Was macht die Debatten um Heimat und Gender so besonders?

Es wird viel diskutiert, aber manche Themen sind doch besondere, mit mehr Beteiligung, kontroverseren Beiträgen und weniger Aussicht auf Konsens. Zwei dieser Themen, Gender und Heimat, haben wir aufgegriffen, um es uns auf dem Glatteis ungemütlich zu machen. (Wir bemühen uns um bessere Audioqualität, aber es ist verhext. Eventuelle Trübungen des Tons tun uns leid.)

Luhmann, Niklas 1988: Frauen, Männer und George Spencer Brown. In: Zeitschrift für Soziologie 17 (1), 47–71. (Wiederabdruck in: Ders. 1996: Protest. Systemtheorie und soziale Bewegungen. Hellmann, Kai-Uwe (Hrsg.). Frankfurt a. M.: Suhrkamp, 107-155.

Christoph, Kucklick 2008: Das unmoralische Geschlecht. Zur Genese der negativen Andrologie. Frankfurt am Main: Suhrkamp.

Stollberg-Rilinger, Barbara 2017: Maria Theresia. Die Kaiserin in ihrer Zeit. Eine Biographie. München: C.H. Beck Verlag.

(Interview mit Barbara-Stollberg-Rilnger zum Buch von Matthias Dusini im FALTER 19/2017)

Heintz, Bettina 2008: Ohne Ansehen der Person? De-Institutionalisierungsprozesse und geschlechtliche Differenzierung. In: Wilz, Sylvia (Hrsg.). Geschlechterdifferenzen — Geschlechterdifferenzierungen. Wiesbaden: VS Verlag, 231-252.

Tacke, Veronika 2008: Neutralisierung, Aktualisierung, Invisibilisierung. Zur Relevanz von Geschlecht in Systemen und Netzwerken. In: Wilz, Sylvia (Hrsg.). Geschlechterdifferenzen — Geschlechterdifferenzierungen. Wiesbaden: VS Verlag, 253-289.


Zu hören sind:
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Stefan
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Feed: https://feed.sozialtheoristen.de/podcast

Veröffentlicht von Stefan Schulz

Diplom-Soziologe aus Jena via Bielefeld in Frankfurt am Main. Kümmert sich promovierend um die Bauernfamilien des 12. Jahrhunderts mit ihrem Problem der erstmaligen "Kommunikation unter Unbekannten" und ist heute Journalist. stefanschulz.com

10 Kommentare

  1. Julia Litschke sagt:

    Stefan, ich habe den Eindruck, dass Du ein idealisiertes Bild von der Idee des Heimatministeriums hast. Herr Seehofer hat – so scheint es zumindest – ein konträres Bild (erste Maßnahme Abschiebungen fossieren). Ich kann mir nicht vorstellen, dass er es als seine Aufgabe empfindet, das jeder einzelne Bürger sich wohler fühlt in seinem Umfeld. Dazu müsste er erstmal eine Idee haben was JEDER einzelne braucht. Dass man in seiner Kommune zu einem Ansprechpartner gehen könnte, und der würde sich dann dem dargebrachten Problem annehmen… hm… ich denke nicht, dass durch das Heimatministerium diese Strukturen geschaffen werden sollen…?

    Zu der allgemeinen Debatte: schon ihr vier habt ganz unterschiedliche Ideen von Heimat. Der Aspekt der ideologischen Heimat bleibt unbesprochen (das ist aber 2018 der wie mir scheint wichtigste Aspekt). Sascha Lobo hat das letztes Jahr mal beschrieben, dass er sich einer Bloggerin aus Tokio näher fühlen kann als einem Mann aus dem Nachbarhaus. Dem würde ich uneingeschränkt zustimmen. Die geistige oder politsche oder ideologische Heimat – und eine durch die sozialen Medien (vielleicht vorgegaukelte) Nähe zu Menschen, die so denken wie ich, die sich mit ähnlichen Fragen beschäftigen etc. lässt einen weniger einsam sein usw. Ältere Leute, die diesen Zugang zu sozialen Medien nicht haben bleiben alleine zurück und freuen sich auf den kurzen Talk an der Supermarktkasse als einzigen sozialen Kontakt.

    • Stefan Schulz sagt:

      Horst Seehofer ist in aller erster Linie Bundesinnenminister, in zweiter Linie CSU-Parteivorsitzender und damit Landtagswahlkämpfer. Irgendwann am Ende dieser Kette ist er auch Heimatminister. Sascha Lobo mag sich mit der Bloggerin aus Tokio identifizieren können. Aber zum Hausarzt und einkaufen geht er in einem sozialen Umfeld, in dem er Menschen körperlich begegnet. Wie er zu diesen Menschen steht und was in deren Kopf vorgeht ist in meinem Vorschlag, Heimat zu definieren und zu besprechen, völlig egal. Das ist ja gerade der Punkt, weshalb es wichtig ist, darüber zu sprechen.

      Ich empfehle dazu die letzte Seite aus meinem Buch „Redaktionsschluss“.

  2. Jan sagt:

    Funktionale Differenzierung als moderne Errungenschaft, z.B. dass bestimmte Fragen allein zum rechtlichen Gegenstand werden, ist empirisch immer uneingelöster Anspruch.

    Zahlreiche Ungerechtigkeiten und Ungleichheiten waren und sind Teil des Rechts. Deswegen ist der Medienskandal (und in diesem Zuge die Verurteilung von Personen jenseits des Rechts) auch keine Regression, sondern ein Mechanismus, der mit der Entstehung moderner Öffentlichkeit im 19. Jh. einhergeht. Über die Öffentlichkeit gelingt es, die funktional differenzierte Gesellschaft da „kurzzuschließen“, wo sie ihren aufklärerischen Versprechen nicht gerecht wird. (Michel Dobry behandelt das in seinem Buch Sociologie des crises politiques).

    Freilich kann man über Übertreibungen dieser Kurzschlüsse reden oder über Trittbrettfahrerinnen und Trittbrettfahrer, denen es „nicht um die Sache“, sondern „nur um Macht“ geht. Aber damit ist wenig über die Funktion des Skandals gesagt.

    Empirisch hat das Recht zusammen mit dem Geld übrigens eine wichtige Rolle bei den Fällen gespielt, die in der #metoo-Debatte verhandelt wurden. Zwar gibt es nicht unbedingt Urteile, aber im Falle Weinstein doch zahlreiche außergerichtliche Einigungen. Millionen wurden gezahlt, um Schweigen rechtlich zu erzwingen. Diese Praxis wurde lange akzeptiert, und wurde unter geänderten gesellschaftlichen Vorzeichen nun neu bewertet.

  3. Jan sagt:

    Noch zum Heimatbegriff: Ich finde es ja sehr verdienstvoll, den Begriff der Heimat umdefinieren zu wollen. Im Koalitionsvertrag mag stehen, was will. Wenn Seehofer den benutzt, geht es nur um die Reizung einer Öffentlichkeit. Den einen Tag spricht er über Heimat, den anderen darüber, dass „der Islam“ nicht zu Deutschland gehört. Was ist eigentlich mit den Moscheen in Deutschland, die Heimat für viele Muslime sind. Wird sich um deren verstärkten Bau das Heimatministerium auch kümmern?

  4. See Horsthofer sagt:

    In der Genderdebatte die ganze Zeit penibel darauf geachtet sowohl die männliche als auch die weibliche Form zu verwenden.
    Und wenn es dann darum geht sich von Berufsreisen fernzuhalten sind natürlich nur die Chefs zu meiden aber nicht die Chefinnen.
    Da merkt man wie tief es eigentlich drin steckt.

  5. Marie sagt:

    Ich habe Renas Einspieler komplett gegensätzlich zu Moritz verstanden.
    Für mich zeigte der Einspieler, dass es alles nicht so einfach ist und es keine breite eindeutige Grenze gibt, sondern, dass es alles recht subtil ist und man feinfühliger anderen Menschen gegenüber sein sollte. Die Pointe war für mich, als sie am Ende irgendwas in der Art sagte: Ja, du fühlst dich jetzt so wie Frauen sich oft fühlen.

    Insgesamt war der Sketch aus meiner Sicht so, dass die Frau da einfach alles falsch macht (absichtlich!), was man falsch machen kann. Jede*r, der sich in den Mann hineinversetzt würde sich unwohlfühlen und bei der Umarmung auch an Belästigng denken. Das war, glaube ich, die Absicht und das Ziel des Stetches.

    Dadurch dass die Frau ab und zu komisch kichert und in kleinen Momenten ihre Spielrolle nicht ganz durchhält, wurde mir gezeigt, dass sie eigentlich sagen möchte: So, wie ich das gerade tue, soll ein Mensch mit einem anderen Menschen nicht umgehen. Seht her, wie gemein ich zu ihm bin, damit er (und die Zuschauer, die sich in ihn hineinversetzen) mal wirklich fühlen kann, wie unangenehm/belästigend es ist, was Frauen immer wieder im Alltag passiert.

    Zu den einsamen Menschen:
    Ich finde, alle Menschen, die einsam sind und drunter leiden, sollten offizielle Orte haben, wo sie hinkönnen, egal wie alt sie sind. Es gibt ja auch viele Kranke, die einsam sind, weil halt die ganze Welt so beschäftigt ist. Arzttermine, Pflege, eigentlich alles geht superschnell und alle haben zu wenig Zeit.

    In psychotherapeutischen Tageskliniken sind auch oft Leute, die gerade nicht arbeiten können und ihren Alltag nicht strukturieren können oder keine sozialen Kontakte haben. Solche Tageskliniken in light (also für Gesunde), könnte man doch für alle einrichten, die sonst niemanden haben, oder die sich jede Woche Friseurtermine nicht leisten können. Ich glaub in menschen Orten gibt es solche Senioren zentren, die funktionieren ja ein bisschen wie Jugendzentren, dass jeder mitmachen könnte, wenn er will.

    Die Idee aus dem Aufwachenpodcast die ganz alten Menschen auch in sowas wie Kingergärten für alte Menschen zu bringen, find ich cool. Ist vielelicht besser als wenn für 20 Minuten eine ampulante Pflege einen besuchen kommt und man den Rest des Tages wieder allein ist. Menschen, die sich selbst nicht so gut beschäftigen können, brauchen doch auch irgendwas zu tun und soziale Kontakte. Die können nicht zur Arbeit und nicht in die Schule oder sowas. Dann fallen denen halt nur die üblichen Orte ein, wo man kostenlos Menschen trifft: Arzt und Supermärkte. Die ganz alten, die gepflegt werden müssen, bekommen das aber auch nicht hin. Sie sitzen wirklich den ganzen Tag allein in der Wohnung.

    (vorbildliche) Altenheime sind eine gute Sache, aber so teuer, weil man da auch ein eigenes Zimmer braucht und die Pflegerinnen Nachtschichten machen. Wenn ein alter Mensch zum Arzt gehen kann, würde er vielleicht auch zu solche Kindergärten/Tageskliniken gehen. Oder man setzt beim Arzt eine Person hin, die einfach ansprechbar ist, die Geld dafür bekommt, dass sie sich mit den alten Leuten unterhält und nebenher drauf achtet, ob sie irgendwelche spezielle Hilfe brauchen, die man noch beantragen kann. So eine Art Sozialberatung, wo man ohne Termin oder in Gruppen etwas erzählen kann, was einen beschäftigt oder Fragen stellen kann, wenn man nciht weiß, wen man sonst fragen soll.

  6. meinsenf sagt:

    Zum Thema #Metoo: Die Fälle, in denen Männer ihren Job verloren haben, basieren auf vielfachen Beschuldigungen bis hin zu Geständnissen (Spacey, Louis CK). Oder siehe aktuell der Skandal des weißen Rings. Männer in der Öffentlichkeit müssen damit rechnen, dass die Presse ihren Ruf zerstören kann (Kachelmann).
    Missbrauchssituationen finden naturgemäß ohne Zeugen statt und sind deshalb schwer zu beweisen.
    Dabei können sich Männer glücklich schätzen, dass die braven autoaggressiven Frauen nur an die Öffentlichkeit gehen. Missbrauchte Männer haben nicht selten Gewaltfantasien, die auch mal umgesetzt werden.

    Thema Heimat: Dieser Begriff ist immer in Relation zu sehen. Als ich im Ausland lebte, waren sogar die türkischen Händler ein Stück deutsche Heimat.
    Kleingeistige Dörfler empfinden schon das Nachbardorf als fremd.

    Thema Einsamkeit: Hiermit oute ich mich als Einsamkeitsopfer. Meine Eltern gehören zu den Babyboomern und leben das propagierte Wirtschaftswunderding voll aus. Megaegoistisch, geschieden, kein Interesse an Familie. Es zählt nur die eigene berufliche Anerkennung. Beide sagten mir, dass sie sich umbringen, sollten sie Hilfe brauchen.
    Bin noch nicht im Rentenalter, aber so ein Tageszentrum wäre für alle Altersgruppen ein tolle Sache.

  7. Ihr Lieben!
    Interessant erschien mir beim Genderthema, wie bedeutend die Darstellungsebene in der Behandlung des Themas wird und wie der Sendekontext des Videos im Verlauf des Gesprächsimmer stärker zurücktritt, das Video zum Kunstwerk wird ( etwas, das den Anspruch auf Bestand stellt) und wie im Gespräch die Darstellung unterschiedlich interpretiert wurde. (Ich hab das Video ja selbst nicht gesehen) .
    Geht insofern mit der Geschlechterfrage zusammen, da es in ihr weitgehend auch um Darstellung des Geschlechtes geht……

    Zur Heimat:
    Leider habt ihr die einmalige Möglichkeit überhört den mein lieber Landsmann in seiner Verallgemeinerung-Suppe zu Heimat ausführte ! Was seinen spezifisch Wiener-Heurigen-Slang aussprach, war: Den richtigen Begriff von Heimat haben eh nur mir Österreicher und der ist, wie unser Kaiserreich immer schon war, internationale – unsere Sprache – Mozart – wird doch auch weltweit gehört und verstanden !!

    Auch und gerade die regionale Sprechweise ist, gerade für das Verständnis des Heimatbegriffs wesentlich Semantik – ich weiß ja nicht ob Luhmann das in einem Nebensatz erwähnt hatte, wenn nicht, ist es hiermit, für ihn von mir, von Innsbruck aus, hiermit erledigt….

  8. Guido sagt:

    Feedback rein zum Gender-Kapitel (und nein, kein konstruktives):
    Meine Güte es ist wirklich nicht auszuhalten wie verkopft man (/Frau :-)) sein kann.
    ( Ja, bitte tut mir den Gefallen, mich zu doof zu nennen, Euren Gedanken folgen zu können…)
    Der Film (ich habe nur zugehört) ist ein Clip aus einem Comedy Format und als solcher wunderbar gelungen, da witzig (bereits durch die erste Ebene/Aussage, die Moritz erkannt hatte).
    Wo der Clip den Anspruch erhoben haben soll, Euren Massgaben für eine Weiterentwicklung der Metoo Debatte zu genügen, ist mir schleierhaft, und vor allem, wie Ihr das in einer Stunde Gespräch alle vier übersehen könnt.
    Auch fast alle Ableitungen die Ihr vornehmt, erscheinen mir kaum ausreichend belegbar und damit auch nicht nachvollziehbar.
    Positiv: muss mir nicht noch einen Podcast auf meine Todoliste werfen ;-))

  9. Guido sagt:

    So, da hat mich der zweite Teil komplett entschädigt, Lob dafür, vielschichtig und multiperspektivisch.

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