In der FAZ beklagt Sarah Khan, die Inszenierung des ARD Filmes „Rommel“ sei buchstäblich zu sauber geraten. Nicht nur, dass die Autorin offensichtlich befürchtet, von der Sauberkeit der Generalsbekleidung im Film dränge sich der Analogieschluss der Sauberkeit der Nazis auf, der Artikel geht sogar noch weiter und unterstellt, der „historisch-realistische Look rehabilitiert[e] eine faschistische Ästhetik“.
Natürlich kann die Darstellung der Nazis in Filmen thematisiert werden. Zu suggerieren der Zuschauer könne nicht zwischen der „Sauberkeit“ der Darstellung und der historischen Bewertung des NS Regimes unterscheiden, erscheint da schon eher „strapaziert“. Ärgerlich ist vor allem der aufklärerische Impetus, mit dem die Schreiberin den als grundnaiv angenommenen Zuschauer auf eben diese Naivität hinzuweisen sucht.
Sicherlich kann man mehr „Realismus“ einfordern – was auch immer der Realismus einer Darstellung der 7 Monate von März bis Oktober 1944 heute, fast 70 Jahre später, sein kann. Schließlich ist der Film eben dies – ein Film, der einem eigenen dramaturgischen Bogen folgt, und kein Fernglas in die Vergangenheit. Und exakt so viel „Realismus“ kann eingefordert werden. Selbiges gilt auch für den die Argumentation stützenden Hinweis, dass Christoph Waltz perfekt frisiert den SS-Mann Hans Landa in Inglourious Basterds mimt. Besteht doch der Reiz der Waltz´schen Darstellung gerade in dieser intellektuellen und äußerlichen Sauberkeit, die bekanntermaßen am Ende des Films dekonstruiert wird. Konterkariert Landa seine vermeintliche intellektuelle Integrität dem Nazi Regime gegenüber durch seinen Fluchtversuch selber, wird auch die äußerliche Perfektion radikal durch Brad Pitt in der Rolle des Lieutenant Aldo Raine gebrochen. Es steht also wenigstens zu vermuten, dass die saubere Darstellung einer filmischen Dynamik folgt, die nicht mit dem Wort „Realismus“ erfasst wird.
Aber soweit muss man gar nicht abschweifen. Alleine die Darstellung der Generäle – ausgenommen vielleicht Klaus J. Behrendt als Heinz Guderian – von Günther Blumentritt bis zu von Kluge widerspricht schon der unterstellten „faschistischen Ästhetik“ – es sei denn natürlich man empfindet ältere, sehr dicke Menschen, die sich in Uniformen pressen, als visuelle Werbung für das Schreckensregime der Nazis. Hierfür braucht es aber einige Fantasie – und eben keinen Schmutz, oder sonstige äußere Visualisierungen von Unreinheit. Zumal man zumindest annehmen kann, dass der Film durch die überaus „saubere“ Darstellung der Generalität die Entrücktheit eben dieser Generäle vom tatsächlichen Frontgeschehen zu dokumentieren sucht. Statt des Drecks der Front wird die vermeintliche Reinheit der Frontkarten dann handlungsbestimmend für die Generalität – was dem Film gerade in Anbetracht des Wahlspruches des im Fokus stehenden Generals („Wo Rommel ist, ist vorne“) Widersprüchlichkeit verleiht.
Um im Terminus der Kommentatorin zu bleiben: man kann den Eindruck nicht abwaschen, dass der Zuschauer zu Gunsten der eigenen Argumentation als arglos konstruiert wird, um ein Argument zu machen, das seine Antithese eben nicht im Film, sondern in der eigenwilligen Interpretation von Frau Kahn findet. Und auch hier lässt sich wieder die unsägliche Tendenz im Umgang mit der Nazizeit beobachten, alle beteiligten Personen mit äußerlichen und innerlichen Makeln zu versehen – von angeborener Amoralität bis hin zu den von Frau Kahn betonten Nasenhaaren. Als ob das Massenphänomen Nationalsozialismus auch nur einen Deut besser zu verstehen ist, wenn man sich jeden soziologischen, geschichtswissenschaftlichen, psychologischen, oder wie auch immer gearteten Zugang dadurch verbaut, das Geschehene in den Bereich der Pathologie abzuschieben, die dann eben nur noch das ist: Pathologie und nichts, das man versuchen sollte, nachzuvollziehen. Als Frage formuliert: kommt man dem Phänomen Nationalsozialismus, wenn man den Einfluss der „Ästhetik des Faschismus“ auf die damals Lebenden in Abrede stellt, weil dies moralisch heute einfach ist, näher, oder entfernt man sich explanatorisch nur noch mehr von der damaligen Gegenwart, die doch eigentlich im Fokus des Interesses stehen sollte? Fügt man dem Regime der Nazis auch nur eine Nuance Terror hinzu, wenn man die Führungsebene als dreckige, unter Schuppen leidende, alte Männer darstellt? Ist die moralische Verurteilung auch dann wichtiger, wenn sie Erklärungspotenzial hinsichtlich der Attraktivität einer vergangenen Gegenwart zerstört?
Und wie, um auf den Kern des Films zurückzukommen, bewertet man einen General, der zwar in seiner Zerrissenheit famos von Ulrich Tukur dargestellt wird, diese aber erst entdeckt, als das militärische Ende nicht mehr zu ignorieren ist? Und wie verhält es sich mit dem schneidigen Hans Speidel? Taugt jemand, der seinen naiven und (eventuell) unwissenden Vorgesetzten sehenden Auges in den Tod gehen lässt, zum Helden? Und sei es nur zum Helden einer ARD Produktion des Jahres 2012?
Alles Fragen, die gestellt werden können und sollten – nur haben sie nichts mit der oberflächlichen Sauberkeit von Uniformen zu tun.
(Bild: Richard Joerges)