Wer braucht wozu und wieso überhaupt Piraten?

Zur Bundestagswahl 2009 waren die Piraten eher Protestbewegung als politische Partei, männliche Erstwähler wählten sie damals mit 13 Prozent. Nun, ein Jahr vor der nächsten Bundestagwahl, erweiterten sie das deutsche landesparlamentarische Parteienspektrum inzwischen um 19 Piraten-Abgeordnete. Aber: 94 Prozent der Menschen, die im Saarland tatsächlich Piraten wählten, bestätigen auf Nachfrage den Satz: „Die Piraten sind eine gute Alternative für die, die sonst gar nicht wählen würden“. Und 85 Prozent der Wähler, die tatsächlich Piraten wählten, sagen: „Man könne jetzt, da die Regierung praktisch schon feststeht, auch mal eine andere Partei wählen, die sonst nicht infrage kommt.“ Es sind beeindruckende Zahlen.

Weiterlesen →

Willkommen Hollande

In der internationalen Politik gibt es zwei Gebote, die lange in Verbindung mit dem Wort Ehrenkodex benutzt wurden. Das eine Gebot besagt, dass ein Staats- oder Regierungschef öffentlich nicht im Namen eines Kollegen sprechen soll. Das andere Gebot besagt, dass sich eine Regierung nicht in die inneren Angelegenheiten eines anderen Landes einmischen darf. Das Befolgen der Gebote gilt als politisch tugendhaft. Im politischen Alltag Europas wird das politisch-tugendhafte Handeln aber offenbar immer schwerer.

Weiterlesen →

Die gottlose Religion der Gottverlassenen

Eine Milliarde Menschen leben auf der Welt in totalen sozialen Netzwerken. Ihr Alltag hängt fast ausschließlich vom unmittelbaren sozialen Miteinander ab. Das Leben in diesen Slums unterscheidet sich in fast allen Bereichen vom westlichen Lebensstil, in dem der Begriff des sozialen Netzwerks Beliebigkeit und Freude mit dem Internet bedeutet. Und auch hier nähert man sich der Milliarde. Facebook steht kurz vor diesem Meilenstein, von dem niemand weiß, was er wirklich bedeutet.

Weiterlesen →

Des Soziologen guter Freund, der Taxifahrer

Jetzt, da ich gerade diesen nichtssagenden Text lese, muss ich an zwei Dinge denken, die jeden Bielefelder Soziologiestudenten betreffen – oder besser: plagen. Denn wo immer man auf Menschen trifft, die den Anforderungen gemütlicher Geselligkeit nicht gewachsen sind und das Thema Wetter schon hinter sich haben, kommt man darauf zu sprechen: (1) Bielefeld gibt’s doch gar nicht und (2) Was willst du nach dem Studium machen? Taxifahren in einer Stadt, die es nicht gibt? Hahaha.

Weiterlesen →

Deine Meinung zählt! Massenmedien als riskante Meinungsmärkte

Gezahlt wird mit prekärer Aufmerksamkeit. Über Methoden, Gewinne und Verluste der eigenen Selbstvergewisserung

Überall wird nach Meinungen gesucht. Ob man den Supermarkt, die Universität, das Kirchengemeindehaus, das Museum oder das Bürgerbüro seiner Stadt betritt, irgendwo findet sich immer ein verstaubter Kummerkasten, ein zu langer Fragebogen oder ein unlesbares Gästebuch. Aber schon lange geht es hier nicht mehr nur um mitmachen und gewinnen, sondern sozial viel folgenreicher: um Achtung, Missachtung und Verachtung.

Früher kannte man Abstimmungsprozesse fast ausnahmslos vom letzten Wahlgang. Heute ist jeder Tag ein Wahltag. Nicht nur die Marktforschungsinstitute veröffentlichen fast täglich neue Stimmungsbilder und Produktbarometer. Im Netz wimmelt es von Befragungstools über den Rücktritt von Politikern, über den neuesten Hit, das coolste Outfit oder die günstigste Krankenversicherung. Während Wahl- und Parteienforschung regelmäßig über sinkende Wählerquoten und wachsende Politikverdrossenheit klagen, kann von Meinungsverdrossenheit keine Rede sein. Weiterlesen →

23 Prozent

Die Daily Show zu Foxconn, mit Dank für den Hinweis an Hans Hütt, der dies meinem letzten Text nachtrug. Man muss nicht mehr dazu sagen, die Kontrastierung der US-Wahlkampfversprechen mit der Realität reichen. Man könnte aber noch seitenlang darüber schreiben, welche Individualitäts-, Freiheits-, und Selbstverwirklichungsversprechen über diese Technologie propagiert werden, während eben genau das Gegenteil zutrifft.

„supposed to be fair“

Vergangene Woche fand in Bielefeld eine Tagung mit dem Titel „Dealing with the Disasters of Others“ statt*. Darin gab es einen Vortrag des britischen Historikers Stephen Mosley über „Disaster in Slow Motion„. In englischen Städten starben zum Ende des 19. Jahrhunderts etwa 100 von 100.000 Menschen an Bronchitis, weil die Städte von den Industrieanlagen und privaten Schornsteinen zugequalmt waren. Die Todesrate durch Luftverschmutzung war zwanzig Mal so hoch wie zu gleicher Zeit in anderen europäischen Ländern. Die Luftverschmutzung war fünfmal tödlicher als Krankheiten und Epidemien, um die sich damals die Medizin bereits im industriellen Maßstab kümmerte. 1905 hat man aus Fog und Smoke das Wort Smog geschöpft. Und am interessantesten: Der Zeitgeist hat diesen Zustand honoriert. Auf Panorama-Postkarten wurde der Smog betont, es gab Gedichte über „schmutzige Städte, die gedeihen“ und den „profitable dirt“, weil man sich darauf einigte: „Where There’s Smoke, There’s Money“.

Weiterlesen →

Glaubwürdigkeit – woher und wozu?

Christian Wulffs Schöner-Leben-Affäre steht stellvertretend für vieles, was derzeit nicht mehr richtig funktioniert oder immer nur sehr merkwürdig funktionierte und diese Merkwürdigkeit nun offenbart: Politiker müssen sich in ihrer Karriere gegen Parteikollegen durchsetzen, werden aber nur im Hinblick auf ihren Dienst für die Partei beobachtet; Im Parlament kämpfen Parteien gegeneinander für das Gemeinwohl. Die Demokratie ist im Großen und Ganzen ein schönes, echtes Märchen – auf einem schwierigem Weg bleibt man beim Glauben an ein Happy End.

Weiterlesen →

Männer denken zu viel, Frauen träumen zu viel

Man kann es immer übertreiben, gerade in der Liebe.

Na gut, nehmen wir einmal an, sie hat hiermit recht: Die ‚neuen Männer‘ sind rücksichtsvoll verlegen, mutlos und durch ständiges Denken in ihren Taten gehemmt. Was wäre die Konsequenz? Soll man es als Plädoyer lesen, als Mann (wieder?) tatkräftig, undurchdacht und fordernd mit Frauen umzugehen?

Weiterlesen →

Burn-Out-Diagnosen

Zwischen Fremd- und Selbstausbeutung – Ein Plädoyer für eine dritte Beobachtungsebene und einen ersten Ausweg

Es sind die sadistischen Auszüge der modernen Leistungsgesellschaft, so die umlaufende Erklärung für die Diagnose eines neu bezeichneten Phänomens: Burn-Out. Eine Nation ist plötzlich ausgelaugt, überlastet und überfordert. Als Rezept gegen die neue Volkskrankheit wird ein Cry-Out verschrieben. Empört Euch! gegenüber einer geldgeilen Gesellschaft, die den kapitalistischen Raubbau an der Marke Arbeitskraft salonfähig gemacht hat.

Weiterlesen →

Die Roboter kommen

Es ist ein guter Text und eine interessante Diskussion: Was macht die Piratenpartei anders als die bisherigen Parteien? Offensichtlich alles. Vor allem hebeln sie eines der als Grundübel beobachteten Prinzipien der modernen Demokratien aus: Sie kehren die Logik der Fraktionsdisziplin um. Sie vertauschen die Aufgaben von Zentrum und Peripherie, wenn es ums politische Entscheiden geht. Die Peripherie bereitet die Entscheidung vor, das Zentrum setzt sie um (weiterer Diskussionbeitrag dazu).

Weiterlesen →