Wahrheit, Trump und die Akademie für Soziologie

Wissenschaftliche Wahrheit scheint bedroht! Man verteidigt sie schon weltweit in Protestmärschen auf der Strasse – oder setzt man sie so nur der politischen Entscheidung aus, als eine Position unter vielen und das entgegen des eigenen Anliegens, sie vor jedem politischen Kalkül und Zweifel zu bewahren? Und was hat die Soziologie hier beizutragen? Ist sie überhaupt mit genannt, wenn Menschen für „die Wissenschaft“ auf die Strasse gehen?

Wir diskutieren die (Selbst-)Widersprüche der Politisierung wissenschaftlicher Wahrheit, die Bedeutung von Trump für solchen Protest, und kommen schliesslich auf die Gründung der Akademie für Soziologie zu sprechen.

Und ja, das könnte etwas miteinander zu tun haben…

Links und Shownotes

1. Zum MARCH FOR SCIENCE:

2. Zur Gründung der Akademie für Soziologie


Zu hören sind:
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Rena
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Moritz
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Stefan
Feed: https://feed.sozialtheoristen.de/podcast

4 Kommentare

  1. Gute Fragen und eine interessante Diskussion zur Sezession einer „Akademie für Soziologie“. Danke dafür!

    Ergänzen könnte man die Frage, wie moderne Gesellschaften ein Bild ihrer Gegenwart über sich selbst gewinnen. Unverzeihlich kurz:

    Um 1900 ist es neben der amtlichen Statistik, auf die etwa Durkheim angewiesen war, der Zeitungsjournalismus mit seiner Generierung von „News“, der das Bild der modernen Gesellschaft erzeugt. Mit Robert Ezra Park und der Chicago-School strömt dies in die Soziologie, es werden biographische und soziographische Methoden attraktiv. Einzelstudien geben Auskunft darüber, was an Wichtigem in der Gesellschaft los ist. Das Exemplarische ist hier repräsentativ für das Allgemeine. Ende der 1920er machen Mathematiker in den USA Fortschritte in der deskriptiven und analytischen Statistik und in den totalitären Atmosphären seit den 1930ern wird die Idee einer nicht mehr bloß über amtliche Statistik sondern nunmehr über quantitative Sozialforschung erfaßten „Massengesellschaft“ attraktiv. Türöffner war Radio-Research und dann Meinungsforschung. Man könnte sagen: die Repräsentativitätsfiktionen wandern ins Symbolsystem der Zahlen ab. Der einzelne Fall, das Besondere, sagt nichts mehr über die Gesellschafft als Ganzes. Das Besondere wird uninteressant für die Wahrnehmung der Gegenwart. Man könnte auch sagen, daß zu einem bestimmten Zeitpunkt die Gesellschaft aufhört, daran zu glauben, daß sie sich in ihren einzelnen Schicksalen noch erzählen kann. Das ändert sich in den Sixties. Da werden „kleine radikale Minderheiten“ als ein Symptom für die Gegenwart dechiffriert. Ethnologie, Sozialphänomenologie, überhaupt „Quali“ kommt nach vorn und wird für Zahlenphobiker unter den Studis attraktiv. In diesem Strom bewegen wir uns noch heute. Die Akademie ist m.E. eine arg verspätete und perspektivlose Reaktion darauf.

    Es grüßt aus Freiburg
    Wolfgang Eßbach

  2. See Horsthofer sagt:

    Behandelt ihr Stefans Thema in einer zukünftigen Folge noch?

  3. Martin Englen sagt:

    Die Soziologie ist ein Fach, dass sich in Auflösung befindet und es ist gut so,
    denn sie hat sich gesellschaftlich überlebt und selber diskreditiert.

    Es war immer ein politisch links unterwandertes Fach, wo nicht die Suche nach faktischen
    Wahrheiten oder die Erforschung des Realen vorherrschte, sondern die Suche nach
    Legitimationen für die eigenen Ideologien. Deswegen war es so attraktiv für Linksradikale, Mystiker,
    Anarchisten, Feministinnen, Homosexuelle und sozial schlecht integrierte Menschen aller Art:
    Die Soziologie wurde ein Auffangbecken für die sozial Aussätzigen, eine Art akademische
    Caritas, die für ideologische Vollverpflegung und Rüstung sorgte.

    In der Soziologie fanden diese ‚Outcasts‘ sozusagen eine Heimat, wo sie auf Anerkennung
    und Ermächtigung hoffen durften. Denker wie Michel Foucault machten aus dieser ‚Mission‘
    ihres Werkes überhaupt kein Hehl. Es ging um gesellschaftliche Machtgewinne und
    Gesellschaftspolitik, nicht um ‚harte‘ Wissenschaft oder seriöse Forschung.

    Die ehemals schlecht integrierten Minderheiten sind heute sehr gut integriert. Sie genießen
    vielleicht sogar zuviel Aufmerksamkeit im Gesellschaftsdiskurs, aber ihre nun endlich
    errungene Macht und Deutungshoheit wollen sie nicht wieder aufgeben. Im Gegenteil:
    Wie ihre ehemaligen Unterdrücker der Mehrheitsgesellschaft wollen sie nun das Sagen
    haben. Aber dazu brauchen sie weiterhin die Soziologie als ‚wissenschaftliche‘ Militärbasis.
    Oder sie spalten sich ab in Gender Studies und ähnliches um sich gleich voll auf ihre
    Privatinteressen konzentrieren zu können.

    Die Evolution der Soziologie ist dominiert worden von Machtinteressen gesellschaftlicher
    Minderheiten, nicht mehr von der Forschung nach empirisch fundierter Erkenntnis.
    Das Ergebnis ist eine ‚Wissenschaft‘, die kaum noch jemand ernst nimmt, weil
    sie mit ihren beliebigen ‚Zeitdiagnosen‘ der Literatur näher steht und mit ihrem
    AgitProp eine bessere linke Politik sein will.

    Die Theorien von Karl Marx, Niklas Luhmann oder Jürgen Habermas haben sich als
    untauglich für Forschung erwisen und sind im Wesentlichen unnütze Phantasiegebäude,
    die nichts mehr für die Gesellschaft leisten, falls sie es jemals getan haben. Die als
    ‚qualitative Methoden‘ glorifizierte Essayistik der Soziologie ist bestenfalls inspirierender
    Journalismus. Es gibt eigentlich keinen Grund mehr heute Soziologie zu studieren,
    denn es bringt einem nichts, was andere Fächer jetzt nicht besser und mehr fokussiert
    anbieten würden.

    Falls die „Akademie für Soziologie“ den harten Kern der einst ‚positiven‘ Wissenschaft
    retten will, so wünsche ich ihr viel Erfolg dabei, aber dieses ehrenwerte Projekt wird
    von endlosen Abgrenzungskämpfen begleitet werden, denn die ‚Outcasts‘ werden
    sich nicht so einfach aus ihrem Paradies vertreiben lassen, auch wenn sie die Lepra
    eingeschleppt haben, die das Fach krank gemacht hat.

    Kann man den ‚guten Namen‘ der Soziologie noch retten, wenn er zugleich von zahllosen
    linken Gutmenschen, verwirrten ‚Gesellschaftstheoretikern‘ und akademischen Quaksalbern
    missbraucht wird ? Oder braucht es ein radikales ‚Re-Branding‘, dass einen Neuanfang deutlich
    signalisiert ? Vielleicht kann die „Akademie für Soziologie“ dies leisten.

  4. Gregor Samsa sagt:

    Man möchte bei aller berechtigten Kritik an der „Akademie für Soziologie“ ihr doch keine Fürsprecher wie Martin Engelen wünschen. Oder vielmehr: Man möchte doch hoffen, dass seine krude Dekadenztheorie (die Soziologie ist von sozialen Outcasts unterwandert, die das Fach sozial dysfunktional machen) nicht ein Körnchen Wahrheit über die Motivationen der „Akademie“ enthält…

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