Das Technologiedefizit des Wirtschaftssystems

Es gibt keine Ursache für die aktuelle Finanzkrise. Es gibt auf jeden Fall eine Finanzkrise, die sich zur weltweiten Wirtschaftskrise ausdehnt und es gibt gut ebenso angebbare Gründe für das Zusammenbrechen des Finanzsystems, seien es unfassbar große Lügen oder unfassbar große Gier.  Aber es gibt keine Ursache für den Kollaps. Und damit gibt es auch keine Lösung für das Problem. Begreiflich wird dieser Umstand erst, wenn man die aktuelle Finanzkrise vor dem Hintergrund des Technologiedefizits des Wirtschaftssystems betrachtet.

Der Begriff des Technologiedefizits wurde von Niklas Luhman und Karl E. Schorr entwickelt, um die Unmöglichkeit planbarer Einwirkung auf menschliche Entwicklungs- und Bildungsprozesse durch erzieherische Maßnahmen darzustellen. Der Begriff wird daher meist in der Pädagogik, bzw in der Analyse des Erziehungssystems verwendet, obwohl ihm ein – wie für die Systemtheorie typisch – allgemeiner Gedankengang vorausgeht, der alle sozialen Systeme betrifft und bestens auf den Zusammenbruch der Finanzmärkte angewendet werden kann.

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Vertrauenskrise? Die 45-Billionen-Dollar-Lüge

In den Medien ist aktuell überall die Rede davon, dass die Börsenlage einen ausgetrockneten Kreditmarkt zwischen den Banken geschuldet ist, dies wiederum sei auf einen Vertrauensverlust zurückzuführen.

Hier mal die Wahrheit: Die Akteure der Finanzwirtschaft wissen gar nicht, was Vertrauen ist, da sie es bereits vor etwa einem Jahrzehnt abgeschafft haben. Vertrauen ist, ganz ursprünglich gedacht, der grundlegende Mechanismus, der greift, wenn durch Kontinuität Vereinfachungen akzeptiert werden. Man erwartet, dass das zwanzigste Ereignis, wie die neunzehn vorherigen ablaufen. Man erwartet von seiner Familien Unterstützung, von Freunden Freude und von Gegnern Missbilligung. Vertrauen stützt Erwartungen, positive wie negative. Allerdings bleibt Vertrauen normalerweise immer unbestimmt und diffus, basiert auf Intuition und ist an Personen gebunden. Seit die Welt komplizierter wurde, spielte auch Systemvertrauen eine Rolle, aber grundsätzlich unterscheidet es sich vom beschriebenen Personenvertrauen nicht. Solange wir nicht erfolgreich in die Zukunft gucken können, brauchen wir Vertrauen.

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„Politische Gier“

„Die Gier“, das egoistische und rücksichtslose Verhalten, ist das Übel der Wirtschaftskrise, sagen all die, die nicht zwischen sozialen Strukturen und ihren Akteuren unterscheiden können, bzw. nur problematische Akteure sehen und keinen Sinn für Gesellschaftsstrukturen haben. Bestes Beispiel dafür ist die FDP mit all ihren Hampelmännern, die mit Händen und Füßen kämpfen, um ihre Ideologie zu retten. „Der Markt ist in Ordnung, das ist, liegt ja teilweise… überwiegend auch an den Managern“ ist von FDP MdBs zu hören (hier länger und lustiger).

Das Gier, als menschliche Eigenschaft, nicht Ursache des Übels sein kann liegt auf der Hand. Für „Gier“ gibt es, wie für jede andere Instanz menschlicher Motivation, keinen absoluten Maßstab. Alle Wertungen beruhen auf Ansichten, die auch anders ausfallen können, weshalb es sich lohnt, darüber politisch zu streiten. Man braucht sich aber keine Illusionen machen, darüber auch entscheiden zu können. Moralische Appelle in diesen Dimensionen haben nur die Funktionen, die zu besänftigen in deren Sinne gesprochen wird.

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Semantik wirkt (!!!)

Es gibt Soziologen (wie mich) die pfeifen auf jedwede Aussage von Menschen aus der Wirklichkeit. Erstens, weil „Mensch“ keine Kategorie ist, die etwas soziologisch darstellen kann, lässt sie sich auch noch so gut benennen, bezeichnen, zählen und vergleichen. Zweitens, weil ein human-tonaler Ausspruch zwar Wirklichkeit erzeugt, aber nie Realität widerspiegelt. Kurz: Gerede ist egal. Wer tatsächlich etwas über die Welt erfahren will, darf nicht die Menschen fragen sondern muss spartenspezifischer vorgehen. Für interessante, soziologisch entschlüsselbare gesellschaftliche Phänomene ist sehr selten werturteilendes, ideologiegeleitetes Gelaber von Bedeutung, viel mehr muss man faktische Geldströme, reines Abstimmungsverhalten oder zufällige Bekanntheitsgrade beobachten.

Solch ein Weltbild hilft ungemein durch den Alltag, man fragt sich, der Trugbildanfälligkeit von Semantik bewusst, aber umso mehr, wie alles überhaupt funktionieren kann, da andere Menschen auf Gerede soviel geben. Statistiken werden gefälscht, Bilanzen werden komponiert, Zukunft wird versprochen und Fakten werden erzeugt. Manchmal enteilt die semantische Wirklichkeit der faktischen Realität so sehr, dass sich die Einheit der Welt von ganz allein infrage stellt.

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Polyeventualität in Reinform

Es ist nicht schwierig, eine strukturelle Kopplung zu erklären. Der schwierigste Teil ist immer, ein attraktives Beispiel zu finden, an dem sich die Theorie veranschaulichen lässt. Heute Morgen präsentierte sich ein neues Paradeszenario: Die EU-Anstrengungen zur Senkung der SMS-Roaming-Kosten.

Die theoretische Vorarbeit ist folgende: Jedes soziale, psychologische oder biologische System ist operativ geschlossen aber kognitiv offen. Operativ geschlossen bedeutet, dass jede Operation und damit jedes Ereignis gezwungen ist, in einem historischen Kontext zu stehen. Informationen dürfen nicht aus heiterem Himmel „erscheinen“, sondern müssen im Rahmen des Systems und seiner Vorgeschichte kontextualisiert, in Verhältnisse gesetzt, werden. Operativ geschlossene Systeme sind also nicht blind, sondern sie interessieren sich ganz bewusst nur für das, was für sie interessant oder nützlich erscheint.

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Geld, ein Kommunikationsmedium voller Tücke

Wenn Soziologen von „Medium und Form“ reden, benutzen sie zur Anschauung oft die Sprache. Als Medium der Sprache gelten die nackten 26 Buchstaben unseres Alphabets, aus denen sich unendlich viele Formen (Wörter) schöpfen lassen. Besonderer Wert wird darauf gelegt, dass sich ein Medium durch Benutzung weder abnutzt, noch verbraucht. Das Medium verweist auf Möglichkeiten, die sich in Formen manifestieren. Formen wiederum stellen immer einen Bezug zum zu Grunde liegenden Medium dar und verweise so auf andere, nur potenzielle, gegenwärtig nicht manifestierte, Formen.

Geld wird von eingefleischten Kennern als ein ebensolches Medium dargestellt. Eventuell muss man jedoch einige Abstriche machen – die Finanzkrise entblößt das Geldmedium gerade in entscheidenden Punkten.

1971 wurde unter Präsident Nixon die Kopplung von Dollar und Gold aufgehoben. Bis dahin, so stand es auf allen Dollarscheinen, war ein Dollar einen bestimmten Silber- oder Goldbetrag wert. Geld repräsentierte also einen substanziellen Wert. Wer mehr Geld wollte, musste in kalifornischen Bergbächen Gold finden und es dem Zahlungsverkehr zuführen. Diese Möglichkeit der Geldschöpfung ist natürlich auch heute noch möglich, da Gold 1971 nicht entwertet wurde, sondern nur seine Funktion als Wirtschaftsbasis verlor.

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Die Erblindung der Gesellschaft (update)

Was macht man eigentlich mit einem Mathematikstudium, wenn man lieber handfest arbeitet, anstatt philosophisch und zahlenfrei über den Grundproblemen zu brüten? Man heuert bestenfalls in einer Investmentbank oder einem Rückversicherer an. Der Einstieg geschieht wohl am ehesten über Erstversicherer und normale Banken. Bei ihnen errechnet man kundenspezifische Finanzströme, ermittelt Werte, legt Preise fest und gibt dann seinen Klienten über die eigenen Rechenergebnisse bescheid. In diesen Positionen ist man ein fachmännischer Finanzdienstleister für den kleinen und einzelnen Kunden.

Die angesprochene Ebene höher, bei Investmentbanken und Rückversicherern, sieht der Alltag ähnlich aber doch auch ganz anders aus. Man rechnet ebenfalls mit Zahlen, hat Klienten, errechnet Preise und legt Werte fest – nur eben nicht für den kleinen Einzelkunden, sondern für Gesellschaften, Märkte und Kollegen. Man spricht hier nicht mehr von Finanzdienstleistern sondern von Analysten.

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Politik als Saisonkraft

Ferien-, strohwitwer- und sensationsbedingt schaute ich die letzte Woche besonders viel TV. Eins der Themen, das sich selbst in die RTL-2 News empor gekämpft hat, war die gegenwärtige Entwicklung der politischen Lage in Deutschland. Die unvermeidlichen Politikerstatements förderten dabei kaum neues zu Tage, bündelten jedoch eine spezifische politische Weltsicht, der sich die Mehrheit der Parteien mehr oder weniger anschließen können, bzw. notgedrungen müssen.

(1) „Kommunismus“ ist ein akzeptiertes Schimpfwort. Das lernen wir besonders von Christian Wulff, der es tatsächlich bis zu drei mal pro Satz und dann in mehreren Sätzen hintereinander wiederholt. (2) „Wirtschaftliche Vernunft“ ist ein so hohes Gut, dass es unwidersprochen und unhinterfragt in den Raum einer politischen Diskussion geworfen werden darf. Das lernte ich von Guido Westerwelle. (Wer den Links folgt, möge sich zusätzlich Hubertus Heils Autosuggestions-Voodo-Semantik anschauen, mit der er sich einredet, seine Partei sei jetzt „hervorragend aufgestellt“ mit einem Kandidaten der „Kanzler kann“. ;-)

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Der Placebo-Effekt des politischen Systems

Über die „zivilisierende“ Wirkung der Ökonomisierung von unlösbaren Problemen

Wer kennt das Problem nicht: Es ist Ende des Monats und das Konto ist leer? Jeder Ökonom hat dafür eine rationale Lösung. Kostendeckung heißt das böse Wort, das uns für das leidende Sparen in der Gegenwart den erlösenden Konsum in der Zukunft verspricht. Für das politische System bestehen die gleichen, restriktiven Kalküle wie in privaten Haushalten und wirtschaftlichen Organisationen. Für den Staat als politische Organisation lauten die zwei Prinzipien der Kostendeckung: Steuern rauf oder Ausgaben runter. Doch wie soll ein moderner Wohlfahrtsstaat über die Bedingungen von Zahlung und Nicht-Zahlung entscheiden, wenn seine Maxime in einer pareto-optimalen Wohlfahrtssteigerung besteht?

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Im Heute leben, aber über gestern reden

Tiere sind alle Autisten. Sie leben einfach vor sich hin, fressen, laufen herum, spielen mit den Gegenständen die ihnen vor ihrer Nase rumkullern und wissen heute nicht was sie morgen tun werden. Sie können nicht wirklich planen, sie sind der Welt zu sehr ausgeliefert, als das sie sich die Natur zum Untertan machen könnten. Sie sind an ihr Schicksal gebunden.

Und das alles nur, weil sie nicht reden können. So klug sie auch sein mögen, sie können sich nicht koordinieren, weil sie sich nicht verstehen. Beim Menschen ist das anders, er muss sich nicht zerfleischen, wenn er sich selbst begegnet – er kann miteinander reden und sich verständigen, z.B. darüber das der Eintritt ins eigene Territorium was kostet. Das hat Vorteile für beide, der eine überlebt und der andere wird reich.

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Funktion und Leistung …

… sind zwei Paar Schuhe, wenn man Niklas Luhmann Glauben schenken möchte („Politische Theorie im Wohlfahrtsstaat“, Olzog 1981). In gesellschaftstheoretischer Perspektive skizziert er die moderne Gesellschaft anhand der Ausdifferenzierung gleichrangiger Funktionssysteme.

Die „Funktion“ von Teilsystemen wie der Politik, des Rechts, der Wissenschaft oder des Erziehungssystems – gemeinhin als „Bildungssystem“ bezeichnet – beschreibe ihr Verhältnis zum Ganzen, der Gesellschaft. Das politische System übernimmt die Bereitstellung von Durchsetzungsfähigkeit für kollektiv verbindliche Entscheidungen.

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Ein Kopf muss rollen

Wie Organisationen ihre Strukturen „schmerzlos“ ändern

„Unser Unternehmen will die Globalisierung mitgestalten.“ Dieses Ziel gab der neue Vorstandsvorsitzende letzte Woche bekannt. In seiner Drei-Monats-Bilanz unterstrich er: „Wir alle leben in einer Welt, die sich mit großer Dynamik verändert. Wir wollen ein Unternehmen sein, das an diesem Veränderungsprozess mitwirken möchte.“ In seiner Amtszeit hat er bereits Schritte eingeleitet, um dieses Ziel zu erreichen: „Wir haben die Organisationsstruktur den neuen Anforderungen angepasst, haben Projekte, Inhalte und Ressourcen gebündelt. Was wir als Unternehmen tun, muss Menschen nutzen.“ Dieser Schwerpunkt wird auch im neuen Claim deutlich: „Menschen motivieren. Zukunft verbessern.“

Die Mitarbeiter des Unternehmens werden sich vermutlich fragen, welche Konsequenzen der anvisierte organisationale Wandel der neuen Führung für sie haben wird, und inwiefern dieser ihr Verhalten bzw. ihre Arbeit beeinflussen wird. Bleibt Frau Müller noch Leiterin des Teams? Wird das bewilligte Projekt zum „Strategic Leadership“ nicht mehr fortgesetzt werden?

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