„Politische Gier“

„Die Gier“, das egoistische und rücksichtslose Verhalten, ist das Übel der Wirtschaftskrise, sagen all die, die nicht zwischen sozialen Strukturen und ihren Akteuren unterscheiden können, bzw. nur problematische Akteure sehen und keinen Sinn für Gesellschaftsstrukturen haben. Bestes Beispiel dafür ist die FDP mit all ihren Hampelmännern, die mit Händen und Füßen kämpfen, um ihre Ideologie zu retten. „Der Markt ist in Ordnung, das ist, liegt ja teilweise… überwiegend auch an den Managern“ ist von FDP MdBs zu hören (hier länger und lustiger).

Das Gier, als menschliche Eigenschaft, nicht Ursache des Übels sein kann liegt auf der Hand. Für „Gier“ gibt es, wie für jede andere Instanz menschlicher Motivation, keinen absoluten Maßstab. Alle Wertungen beruhen auf Ansichten, die auch anders ausfallen können, weshalb es sich lohnt, darüber politisch zu streiten. Man braucht sich aber keine Illusionen machen, darüber auch entscheiden zu können. Moralische Appelle in diesen Dimensionen haben nur die Funktionen, die zu besänftigen in deren Sinne gesprochen wird.

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Semantik wirkt (!!!)

Es gibt Soziologen (wie mich) die pfeifen auf jedwede Aussage von Menschen aus der Wirklichkeit. Erstens, weil „Mensch“ keine Kategorie ist, die etwas soziologisch darstellen kann, lässt sie sich auch noch so gut benennen, bezeichnen, zählen und vergleichen. Zweitens, weil ein human-tonaler Ausspruch zwar Wirklichkeit erzeugt, aber nie Realität widerspiegelt. Kurz: Gerede ist egal. Wer tatsächlich etwas über die Welt erfahren will, darf nicht die Menschen fragen sondern muss spartenspezifischer vorgehen. Für interessante, soziologisch entschlüsselbare gesellschaftliche Phänomene ist sehr selten werturteilendes, ideologiegeleitetes Gelaber von Bedeutung, viel mehr muss man faktische Geldströme, reines Abstimmungsverhalten oder zufällige Bekanntheitsgrade beobachten.

Solch ein Weltbild hilft ungemein durch den Alltag, man fragt sich, der Trugbildanfälligkeit von Semantik bewusst, aber umso mehr, wie alles überhaupt funktionieren kann, da andere Menschen auf Gerede soviel geben. Statistiken werden gefälscht, Bilanzen werden komponiert, Zukunft wird versprochen und Fakten werden erzeugt. Manchmal enteilt die semantische Wirklichkeit der faktischen Realität so sehr, dass sich die Einheit der Welt von ganz allein infrage stellt.

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Bayern – ein romantischer Rückblick

Die CSU erlebte Sonntag ein Debakel. Keine absolute Mehrheit mehr, eine abgetretene Parteispitze und viele betretene Gesichter. Der Einzige der sich freut ist wohl Horst Seehofer aber ihn wird die Realität schneller einholen als im Recht sein kann. Zusammengefasst: Bayern muss sich ganz neu orientieren und das Gespött von Restdeutschland über sich ergehen lassen.

In Bayern ist aber neben der CSU auch ein Demokratiemodel gescheitert, dass ich ähnlicherweise als das Modell von Politik ansehe, in dem ich am liebsten leben würde. Die drei wichtigsten Merkmale erfolgreicher Demokratie, die sich an der bayrischen Politikgeschichte wunderbar aufzeigen lassen, sind folgende: (1) Regionale Begrenzung, (2) Emotion statt Rationalität und (3) Personen- statt Programmpolitik. Hier die Begründungen:

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Polyeventualität in Reinform

Es ist nicht schwierig, eine strukturelle Kopplung zu erklären. Der schwierigste Teil ist immer, ein attraktives Beispiel zu finden, an dem sich die Theorie veranschaulichen lässt. Heute Morgen präsentierte sich ein neues Paradeszenario: Die EU-Anstrengungen zur Senkung der SMS-Roaming-Kosten.

Die theoretische Vorarbeit ist folgende: Jedes soziale, psychologische oder biologische System ist operativ geschlossen aber kognitiv offen. Operativ geschlossen bedeutet, dass jede Operation und damit jedes Ereignis gezwungen ist, in einem historischen Kontext zu stehen. Informationen dürfen nicht aus heiterem Himmel „erscheinen“, sondern müssen im Rahmen des Systems und seiner Vorgeschichte kontextualisiert, in Verhältnisse gesetzt, werden. Operativ geschlossene Systeme sind also nicht blind, sondern sie interessieren sich ganz bewusst nur für das, was für sie interessant oder nützlich erscheint.

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Geld, ein Kommunikationsmedium voller Tücke

Wenn Soziologen von „Medium und Form“ reden, benutzen sie zur Anschauung oft die Sprache. Als Medium der Sprache gelten die nackten 26 Buchstaben unseres Alphabets, aus denen sich unendlich viele Formen (Wörter) schöpfen lassen. Besonderer Wert wird darauf gelegt, dass sich ein Medium durch Benutzung weder abnutzt, noch verbraucht. Das Medium verweist auf Möglichkeiten, die sich in Formen manifestieren. Formen wiederum stellen immer einen Bezug zum zu Grunde liegenden Medium dar und verweise so auf andere, nur potenzielle, gegenwärtig nicht manifestierte, Formen.

Geld wird von eingefleischten Kennern als ein ebensolches Medium dargestellt. Eventuell muss man jedoch einige Abstriche machen – die Finanzkrise entblößt das Geldmedium gerade in entscheidenden Punkten.

1971 wurde unter Präsident Nixon die Kopplung von Dollar und Gold aufgehoben. Bis dahin, so stand es auf allen Dollarscheinen, war ein Dollar einen bestimmten Silber- oder Goldbetrag wert. Geld repräsentierte also einen substanziellen Wert. Wer mehr Geld wollte, musste in kalifornischen Bergbächen Gold finden und es dem Zahlungsverkehr zuführen. Diese Möglichkeit der Geldschöpfung ist natürlich auch heute noch möglich, da Gold 1971 nicht entwertet wurde, sondern nur seine Funktion als Wirtschaftsbasis verlor.

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Die Erblindung der Gesellschaft (update)

Was macht man eigentlich mit einem Mathematikstudium, wenn man lieber handfest arbeitet, anstatt philosophisch und zahlenfrei über den Grundproblemen zu brüten? Man heuert bestenfalls in einer Investmentbank oder einem Rückversicherer an. Der Einstieg geschieht wohl am ehesten über Erstversicherer und normale Banken. Bei ihnen errechnet man kundenspezifische Finanzströme, ermittelt Werte, legt Preise fest und gibt dann seinen Klienten über die eigenen Rechenergebnisse bescheid. In diesen Positionen ist man ein fachmännischer Finanzdienstleister für den kleinen und einzelnen Kunden.

Die angesprochene Ebene höher, bei Investmentbanken und Rückversicherern, sieht der Alltag ähnlich aber doch auch ganz anders aus. Man rechnet ebenfalls mit Zahlen, hat Klienten, errechnet Preise und legt Werte fest – nur eben nicht für den kleinen Einzelkunden, sondern für Gesellschaften, Märkte und Kollegen. Man spricht hier nicht mehr von Finanzdienstleistern sondern von Analysten.

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Bürgernahe Politik: „Provinziell und konservativ“ oder „gläubig“?

Wenn wir den amerikanischen Wahlkampf aus europäischer Fernsicht betrachten, fassen wir uns in regelmäßigen Abständen europäisch vernünftig an den Kopf. Zu haarsträubend sind Ansichten wie etwa, dass ein Krieg eine Aufgabe Gottes, Ehe gleichgeschlechtlich Liebender unnatürlich oder ein Krieg gegen Russland eine normale Option sein soll.

Wenn Europäer den amerikanischen Präsidenten wählen dürften, würden sie regelmäßig den Kandidaten der Demokraten wählen und ihn mit Ergebnissen, wie wir sie seit dem Ende der DDR nicht mehr kennen, ins Amt hieven und den republikanischen Kandidaten auf den Mond schießen.

Nun ist uns das leider nicht vergönnt. Wir bleiben fragend zurück und wundern uns, wie es möglich ist, dass John McCain die Wählerumfragen anführt. John Stewart bringt all diese Verwunderung gegen Mike Huckabee treffend zum Ausdruck, in dem er ihn fragt: „Do you fell like your Party is the only one [that] can fix the damage, that your Party has done?“ Als Profi stellt er sie so, dass Huckabee gar nicht mehr in Verlegenheit kommt, antworten zu müssen. (siehe hier)

Sind die Amerikaner tatsächlich so dumm? Ist ihre Weltsicht so eingeschränkt, dass sie nicht darüber nachdenken wollen, was die 2 Mrd. Dollar, die wöchentlich im Irak sprichwörtlich verpulvert werden, bedeuten könnten, wenn man sie im Inland, für sie, einsetzt?

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Politik als Saisonkraft

Ferien-, strohwitwer- und sensationsbedingt schaute ich die letzte Woche besonders viel TV. Eins der Themen, das sich selbst in die RTL-2 News empor gekämpft hat, war die gegenwärtige Entwicklung der politischen Lage in Deutschland. Die unvermeidlichen Politikerstatements förderten dabei kaum neues zu Tage, bündelten jedoch eine spezifische politische Weltsicht, der sich die Mehrheit der Parteien mehr oder weniger anschließen können, bzw. notgedrungen müssen.

(1) „Kommunismus“ ist ein akzeptiertes Schimpfwort. Das lernen wir besonders von Christian Wulff, der es tatsächlich bis zu drei mal pro Satz und dann in mehreren Sätzen hintereinander wiederholt. (2) „Wirtschaftliche Vernunft“ ist ein so hohes Gut, dass es unwidersprochen und unhinterfragt in den Raum einer politischen Diskussion geworfen werden darf. Das lernte ich von Guido Westerwelle. (Wer den Links folgt, möge sich zusätzlich Hubertus Heils Autosuggestions-Voodo-Semantik anschauen, mit der er sich einredet, seine Partei sei jetzt „hervorragend aufgestellt“ mit einem Kandidaten der „Kanzler kann“. ;-)

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Wirtschaft und Wissenschaft – das passt nicht! (update)

Wenn ich einen wissenschaftlichen Text lese, beginne ich nach dem Titel mit dem Inahltsverzeichnis, dass gibt den ersten thematischen Überblick. Als zweites folgt der Blick in die angegebene Literatur, dies gibt Aufschluss über den Kontext der Studie, die Autoren und den Inhalt. Als drittes folgt das Lesen des ausgewiesenen Abstracts, durch das sich letzlich klärt, ob ich in den Text der Arbeit selbst einsteige.

Heute morgen verwies mich meine Morgenlektüre auf eine wissenschaftliche Studie, in der angeblich behauptet wird, dass der Hartz IV Monatssatz im Vergleich zu seinem Ziel, der Grundsicherung, zu hoch bemessen sei. Man könne dieses Ziel auch mit Monatssätzen von 132 Euro für Erwachsene und 79 Euro für Kinder erreichen.

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Zur Symmetrie der Funktionssysteme

Wenn man die luhmannsche Systemtheorie in den Punkten, in denen sie Gesellschaft beschreibt, abstrakt und streng auslegt, sich also von Empirie nicht allzu sehr verunsichern lässt und eher auf der Suche nach symmetrischer Harmonie ist, kommt man schnell zu dem Gesellschaftsbild, das gleichrangige und unterschiedliche, mit klaren Grenzen versehene Funktionssysteme beschreibt, die sich evolutionär und damit nicht beliebig, sondern funktionsorientiert ausdifferenzierten. „Ausdifferenzierung“ nimmt dabei Bezug auf die Zeit und verweist auf einen gleichen Ursprung und Gründe für die Entwicklung.

Man findet in Bruchstücken auf ein paar Texte verteilt Hinweise, wie diese Funktionssysteme genauer zueinander stehen. Eigentlich sagt man: „die Funktionssysteme gleichen sich in ihrer Ungleichheit“. Das ist kein Zitat, sondern ein geliebter Spruch derjenigen, die sich mit geliebten Sprüchen zufrieden geben. In die unterstellte, funktionsorienterte „Symmetrie der Gesellschaft“ einzusteigen ist nicht einfach, Luhmann selbst hat dazu wenig aber mindestens an einer Stelle Denkwürdiges geschrieben. In „Die Realität der Massenmedien“ schreibt er (S. 175): „Die Aufteilung kognitiv / normativ auf Wissenschaft und Recht kann jedoch niemals  den gesamten Orientierungsbedarf gesellschaftlicher Kommunikation unter sich aufteilen und damit abdecken.“

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Tödliche Lebenszeichen der Politiker

Geschichte wird und wurde von Helden gemacht. Dies ist ein allgegenwärtiges Verständnis, das hier gar nicht infrage gestellt werden soll. Es ist selbstverständlich, dass neben den Personen und ihren Handlungen ebenfalls Organisation, Umstände, besondere Bedingungen, Gelegenheiten usw. Rollen spielen, die letztlich Geschichte gestalten. Im Gedächtnis bleiben allerdings überwiegend die Helden und ihre Taten.

„Person“ und „Handlung“ sind die beiden Kriterien, die im Wirrwarr der Zeit den Unterschied machen und Situationen über die Maßen markieren. Wir kennen Ceasar, Hitler, Kennedy und Alexander den Großen. Daneben Menschen wie Juri Gagarin, Albert Einstein, Sean Connery und David Beckham.

Die erste Namensreihe besteht aus berühmten und berüchtigten Politikern der letzten 2000 Jahre, die zweite Namensreihe aus berühmten Menschen, die das letzte Jahrhundert wirkten. Politiker für die Ewigkeit zu konservieren war also viel einfacher. Wahrscheinlich mussten für die Nicht-Politiker erst die Kapazitäten der modernen Verbreitungsmedien erfunden werden, damit ihnen das zuteil wird, was Politiker schon immer in Anspruch nehmen konnten: Ruhm und Ehre.

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Funktion und Folgen von Fördervereinen

Dieser Tage beginnt für viele Kinder der schulische Ernst des Lebens. Für viele andere wird er in weiterführenden Schulen noch einmal verschärft. Was für die Kinder mit neuen Belastungen einhergeht, sollte für Eltern eigentlich mit Entlastung verbunden sein. Kinder in staatlicher Obhut, das gibt wieder Freiraum für das eigene Leben.

Seit etwa (grob geschätzten) 15 Jahren sind es jedoch nicht nur die Kinder, die eingeschult werden, sondern in Maßen auch wieder deren Eltern. Kaum eine deutsche Einschulungszeremonie kommt dieser Tage ohne die Bitten um elterliches Engagement und die Vorstellung des Fördervereins der Schule aus.

Und es sind gerade die Einschulungsveranstaltungen, die genutzt werden, Eltern mit Mitgliedschaftsanträgen für Fördervereine zu überrumpeln. Wahrscheinlich, weil die Stimmung gut und der Gruppenzwang ausgeprägt ist. Wenn die Umgebung neu ist, orientiert man sich an den anderen. Wenn so das erste Elternpaar vor den Augen der anderen im Sack ist, lassen sich die anderen leicht nachziehen. Wer wollte an diesem wichtigen Tag schon Widerworte geben – geht ja auch nur um 10 Euro.

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