Apple erobert den letzten Markt

Tim Cooks Brief zum Datenschutz seines Unternehmens richtet sich insbesondere an Unternehmen, die tausend Euro pro Gerät für Sicherheit ausgeben können.

Es wird von einer Offensive gesprochen, aber es ist tatsächlich nicht das erste Mal, dass sich Apple um Datenschutz kümmert. Es ist seit langem ein bewusst gepflegtes Verkaufsargument von Apple, Steve Jobs und nun Tim Cook stellten es häufig voran. Der Brief des Apple-Chefs an die Kunden, Konkurrenten und die ganze Gesellschaft, fasst es dennoch in neuer Vehemenz: „Vor einigen Jahren haben Nutzer des Internets bemerkt, dass sie nicht die Kunden kostenloser Onlinedienste sind. Sie sind ihr Produkt.“ In diesem Punkt stimmen nun Silicon-Valley-Protagonisten und ihre schärfsten Kritiker überein. Dennoch bleibt ein Problem, dass Tim Cook ebenso in seinem Brief aufwirft. Zumindest begrifflich.

Er spricht von „Security“ und „Privacy“, er unterscheidet zwischen dem Anliegen und der Durchführbarkeit des technischen Schutzes. Im Deutschen spricht man von Datenschutz und Datensicherheit. Apple erklärt nun detailliert, anhand jeder hauseigenen App, wie mit Daten umgegangen werde. Der schmale Grat wird deutlich: Nein, das Unternehmen lese keine Nachrichten und werte die Daten der Browser- und Kartennutzung nicht aus. Werbung spiele, bis auf eine kleine Ausnahme, im Geschäft des Unternehmens keine Rolle. Um Profilbildungen komme Apple dennoch nicht herum. Denn Dienste wie „Siri“ sollen Verhalten lernen, um sich auf ihren Benutzer einstellen zu können.

Am „virtuellen Zombie“ führt kein Weg mehr vorbei. Auf den Menschen zugeschnittene Technologie muss bei aller objektiven Mathemagie mit personenbezogenen Daten umgehen, sie erheben, speichern und verarbeiten. Der Wille zum Datenschutz ist die eine, das technische Vermögen zur Datensicherheit die andere Seite. Apple wollte nicht, das iCloud-Accounts gehackt werden, musste aber eingestehen, dass es in Einzelfällen möglich ist. Nun hat Apple für iOS8 eine lange Liste an Neuerungen vorgelegt, die sich mit Datensicherheit und Datenschutz befassen. iPhones verschleiern die gerätespezifische Macadresse bei der Suche nach WLans. Sie erlauben keine GPS-Nutzung von Apps im Hintergrund. Der Zugriff auf Adressbücher kann selektiv erfolgen. „Duckduckgo“ ist als Standard-Suchmaschine möglich.

Auf der anderen Seite bekommen nun Apps von Drittanbietern Zugriff auf die Informationen des Fingerabdrucksensors. Über die iCloud-Probleme verlor das Unternehmen weiterhin kein Wort. Über „gotofail“ wurde nie gesprochen. Zur Frage, wieso Apples Geräte eine „Service-Schnittstelle“ haben, die fast alles zulassen und ziemlich unbekannt waren, blieb auch ohne Antwort. Tim Cook schrieb am Ende seines Briefs, er wisse, wie schwer es sei, Vertrauen aufzubauen und zu bewahren. Ob es reicht, weiterhin nur zu sagen, was man will und zum Rest zu schweigen, wird sich nun zeigen. Apple stellt sich auf eine harte Probe.

Denn die Zeiten, in denen sich Apple darauf ausruhen konnte, dass es für seine Betriebssysteme keine Viren gebe, sind vorbei. Das einzige Argument dafür war die überschaubare Verbreitung von Apples Technologie. Die Entwicklung von Schadsoftware hat sich schlicht nicht gelohnt. Das ist nun anders. Die Geschichte der iOS Jailbreaks ist lang und eindrucksvoll. Es mehren sich allerdings die Anzeichen dafür, dass Apple nun gar nicht anders kann, als alles auf Sicherheit zu setzen. Denn sie ist alsbald das letzte Argument, das bleibt. Der Vorsprung durch technische Anreize ist nämlich aufgebraucht. Apples „Retina HD Display“ entpuppt sich als profanes Full-HD. Noch bevor Apple es angekündigt hat, stürmte Samsung mit höheren Auflösungen den Markt. Asiatische Konkurrenten locken mit Gerätepreisen, die gerade noch ein Fünftel dessen erreichen, was Apple verlangt. Die Konkurrenten sind allerdings alle auf Android angewiesen, und somit auf Google.

Es läuft somit alles auf eine große Auseinandersetzung hinaus. Wenn auch der private Nutzer eher an Preisen als an Privacy interessiert ist, ist dieser Markt gesättigt. Dafür gibt es in Frankfurt Banken, die nun iPhones in vierstelligen Stückzahlen bestellen. Der Geschäftsmarkt, den Google mit seinen Zielen nicht mehr erobern wird und Microsoft technisch bislang nicht zu erobern vermochte, ist Apples letzte große Absatzmöglichkeit. Dank Edward Snowden ist er nur mit Sicherheitsversprechen zu gewinnen. Ob Apples Angebot überzeugt, werden die Hackerkonferenzen der nächsten Monate zeigen. Von der Entwicklung kann der gemeine Konsument und sein „digitaler Zwilling“ viel profitieren.

Veröffentlicht von Stefan Schulz

Diplom-Soziologe aus Jena via Bielefeld in Frankfurt am Main. Kümmert sich promovierend um die Bauernfamilien des 12. Jahrhunderts mit ihrem Problem der erstmaligen "Kommunikation unter Unbekannten" und ist heute Journalist. stefanschulz.com

6 Kommentare

  1. UrsulaJ sagt:

    besonders interessanten und besonders naiven Abnehmern ihrer Produkte.

    Interessant aus gleich drei Gründen:

    a) Zahlungskräftig und
    b) IT-Analphabeten und
    c) Inhaber hochsensibler Wirtschaftsdaten.

    Dass Apple da jetzt reüssieren kann, wo man mit Hochhäusern, Krawatten und Anzug, Marmor und noblen Eingangshallen, Seriösität vortäuschen muss, weil sie sonst nicht vorhanden ist, wundert mich nicht: Schicky-Micky ist eben wichtiger als die Sicherheit der Kundendaten.

    In den letzten Tagen hat ein US-Gericht noch einmal bestätigt, dass die NSA sogar auf Server von US-Konzernen wie Apple und Microsoft zugreifen darf, wenn diese im Ausland liegen.

    Ei klaut ….

  2. passkale sagt:

    Warum spielt in einem Artikel wo es um Sicherheit geht blackberry keine Rolle?
    Der Nutzer hat nicht nur die Wahl zwischen Apple und Android.

  3. mawiko sagt:

    Was in diesem Artikel verbrochen wird, grenzt an gezielte Desinformation.

    Drei Beispiele. Jailbreaks werden in einem Atemzug mit Viren genannt, haben aber damit nichts zu tun. Der Autor möge doch bitte mal zeigen, welche Viren oder beispielsweise Keylogger es für iOS gibt.

    Mit „Zugriff auf die Informationen des Fingerabdrucksensor“ wird suggeriert, andere Apps könnten die Fingerabdruckdaten auslesen und, so soll man wohl assoziieren, missbrauchen. Das ist grotesk falsch. Apps erhalten lediglich die Information, ob ein aufgelegter Fingerabdruck akzeptiert wird, oder nicht. Mehr erfahren sie nie.

    iCloud-Accounts wurden nicht „gehackt“, sondern es wurden auf mehr oder weniger aufwändigen Wegen Login-Daten erschlichen. Da sind Banken schon viel größeren Angriffen ausgesetzt gewesen.

    Herrn Schulz werde ich von nun nicht mehr Ernst nehmen.

    • Stefan Schulz sagt:

      Lieber mawiko, man konnte zuweilen per PDF im Browser aus allen Sandboxes rauskriechen und die Datensicherheit des Telefons bloßstellen. Woher wissen Sie so genau, was auf iPhones alles nicht möglich ist? Ihr Wort steht gegen das Edward Snowdens.

  4. BjoernPalazzo sagt:

    Daß Siri die Daten und das Verhalten des Nutzers nur erfaßt, damit der komfortabler mir dem Gerät umgehen kann, kann man glauben, wie die Versicherung, daß Adressbücher und Browserdaten nicht von Apple genutzt werden. Diese Versprechen unterscheidet Apple dann immerhin von MS 8.1 Phone, bei dem man mit dem ersten Einschalten des Gerätes den vollen Zugriff auf das Adressbuch erlauben muß.

  5. H.Bauernfeind sagt:

    Ich glaube Herrn Cook gerne, dass Apple nicht offiziell Kundendaten verkauft. (Eine andersweitige Verhaltensweise wäre schnell entlarvt und würde dumm auffallen.)
    Aber der Rest? Eine wirkliche Offenheit kann man von Herrn Cook da nicht erwarten, weder bei Backdoors, noch bei Viren oder gar beim Transfer von vertraulichen Daten bei der Nutzung einer App. Schon der Hack mit den Promi-Bildern wirft ein schlechtes Licht auf Apple. Die hätten diese Vorgänge eigentlich mitbekommen und auch ggf. unangenehme Gegenmaßnahmen einleiten müssen.

    Nein, so einen Persilschein könnten höchstens Unabhängige ausstellen. Herr Cook könnte ja mal eine saftige Prämie ausloben für Hacker und Leute, die dann das iphone auseinander nehmen.
    Zu den 1000€: So etwas zahlen bestimmte Leute gerne, um sich zu differenzen, selbst wenn das Produkt nicht technologisch spitze ist.

    Zum Thema HD-Auflösung: Diese schafft, meiner Erkenntnis nach, nur das große Modell.

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