Man ist auch im sechsten Jahr sehr ratlos.

Warum sollte man überhaupt weiter ein Geschäftsmodell suchen? User – ich zum Beispiel – würden für Twitter sofort etwas zahlen. Ein Freemium-Modell für begeisterte User, eine Stiftung für Charitywillige, eine Reputationszwangsgebühr für Mitglieder mit mehr als 500.000 Follower (die sich das alle leisten könnten und sehr sicher auch wollen!). Vielleicht wird es Zeit, das Internet auf die nächste Stufe zu heben und es nicht mehr auf den Ideenrahmen von Werbeflächen zu reduzieren. Es wäre wirklich schade, wenn Twitter kaputt ginge, nur weil weniger als 1000 Menschen nicht wissen, wie sie die rare Aufmerksamkeit von 350.000.000 Menschen monetär ausbeuten können. @kusanowsky hat recht: Kommunikation ist kein Geschäftsmodell. Twitter ist inzwischen Teil des Gesellschaftsmodells.

(Bild: Ed Yourdon)

Veröffentlicht von Stefan Schulz

Diplom-Soziologe aus Jena via Bielefeld in Frankfurt am Main. Kümmert sich promovierend um die Bauernfamilien des 12. Jahrhunderts mit ihrem Problem der erstmaligen "Kommunikation unter Unbekannten" und ist heute Journalist. stefanschulz.com

26 Kommentare

  1. Sebastian sagt:

    »Kommunikation ist kein Geschäftsmodell. Twitter ist inzwischen Teil des Gesellschaftsmodells.«

    Ohne in neoliberale Normativität verfallen (oder Deinen Text bewusst missverstehen) zu wollen: Ist das so? Und wenn das so ist: Was hat das für Konsequenzen? Solange keine funktionale Alternative zum etabliert-materiellen Tauschverfahren (Zahlungen für Produkte, Dienstleistungen, Werbung etc. – in welcher konkreten Form auch immer) zuhanden ist, werden bewährte Routinen beibehalten werden. Denn Gesellschaft zahlt weder die Entwicklung und Programmierung von Diensten wie Twitter, noch deckt sie deren laufende Kosten (Betrieb von Servern, Wartung etc.). Und Twitter ist ja doch mehr als Kommunikation, es ist auch technisches System und als solches Medium von Kommunikation – und als solches auch sehr wohl Gegenstand von Geschäften. Vielleicht nicht im Twittersozialismus, der Twitter aber vermutlich nie hervorgebracht hätte. Eine Frage wäre wohl, wie Innovation motiviert werden kann – denn Verstaatlichung war für solche Zwecke bisher nur bedingt tauglich. Spiel‘ den Twitter-Eignern doch mal einen AG-Vorschlag zu. Privatisierung (inklusive der Reputationszwanggebühr!!) finde ich großartig.

  2. Stefan Schulz sagt:

    Twitter muss ja nicht zwangsläufig wie eine Business geführt werden. Es könnte ebenso dem Modell einer Kläranlage oder der Bahn folgen. Die Dinge, die der gesellschaftlichen Grundversorgung dienen, werden immer seltener dem Markt übergeben… usw.

    Der Text soll nur eine Überlegung sein, zum Schutz Twitters.

  3. Sebastian sagt:

    So habe ich das auch verstanden (aber die Bahn halte ich für ein abschreckendes Beispiel!). Das Gedankenspiel ist spannend, aber halt auch ein Gedankenspiel. Die These von Klaus greift in diesem Kontext hier zu kurz (soweit ich mich erinnere, ging es ihm um Suchmaschinen, obwohl das auch zu diskutieren wäre). Wie schon geschrieben: Vergesellschaften auf Basis von Freiwilligkeit bei gleichzeitiger Aufrechterhaltung des Dienstes für Nichtgesellschafter ist eine schöne Idee – kennt man eigentlich den aktuellen Marktwert von Twitter?

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