Create your Campus – Die Eventisierung der Hochschule

An der Universität Bayreuth ist ein Ideenwettbewerb mit dem Titel „Create your Campus“ ausgeschrieben. Geworben wird mit folgendem Pressetext: „Was brauchst du, damit dein Lern- und Lebensumfeld optimal ist? Wenn du deine Universität neu erfinden und gestalten dürftest, was würde auf keinen Fall fehlen? Überzeuge uns von deiner Vision und gemeinsam erwecken wir sie zum Leben.“ Diese und andere Aktionen und Events – wie der „Bayreuther Ökonomiekongress“, die „Bayreuther Debatten reloaded“, die Ausrichtung des „DLD Campus“ oder  der „Unistrand“ – sollen das universitäre Leben bereichern und eine Brücke zur Welt außerhalb des Campus bauen. „Partizipation“, „Innovation“, „Wettbewerb“, „Kreativität“, „Demokratie“ und „Meinungspluralismus“ sind Stichworte der Diskussion.[1]

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Falsche Töne

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Es gibt ein ungeschriebenes Gesetz. Das Publikum interessiert sich nicht für den Eurovision Song Contest — erst recht nicht für die nationalen Vorentscheide und die Halbfinals — treibt dann am Tag der Entscheidung aber aus Spaß trotzdem die Einschaltquoten und Telefonrechnungen in die Höhe und erträgt den Traditionsklamauk in Gemeinschaft und mit Alkohol, angereichert durch die zarte Freude, dass Europa doch irgendwo funktioniert.

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Wer hat wozu und wieso überhaupt „Zeitungen“?

Zur Einstimmung bitte auch folgenden verlinkten Text lesen, um zu überprüfen, welcher von beiden sinnloser ist: http://www.zeit.de/zeit-wissen/2009/04/Kiosk-Schluss-Mit

Es ist eine allgemeine Qual, Therapeuten sind entsetzt und eigentlich wissen wir es alle. Man erahnt es instinktiv und dennoch begegnet man demselben Frevel überall. Ca. 20 Mio. Menschen, vorrangig Männer, verbringen ihr Leben in Familien, verheimlichen jedoch, dass sie in Wahrheit allenfalls, sofern überhaupt, physisch anwesend sind. Geistig schwirren sie durch die Welt, verbringen Zeit in Gedanken und verstecken sich hinter quadratmetergroßen Papierzetteln, die sie moralisch aufgeladen als „Lektüre“ oder „Zeitung“ ohne weitere Erklärung höher als ihre Familien und Freunde bewerten.

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Zur Dynamik der Wissensgesellschaft

Oder: die Mythen der Bildungsforschung

Ich werde niemanden damit überraschen, wenn ich schreibe, dass wir in einer Wissensgesellschaft leben, deren gesellschaftlicher, organisationaler und individueller Wandel immer schneller voranschreitet und in der wissensbasierte Qualifikationen und lebenslanges Lernen von höchster Priorität sind, um den mehrdimensionalen Wandel nicht nur zu bewältigen, sondern auch gestalten zu können. Jeder kann und darf unhinterfragt behaupten, dass wir es mit einer dynamischen Wissensgesellschaft zu hätten. Die fraglose Verbreitung dieser beiden gesellschaftlichen Mythen überrascht mich allerdings jedes mal aufs Neue. Wer oder was ist denn die „Wissensgesellschaft“ und wo ist der Tacho, auf dem man die zunehmende Geschwindigkeit des gesellschaftlichen Wandels ablesen kann?

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Politik als Saisonkraft

Ferien-, strohwitwer- und sensationsbedingt schaute ich die letzte Woche besonders viel TV. Eins der Themen, das sich selbst in die RTL-2 News empor gekämpft hat, war die gegenwärtige Entwicklung der politischen Lage in Deutschland. Die unvermeidlichen Politikerstatements förderten dabei kaum neues zu Tage, bündelten jedoch eine spezifische politische Weltsicht, der sich die Mehrheit der Parteien mehr oder weniger anschließen können, bzw. notgedrungen müssen.

(1) „Kommunismus“ ist ein akzeptiertes Schimpfwort. Das lernen wir besonders von Christian Wulff, der es tatsächlich bis zu drei mal pro Satz und dann in mehreren Sätzen hintereinander wiederholt. (2) „Wirtschaftliche Vernunft“ ist ein so hohes Gut, dass es unwidersprochen und unhinterfragt in den Raum einer politischen Diskussion geworfen werden darf. Das lernte ich von Guido Westerwelle. (Wer den Links folgt, möge sich zusätzlich Hubertus Heils Autosuggestions-Voodo-Semantik anschauen, mit der er sich einredet, seine Partei sei jetzt „hervorragend aufgestellt“ mit einem Kandidaten der „Kanzler kann“. ;-)

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Tödliche Lebenszeichen der Politiker

Geschichte wird und wurde von Helden gemacht. Dies ist ein allgegenwärtiges Verständnis, das hier gar nicht infrage gestellt werden soll. Es ist selbstverständlich, dass neben den Personen und ihren Handlungen ebenfalls Organisation, Umstände, besondere Bedingungen, Gelegenheiten usw. Rollen spielen, die letztlich Geschichte gestalten. Im Gedächtnis bleiben allerdings überwiegend die Helden und ihre Taten.

„Person“ und „Handlung“ sind die beiden Kriterien, die im Wirrwarr der Zeit den Unterschied machen und Situationen über die Maßen markieren. Wir kennen Ceasar, Hitler, Kennedy und Alexander den Großen. Daneben Menschen wie Juri Gagarin, Albert Einstein, Sean Connery und David Beckham.

Die erste Namensreihe besteht aus berühmten und berüchtigten Politikern der letzten 2000 Jahre, die zweite Namensreihe aus berühmten Menschen, die das letzte Jahrhundert wirkten. Politiker für die Ewigkeit zu konservieren war also viel einfacher. Wahrscheinlich mussten für die Nicht-Politiker erst die Kapazitäten der modernen Verbreitungsmedien erfunden werden, damit ihnen das zuteil wird, was Politiker schon immer in Anspruch nehmen konnten: Ruhm und Ehre.

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Google ist nicht subjektiv

Fast jeder Internetnutzer kennt die Google-Suche und die meisten benutzen sie auch. In Deutschland hat der Konzern bei der Internetsuche so einen großen Marktanteil (rechts unten „Suchmaschinen“ auswählen), dass man getrost von einem Monopol sprechen kann. Monopole sind nicht nur aus marktwirtschaftlicher Sicht bedenklich. Denn Google’s Suchergebnisse sind in der Regel das Tor zu bisher unbekannten Informationen aus dem Internet. Und der Türsteher bestimmt bekanntlich, wer rein kommt und wer vor der Tür abgewiesen wird. Das Bild des Türstehers in Verbindung mit Google ist geläufig, aber bei genauerer Betrachtung nicht treffend. Denn es ist ja so, dass Google niemanden abweist, der auf der Suche nach Informationen ist. Google hat es jedoch in der Hand, welche Informationen es sind, die auch angezeigt werden. Die Suche übernimmt daher eher die Aufgabe eines Partnervermittlers und bestimmt, wer dem Suchenden als erstes und wer als ihm als letztes vorgeschlagen wird. Und statistische Auswertungen zeigen, dass die erste Empfehlung auch diejenige ist, die am häufigsten angenommen wird. Wer nicht unter den ersten 10 Suchtreffern zu finden ist, der führt ein Leben zweiter Klasse. Aber der Weltmarktführer hat beim Sortieren der Informationen keine bösen Absichten. „Don’t be evil“ schreibt sich Google selbst auf die Fahnen. Kritische, ängstliche oder unabhängige Geister mag das kaum beruhigen. Denn zu jeder Unterscheidung gehört die andere Seite. Und welche Seite als die gute bezeichnet wird, das ist nun mal vom Beobachter abhängig. So können die guten Absichten des Suchmaschinengiganten durchaus den Schaden für andere bedeuten. Zensur im Auftrag der chinesischen Gutmenschen, die ein ganzes Volk unterdrücken, ist aus Google’s Perspektive nicht böse. Dieser Kampf ist jedoch ausgefochten, Google zensiert weiter fleißig und ist dennoch in den Augen der meisten Nutzer auf der Seite des Guten zu verorten. Aber wie schafft Google das? Weiterlesen →

„Weil wir sie nicht mögen, nennen wir sie »Experten«…“

Man hört und sieht sie täglich in Funk und Fernsehen. Ihre Kommentare und Analysen schmücken die Hochglanzbroschüren in den Presseshops und Bahnhofskiosken. Und dennoch: Wer von ihnen, obwohl er so dargestellt wird, tatsächlich auch einer ist – das bleibt dem Laien verborgen.

Von Experten und EXPERTEN

Genauso wie bei »Künstlern«, »Könnern« und »Kollegen«, haben wir es bei der Bezeichnung des »Experten« mit einem äußerst ambivalenten Sprachgebrauch zu tun. Ernsthaftigkeit und Ironie liegen meist dicht beisammen. Da fällt es oft schwer, einen klaren Kopf zu wahren. Weil es ohne »Experten« aber gerade in der Politik „nicht geht“, wollen wir uns im Folgenden vergewissern, wer wer ist. Weiterlesen →

Der Placebo-Effekt des politischen Systems

Über die „zivilisierende“ Wirkung der Ökonomisierung von unlösbaren Problemen

Wer kennt das Problem nicht: Es ist Ende des Monats und das Konto ist leer? Jeder Ökonom hat dafür eine rationale Lösung. Kostendeckung heißt das böse Wort, das uns für das leidende Sparen in der Gegenwart den erlösenden Konsum in der Zukunft verspricht. Für das politische System bestehen die gleichen, restriktiven Kalküle wie in privaten Haushalten und wirtschaftlichen Organisationen. Für den Staat als politische Organisation lauten die zwei Prinzipien der Kostendeckung: Steuern rauf oder Ausgaben runter. Doch wie soll ein moderner Wohlfahrtsstaat über die Bedingungen von Zahlung und Nicht-Zahlung entscheiden, wenn seine Maxime in einer pareto-optimalen Wohlfahrtssteigerung besteht?

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