Geld, ein Kommunikationsmedium voller Tücke

Wenn Soziologen von „Medium und Form“ reden, benutzen sie zur Anschauung oft die Sprache. Als Medium der Sprache gelten die nackten 26 Buchstaben unseres Alphabets, aus denen sich unendlich viele Formen (Wörter) schöpfen lassen. Besonderer Wert wird darauf gelegt, dass sich ein Medium durch Benutzung weder abnutzt, noch verbraucht. Das Medium verweist auf Möglichkeiten, die sich in Formen manifestieren. Formen wiederum stellen immer einen Bezug zum zu Grunde liegenden Medium dar und verweise so auf andere, nur potenzielle, gegenwärtig nicht manifestierte, Formen.

Geld wird von eingefleischten Kennern als ein ebensolches Medium dargestellt. Eventuell muss man jedoch einige Abstriche machen – die Finanzkrise entblößt das Geldmedium gerade in entscheidenden Punkten.

1971 wurde unter Präsident Nixon die Kopplung von Dollar und Gold aufgehoben. Bis dahin, so stand es auf allen Dollarscheinen, war ein Dollar einen bestimmten Silber- oder Goldbetrag wert. Geld repräsentierte also einen substanziellen Wert. Wer mehr Geld wollte, musste in kalifornischen Bergbächen Gold finden und es dem Zahlungsverkehr zuführen. Diese Möglichkeit der Geldschöpfung ist natürlich auch heute noch möglich, da Gold 1971 nicht entwertet wurde, sondern nur seine Funktion als Wirtschaftsbasis verlor.

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Die Erblindung der Gesellschaft (update)

Was macht man eigentlich mit einem Mathematikstudium, wenn man lieber handfest arbeitet, anstatt philosophisch und zahlenfrei über den Grundproblemen zu brüten? Man heuert bestenfalls in einer Investmentbank oder einem Rückversicherer an. Der Einstieg geschieht wohl am ehesten über Erstversicherer und normale Banken. Bei ihnen errechnet man kundenspezifische Finanzströme, ermittelt Werte, legt Preise fest und gibt dann seinen Klienten über die eigenen Rechenergebnisse bescheid. In diesen Positionen ist man ein fachmännischer Finanzdienstleister für den kleinen und einzelnen Kunden.

Die angesprochene Ebene höher, bei Investmentbanken und Rückversicherern, sieht der Alltag ähnlich aber doch auch ganz anders aus. Man rechnet ebenfalls mit Zahlen, hat Klienten, errechnet Preise und legt Werte fest – nur eben nicht für den kleinen Einzelkunden, sondern für Gesellschaften, Märkte und Kollegen. Man spricht hier nicht mehr von Finanzdienstleistern sondern von Analysten.

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Bürgernahe Politik: „Provinziell und konservativ“ oder „gläubig“?

Wenn wir den amerikanischen Wahlkampf aus europäischer Fernsicht betrachten, fassen wir uns in regelmäßigen Abständen europäisch vernünftig an den Kopf. Zu haarsträubend sind Ansichten wie etwa, dass ein Krieg eine Aufgabe Gottes, Ehe gleichgeschlechtlich Liebender unnatürlich oder ein Krieg gegen Russland eine normale Option sein soll.

Wenn Europäer den amerikanischen Präsidenten wählen dürften, würden sie regelmäßig den Kandidaten der Demokraten wählen und ihn mit Ergebnissen, wie wir sie seit dem Ende der DDR nicht mehr kennen, ins Amt hieven und den republikanischen Kandidaten auf den Mond schießen.

Nun ist uns das leider nicht vergönnt. Wir bleiben fragend zurück und wundern uns, wie es möglich ist, dass John McCain die Wählerumfragen anführt. John Stewart bringt all diese Verwunderung gegen Mike Huckabee treffend zum Ausdruck, in dem er ihn fragt: „Do you fell like your Party is the only one [that] can fix the damage, that your Party has done?“ Als Profi stellt er sie so, dass Huckabee gar nicht mehr in Verlegenheit kommt, antworten zu müssen. (siehe hier)

Sind die Amerikaner tatsächlich so dumm? Ist ihre Weltsicht so eingeschränkt, dass sie nicht darüber nachdenken wollen, was die 2 Mrd. Dollar, die wöchentlich im Irak sprichwörtlich verpulvert werden, bedeuten könnten, wenn man sie im Inland, für sie, einsetzt?

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Politik als Saisonkraft

Ferien-, strohwitwer- und sensationsbedingt schaute ich die letzte Woche besonders viel TV. Eins der Themen, das sich selbst in die RTL-2 News empor gekämpft hat, war die gegenwärtige Entwicklung der politischen Lage in Deutschland. Die unvermeidlichen Politikerstatements förderten dabei kaum neues zu Tage, bündelten jedoch eine spezifische politische Weltsicht, der sich die Mehrheit der Parteien mehr oder weniger anschließen können, bzw. notgedrungen müssen.

(1) „Kommunismus“ ist ein akzeptiertes Schimpfwort. Das lernen wir besonders von Christian Wulff, der es tatsächlich bis zu drei mal pro Satz und dann in mehreren Sätzen hintereinander wiederholt. (2) „Wirtschaftliche Vernunft“ ist ein so hohes Gut, dass es unwidersprochen und unhinterfragt in den Raum einer politischen Diskussion geworfen werden darf. Das lernte ich von Guido Westerwelle. (Wer den Links folgt, möge sich zusätzlich Hubertus Heils Autosuggestions-Voodo-Semantik anschauen, mit der er sich einredet, seine Partei sei jetzt „hervorragend aufgestellt“ mit einem Kandidaten der „Kanzler kann“. ;-)

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Zur Symmetrie der Funktionssysteme

Wenn man die luhmannsche Systemtheorie in den Punkten, in denen sie Gesellschaft beschreibt, abstrakt und streng auslegt, sich also von Empirie nicht allzu sehr verunsichern lässt und eher auf der Suche nach symmetrischer Harmonie ist, kommt man schnell zu dem Gesellschaftsbild, das gleichrangige und unterschiedliche, mit klaren Grenzen versehene Funktionssysteme beschreibt, die sich evolutionär und damit nicht beliebig, sondern funktionsorientiert ausdifferenzierten. „Ausdifferenzierung“ nimmt dabei Bezug auf die Zeit und verweist auf einen gleichen Ursprung und Gründe für die Entwicklung.

Man findet in Bruchstücken auf ein paar Texte verteilt Hinweise, wie diese Funktionssysteme genauer zueinander stehen. Eigentlich sagt man: „die Funktionssysteme gleichen sich in ihrer Ungleichheit“. Das ist kein Zitat, sondern ein geliebter Spruch derjenigen, die sich mit geliebten Sprüchen zufrieden geben. In die unterstellte, funktionsorienterte „Symmetrie der Gesellschaft“ einzusteigen ist nicht einfach, Luhmann selbst hat dazu wenig aber mindestens an einer Stelle Denkwürdiges geschrieben. In „Die Realität der Massenmedien“ schreibt er (S. 175): „Die Aufteilung kognitiv / normativ auf Wissenschaft und Recht kann jedoch niemals  den gesamten Orientierungsbedarf gesellschaftlicher Kommunikation unter sich aufteilen und damit abdecken.“

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Tödliche Lebenszeichen der Politiker

Geschichte wird und wurde von Helden gemacht. Dies ist ein allgegenwärtiges Verständnis, das hier gar nicht infrage gestellt werden soll. Es ist selbstverständlich, dass neben den Personen und ihren Handlungen ebenfalls Organisation, Umstände, besondere Bedingungen, Gelegenheiten usw. Rollen spielen, die letztlich Geschichte gestalten. Im Gedächtnis bleiben allerdings überwiegend die Helden und ihre Taten.

„Person“ und „Handlung“ sind die beiden Kriterien, die im Wirrwarr der Zeit den Unterschied machen und Situationen über die Maßen markieren. Wir kennen Ceasar, Hitler, Kennedy und Alexander den Großen. Daneben Menschen wie Juri Gagarin, Albert Einstein, Sean Connery und David Beckham.

Die erste Namensreihe besteht aus berühmten und berüchtigten Politikern der letzten 2000 Jahre, die zweite Namensreihe aus berühmten Menschen, die das letzte Jahrhundert wirkten. Politiker für die Ewigkeit zu konservieren war also viel einfacher. Wahrscheinlich mussten für die Nicht-Politiker erst die Kapazitäten der modernen Verbreitungsmedien erfunden werden, damit ihnen das zuteil wird, was Politiker schon immer in Anspruch nehmen konnten: Ruhm und Ehre.

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Gedanken zur Systemtheorie: Paradoxien

Vor allem in den späteren Werken Luhmanns taucht immer wieder der Begriff der Paradoxie auf. Was aber hat es mit dem Begriff auf sich? Oder präziser formuliert: Welche Rolle spielt der Begriff in der Systemtheorie, dass seine extensive Nutzung an zentralen Stellen der Theorie gerechtfertigt ist?

Ohne Anspruch darauf, diese Frage vollständig beantworten zu können, soll der Begriff der Codierung an dieser Stelle im Vordergrund stehen, um zu verdeutlichen, warum der Hinweis auf Paradoxien – trotz des Anscheins reiner intellektueller Spielerei – dennoch wichtig und vor allem theoriearchitektonisch bewundernswert konsistent und intelligent platziert ist.

Unter einer Paradoxie verstehen wir dabei einen selbstreferentiellen Widerspruch, also einen Widerspruch in Bezug auf sich selbst.

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Funktion und Folgen von Fördervereinen

Dieser Tage beginnt für viele Kinder der schulische Ernst des Lebens. Für viele andere wird er in weiterführenden Schulen noch einmal verschärft. Was für die Kinder mit neuen Belastungen einhergeht, sollte für Eltern eigentlich mit Entlastung verbunden sein. Kinder in staatlicher Obhut, das gibt wieder Freiraum für das eigene Leben.

Seit etwa (grob geschätzten) 15 Jahren sind es jedoch nicht nur die Kinder, die eingeschult werden, sondern in Maßen auch wieder deren Eltern. Kaum eine deutsche Einschulungszeremonie kommt dieser Tage ohne die Bitten um elterliches Engagement und die Vorstellung des Fördervereins der Schule aus.

Und es sind gerade die Einschulungsveranstaltungen, die genutzt werden, Eltern mit Mitgliedschaftsanträgen für Fördervereine zu überrumpeln. Wahrscheinlich, weil die Stimmung gut und der Gruppenzwang ausgeprägt ist. Wenn die Umgebung neu ist, orientiert man sich an den anderen. Wenn so das erste Elternpaar vor den Augen der anderen im Sack ist, lassen sich die anderen leicht nachziehen. Wer wollte an diesem wichtigen Tag schon Widerworte geben – geht ja auch nur um 10 Euro.

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Imperien?

Taugt der Begriff des Imperiums eigentlich noch für die Analyse gegenwärtiger (Welt-) Politik? Herfried Münkler hat dazu im Jahr 2005 eine Studie vorgelegt, im Rahmen derer er auslotet, was der Begriff für die politiktheoretische Analyse leisten kann. In historischer Perspektive kommt er zu dem Schluss, dass das heutige Europa nicht ohne Anleihen beim Ordnungsmodell „Imperium“ auskommen wird, will es trotz interner Vielfalt sein Gewicht in weltpolitischen Fragen geltend machen. Kurz: Münkler hält den Begriff des Imperiums politiktheoretisch für anschlussfähig, um Erkenntnisse über die gegenwärtige Lage der Weltgesellschaft zu gewinnen.
Diese Sicht teile ich nicht, zumindest nicht auf der Grundlage seiner Studie. Die begriffliche Bestimmung von Imperien weist zu viele Ungereimtheiten auf. Insbesondere der von Münkler in Anschluss an Michael W. Doyle verwendete Begriff der „augusteischen Schwelle“ verdeutlicht Inkonsistenzen in der Darstellung. Weiterlesen →

Massenmedien verständlich, wahr, richtig und wahrhaftig

„Massenmedien“ lassen sich einfach als Kommunikationsform fassen, die entgegen gewöhnlicher Interaktion oder geregelter Interaktion in Organisationen nicht schon beim Verfassen ihrer Inhalte über ein direkt adressiertes Publikum verfügt. Am besten lässt sich das mit der Unterscheidung von privat/öffentlich fassen.

Massenmedien sind demnach all diese Kommunikationen, die einfach in den Raum geworfen werden. Diesen Raum der Öffentlichkeit zu erschließen war lange Zeit schwierig aber seit die Chinesen das Papier und die Europäer die Drucktechnik erfunden haben und der Gesellschaft bewusst wurde, was es bedeutet öffentlich zu kommunizieren, sprießen die Verbreitungsmedien nur so aus dem Boden. Zeitungen, Radio, Fernsehen, Internet. Kein Verbreitungsmedien hat je ein anderes ersetzt, sondern es wurde einfach das „Erschließungspotential“ bezüglich „Öffentlichkeit“ erhöht.

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Google ist nicht subjektiv

Fast jeder Internetnutzer kennt die Google-Suche und die meisten benutzen sie auch. In Deutschland hat der Konzern bei der Internetsuche so einen großen Marktanteil (rechts unten „Suchmaschinen“ auswählen), dass man getrost von einem Monopol sprechen kann. Monopole sind nicht nur aus marktwirtschaftlicher Sicht bedenklich. Denn Google’s Suchergebnisse sind in der Regel das Tor zu bisher unbekannten Informationen aus dem Internet. Und der Türsteher bestimmt bekanntlich, wer rein kommt und wer vor der Tür abgewiesen wird. Das Bild des Türstehers in Verbindung mit Google ist geläufig, aber bei genauerer Betrachtung nicht treffend. Denn es ist ja so, dass Google niemanden abweist, der auf der Suche nach Informationen ist. Google hat es jedoch in der Hand, welche Informationen es sind, die auch angezeigt werden. Die Suche übernimmt daher eher die Aufgabe eines Partnervermittlers und bestimmt, wer dem Suchenden als erstes und wer als ihm als letztes vorgeschlagen wird. Und statistische Auswertungen zeigen, dass die erste Empfehlung auch diejenige ist, die am häufigsten angenommen wird. Wer nicht unter den ersten 10 Suchtreffern zu finden ist, der führt ein Leben zweiter Klasse. Aber der Weltmarktführer hat beim Sortieren der Informationen keine bösen Absichten. „Don’t be evil“ schreibt sich Google selbst auf die Fahnen. Kritische, ängstliche oder unabhängige Geister mag das kaum beruhigen. Denn zu jeder Unterscheidung gehört die andere Seite. Und welche Seite als die gute bezeichnet wird, das ist nun mal vom Beobachter abhängig. So können die guten Absichten des Suchmaschinengiganten durchaus den Schaden für andere bedeuten. Zensur im Auftrag der chinesischen Gutmenschen, die ein ganzes Volk unterdrücken, ist aus Google’s Perspektive nicht böse. Dieser Kampf ist jedoch ausgefochten, Google zensiert weiter fleißig und ist dennoch in den Augen der meisten Nutzer auf der Seite des Guten zu verorten. Aber wie schafft Google das? Weiterlesen →

Democracy (Charles Tilly, 2007)

REZENSION

Die Demokratie. Ein großes Thema für 200 Seiten Text in acht Kapiteln, die der im April 2008 verstorbene Charles Tilly ein Jahr zuvor vorgelegt hat. Er zieht mit diesem Buch eine auch für interessierte Leser außerhalb der Wissenschaft gut lesbare Bilanz seiner jahrzehntelangen Forschung über die Entstehung moderner Gesellschaften. Sein besonderes Augenmerk lag auf sozialen Bewegungen und Contention: „Streit“. Er prägte damit nicht zuletzt einen konflikttheoretischen Strang der politischen Soziologie mit. Weiterlesen →