Die Geschichte zum Fall Guttenberg findet so langsam ihren Abschluss. Zumindest gibt es nur noch zwei Alternativen. Entweder der Minister tritt aufgrund persönlicher Untauglichkeit zurück und es geht weiter wie bisher. Oder der Minister bleibt und weite Teile Deutschlands warten resigniert auf die nächste Bundestagswahl. Es ist Zeit zu resümieren und zu fragen, was sich aus dem ganzen Theater lernen lässt.
Es stellt sich insbesondere eine zentrale Frage: Was bedeutet Politik und Politikersein im Jahr 2010 und folgende? Offensichtlich ist, dass niemand mehr sein Essen anbrennen lässt, weil im Fernsehen die SPD-Spitze redet. Und es rennt auch niemand mehr selbstlos auf die Straße, wenn die Kanzlerin kommt. Das, was bleibt, ist der Glaube, dass genügend Menschen die Tagesschau gucken, sodass alle erwarten, morgen sei auch noch ein Tag.
Man kann allen Meinungen zum Fall Guttenberg zustimmen. Ja, es gibt Wichtigeres als die Aufklärung der Schandtaten von Schreibtischtätern, die lieber Texte ergooglen, statt sie lesend zu ersinnen. Ja, es ist schlimmer eine Dissertation, einen eigenen (ersten), zitationsfähigen Forschungsbeitrag, zu ermogeln, als in Seminararbeiten unerlaubte Hilfe zu beanspruchen. Ja, manche Menschen zerstören durch die Veruntreuung von 50 Cent berufliche Vertrauensverhältnisse. Ja, ein Minister ist in erster Linie Führungskraft, die sehr wohl überzeugen kann, auch wenn sie in anderen Bereichen / Lebenslaufetappen kläglich versagt hat.
Wenn man sich von der Person Guttenberg löst, bekommt man ein sonderbar gelagertes Problem in den Blick. Deutschland ist, wieder einmal, gespalten. Die einen sind erschüttert, wegen der großen Lüge. Die anderen sind erbost, weil sie einen Minister verlieren, der ihnen gut gefällt. Die Politik, und mit ihr ihr Personal, wird zwischen dem Anspruch von Gefallen und Wahrheit regelrecht zerrieben. Fest steht jedoch, einen Mittelweg gibt es bei diesem Problem nicht. Entweder beanspruchen wir Rationalität oder Emotionalität.
Das weitere Problem ist, für beide Seiten haben wir schon gesellschaftliche Sphären. Wir haben Wissenschaftler, die uns die Wahrheit sagen und ihre Unnachvollziehbarkeiten per Reputation untermauern. Und wir haben Popstars, die uns zeigen, was uns gefällt und alles andere vergessen machen.
Eigentlich ist jetzt der Punkt, an dem ein Bundespräsident (wenn wir einen Bilderbuch-Präsidenten hätten) eine Rede darüber halten könnte, dass es in der Politik um nur eine Sache geht: Vertrauen, darauf, dass unsere Probleme hier von denen dort thematisiert, bearbeitet und gelöst werden. Aber dabei handelt es sich um eine Mammutaufgabe, die offensichtlich nicht mehr gelöst werden kann. Barack Obama war als Präsidentschaftskandidat die letzte Person, die dieses Vertrauen erwecken und befriedigen konnte. Doch der Präsident Barack Obama hat mit dem Präsidentschaftskandidaten von einst nichts mehr zu tun. Er sieht anders aus, er redet anders, er kennt andere Leute.
Was ist die Lösung? Vielleicht eine Renaissance des Parlamentarismus. Gerade jetzt, wo sich wichtige Teile der Welt eine entpersonalisierte Politik erkämpfen und versuchen Parlamente zu installieren, ist dies auch eine Option für Deutschland. Es sind nur kleine formale Änderungen nötig, die die Regierung zurückfahren und das Parlament stärken. Dann hat nicht mehr jeder die gleiche Kanzlerin, sondern jeder seinen eigenen Abgeordneten (zurück). Den kann er Besuchen, Anrufen und je nach Engagement in Hülle und Fülle Ideen zuwerfen.
Wie auch immer. Zur Zeit verspielen die Politiker in einer Häufigkeit Vertrauen, dass sie eigentlich gar nicht mehr haben, man fragt sich, wie es in 10 Jahren alles noch funktionieren soll.
(Bild: sualk61)
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