Rezension: Professor*in für Anfänger*innen und Fortgeschrittene. Tipps für (angehende und aufbauende) Profs

Bild: Professors, by Raul Pacheco-Vega (CC BY-NC-ND 2.0)

 

Die Nachfrage nach Ratgebern scheint mit Zunahme von gesellschaftlicher Komplexität zu wachsen. Es gibt sie mittlerweile zu allen erdenklichen Themen. Und so gibt es auch diverse Ratgeber für den Hochschulbereich. Allerdings sind die Hinweise und Tipps – mit wenigen Ausnahmen – recht oberflächlich. Der Grund dafür ist einfach: Sie unterschlagen die für den organisationalen Alltag so wichtige informale Seite der Organisation. Der Bildungspsychologe Thomas Götz macht in seinem gerade in zweiter Auflage erschienene Ratgeber „Professor*in für Anfänger*innen und Fortgeschrittene. Tipps für (angehende und aufbauende) Professor*innen“ vieles besser.*

Der ausufernde Ratgebermarkt für den Bereich Hochschule zeigt an, wie komplex Studiengangssuche, Promotionsthemenwahl oder die Hochschulkarriere geworden sind. Je mehr Unsicherheit herrscht, desto mehr Rat wird gesucht.

Mit zunehmender Komplexität der Prozesse an Hochschulen und vielfältigen, teils widersprüchlichen Erwartungen an das akademische Personal, steigt offenbar der Bedarf an Orientierung. Für eine erfolgreiche Karriere an einer Hochschule reicht es nicht mehr aus, nur gut zu Lehren oder exzellent zu Forschen. Es braucht außerdem Verhandlungsgeschick und Managementskills. Die Ratgeberliteratur kann hier Anregungen geben, wie Strategien überlegt, die Mitarbeitenden geführt werden oder Verhandlungen mit der Hochschulleitung vorbereitet werden können.

Tipps für angehende und etablierte WissenschaftlerInnen

Eines geben diese gut gemeinten Tipps allerdings selten: Hilfestellungen im organisatorischen Klein-Klein. Der Grund dafür ist einfach: Zu sehr orientieren sich die Ratgeber an der formalen Oberfläche von Hochschulen. Nur, der Alltag an Hochschulen ist überwiegend von zwischenmenschlichen Kontakten, kurzen Dienstwegen oder Kompromissen geprägt. Von einer Reihe an Zufällen und Gelegenheiten – Schicksal – ganz zu schweigen, wie so manche mehr oder weniger erfolgreiche Karriere in die Professur beweist.

Die Organisationsforschung zeigt seit Jahrzehnten, dass der Arbeitsalltag ohne informale Gestaltung, Taktiken, Tricks und Regelabweichungen, gar nicht zu bewältigen ist. Beispielsweise vermeiden Lehrende attraktive Titel für ihrer Veranstaltungen, um nicht zu viele Studierende anzuziehen oder tauschen gute Bewertungen gegen den Verzicht auf langwierige Nachbesprechungen. Diese und weitere Praktiken sind es, die es ermöglichen, mit widersprüchlichen, wenn nicht paradox erscheinenden und miteinander konfligierenden Erwartungen umzugehen: Inspirierend Lehren, exzellent Forschen und engagiert Selbstverwalten geht meist nicht gleichzeitig.

In der Ratgeberliteratur aber sucht man nach diesen Praktiken der „brauchbaren Illegalität“ (Niklas Luhmann) eher vergeblich. Dabei sind sie doch entscheidend dafür, ob ein Studium erfolgreich gemeistert oder ein Buchprojekt fristgerecht abgeschlossen werden kann.

Das bringt uns – nach längerer Vorrede – zum hier besprochenen Buch: Professor*in für Anfänger*innen und Fortgeschrittene. Tipps für (angehende und aufbauende) Professor*innen.“ Dieses bildet über weite Strecken eine angenehme Ausnahme gegenüber den vielen oft oberflächlichen Ratgebern und irritiert dann in seiner Ehrlichkeit auch stellenweise. Dazu später mehr.

Das im Selbstverlag verlegte Büchlein (140 Seiten) ist in zwei Teile aufgeteilt. Im ersten Teil werden Tipps für angehende Professor*innen behandelt: „Bewerbung, Verhandlung, Start“, „Forschung“, „Lehre“, „Einstellung“, „Arbeits- und Verhandlungsstrategien“ oder „die Arbeitsgruppe“ sind hier Themen.

In der zweiten Auflage ist, Götz eigenen beruflichen Biografie folgend, ein weiterer Teil hinzugekommen, der, entsprechend der Leistungsbeschreibung moderner HochschullehrerInnen, Tipps für Struktur aufbauende Professor*innen umfasst: „Kommunikation und Information beim Aufbau“, „Hierarchien und Entscheidungen beim Aufbau“, „Probleme beim Aufbau lösen und verhindern“, usw. Der Strukturaufbau von Instituten oder Graduiertenkollegs ist eine Managementaufgabe die ProfessorInnen nie, bzw. by doing lernen. Götz Hinweise und Warnungen vor teils fiesen Praktiken sind daher sehr hilfreich.

Die Hilfestellungen sollen ProfessorInnen die Möglichkeit zur Reflexion und Optimierung des eigenen Handelns geben. Der Ratgeber richtet sich aber ebenso an den akademischen Mittelbau und weitere Personen, die mit Professor*innen zusammenarbeiten.

Strategien im hochschulischen Guerillakrieg

Die in gut übersichtlich gegliederten Abschnitten dargestellten Themen und Tipps erinnern streckenweise an eine Art Mao-Bibel für (Neu-)Berufene: Neben lebensweltlichen Tipps, etwa zu den „10 Geboten des Zugfahrens“ (S. 52f.) oder „Welcher Server ist der richtige für die Arbeitsgruppe?“ (S. 44f.), zeigt Götz, wie endlose Sitzungen und kollegiale Zankereien überstanden werden können.

Beispielsweise sei es vorteilhaft in Sitzungen „zermürbend repetitiv“ aufzutreten und einen möglichst hohen Redeanteil zu haben. Dabei soll darauf geachtet werden „möglichst immer dasselbe zu sagen“ (S. 39). Insbesondere bei späten Sitzungen würde diese Penetranz Wunder wirken, denn die Ermüdung anderen kann zum eigenen Vorteil genutzt werden. Sind die anderen Teilnehmenden erst einmal buchstäblich fertig, können die eigenen Interessen besser durchgesetzt werden. Ebenso hilfreich sei es, sich naiv zu stellen: So wird man schneller unterschätzt: „unterschätzt zu werden ist oft eine ausgezeichnete Position.“ (S. 39) Wenn keiner mit einem rechnet, kann man hervorschießen und die Sitzung in seinem Sinne wenden.

Vorsicht sei im Übrigen bei KollegInnen geboten, die „ständig Jour Fixes vorschlagen“, diese „haben meist nicht viel zu tun und ziehen die Treffen dann oft unnötig in die Länge“ (S. 42). Für das Navigieren durch das Dickicht der Hochschule helfen darüber hinaus Hinweise zu den möglicherweise eigenen, aber oft bestehenden Hidden Agendas der KollegInnen (S. 116, 135). Helfen können auch Strategien wie „auf Zeit spielen“, um unliebsame Entwicklungen den Wind aus den Segeln zu nehmen. Zum wichtigen Werkzeug vieler ist die CC- und BCC-Funktionen im Mailprogramm geworden. Wie diese strategisch eingesetzt werden und welche dysfunktionalen Folgen das haben kann, zeigt Götz ebenfalls (S. 131f.).

Oft sind es diese informalen und gar subversiven Praktiken, die einen zum gewünschten Ziel bringen können. Zumindest aber ist es erfolgversprechend, sie bei Kolleginnen und Kollegen zu erkennen. Allerdings weiß Götz, dass seine Tipps Nebenwirkungen haben, wie jede andere informale Praxis auch. Etwa kann die Kollegialität schnell in Mitleidenschaft gezogen werden, wenn man, wie geschildert, in Sitzungen auftritt. Nicht auszumalen ist außerdem, wenn alle Beteiligten einer Sitzung auf Zermürbung und Naivität setzen.

Widersprüchliche Programmierung 

ProfessorInnen, und solche, die mal welche werden wollen, kämpfen tagtäglich damit, dass ihr Aufgabenkreis widersprüchlich ist: Sie sollen gleichzeitig lehren, forschen und sich selbstverwalten. Vielen fällt es schwer, diese Aufgaben gleichermaßen in hoher Qualität zu erfüllen.

Götz Ratgeber ist deshalb hilfreich, weil es Hilfestellungen für den praktischen Arbeitsalltag und dessen zwischenmenschlichen Herausforderungen bietet. Die Hinweise und Tipps helfen dabei, das organisatorische rund um Lehr, Forschung und Selbstverwaltung möglichst effizient und gewinnbringend zu vollrichten. Vieles wird der Leser oder die Leserin bereits an anderer Stelle gehört haben. Zeitmanagement etwa ist in aller Munde, nur wenige beherrschen es wirklich gut. Daher hilft es auch zum wiederholten Male davon zu lesen, dass es förderlich ist, das Mailprogramm und das Telefon stundenweise abzuschalten (S. 41). Und: „Je schneller man reagiert, desto mehr E-Mails bekommt man.“ (S. 45).

Dasselbe gilt für das Thema Teamwork. Es ist für die Mitarbeitenden in den vielen Arbeitsgruppen sowie für deren Leitung selbst zu wünschen, dass Letztere das längere Kapitel zur Organisation von Arbeitsgruppen lesen und berücksichtigen.

In einer dritten Auflage könnte Thomas Götz seinen Ratgeber noch um Dimensionen wie die Studiengangsgestaltung erweitern oder den Abschnitt zum Umgang mit der hochschulischen Verwaltung ausbauen. Insbesondere zwischen den akademischen und den administrativen Welten gibt es viel Potential für Übersetzungsarbeit, die dazu beitragen könnte, die diversen Fallstricke zu vermeiden.

Grundsätzlich ist es wünschenswert, wenn sich mehr Ratgeber der „dunklen“ Seite des organisatorischen Zusammenlebens widmen. Den informalen Praktiken mehr Aufmerksamkeit zu schenken, hilft den Leserinnen und Lesern ihr eigenes Vorgehen zu reflektieren und einzuordnen, aber auch bei KollegInnen zu identifizieren.

Thomas Götz hat hier einen guten Anfang gemacht.

Professor*in für Anfänger ist bei BoD – Books on Demand, Norderstedt verlegt, die 140 Seiten kosten 8,99€. (ISBN 3751944060)

* Eine gekürzte Version des Textes ist in der DUZ Wissenschaft & Management (Ausgabe 4/2021) erschienen: https://www.duz.de/ausgabe/!/id/545

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