Chefpostendramatik

Die Weltgeschichte könnte mal wieder kaum spannender sein. Wir erfahren was ein Spitzenbanker macht, wenn er sich treiben lässt, und erleben ein Gerangel um die Besetzung eines Spitzenamtes, über dessen tatsächliche Spitzenmäßigkeit sich kaum etwas in Erfahrung bringen lässt. Es bietet sich an, vor der Wer-Frage die Weshalb-Frage zu stellen, wenn es darum geht, jemanden auf den Chefsessel des IWF zu setzen.

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Was könnte die Politik noch leisten?

Der folgende Text ist frei herbeiassoziiert und nur der Duden-Korrektor hat ihn nochmal gegengelesen. Ein kleiner Versuch, meinen Gegenstand zu erfühlen, der auch nichts anderes macht.

Wie viel Unzufriedenheit, Unwissenheit, Unsicherheit, Unfreiheit und Ungenauigkeit hält so eine moderne Gesellschaft wie unsere eigentlich aus? Ist die Aufklärung gänzlich gescheitert, wenn die klugen Köpfe gar nicht mehr versuchen uns zu erklären, wie es besser ginge, was besser wäre oder klar markieren, was schlecht ist?

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Soziologie zum Spaß

In seiner allerletzten Mission ist Captain Picard ganz allein (TNG S07E25). Er muss eine Anomalie verhindern, die er in der Zukunft verursacht, die sich in der Zeit rückwärts ausbreitet und die das Universum verschlingt. Das ist selbst für Star-Trek-Verhältnisse spektakulär, denn diesmal hilft die Technik nur in zweiter Linie, das eigentliche Problem bedarf einer anderen Behandlung. Der Captain muss es in der Vergangenheit, in der Gegenwart und in der Zukunft auf gleiche Weise lösen. Sein Zusatzproblem, das er unkontrolliert zwischen den drei Zeiten hin und her springt, kommt ihm für diese Mission noch als Glück im Unglück entgegen. Am Ende steht die Enterprise-Welt also kopf. Nicht das Universum gibt die Orientierungswerte Raum und Zeit vor, sondern das Individuum ist der archimedische Punkt. Die Zeit verläuft nicht mehr und der Raum zergeht im „Nichts“.

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Fesselnder oder Gefesselter Journalismus?

Denis Hennequin kennt sich aus mit günstiger Massenware. Bis Januar 2011 war Accor in Familienhand, seitdem führt der ehemalige Europachef von Mc. Donalds die Firma, die sich als globaler Gastwirtschaftsdienstleister versteht und in Deutschland vor allem durch ihre Mercure- und Ibis-Hotels bekannt ist. Die Mercure-Hotels entziehen sich dabei dem Spontanmanagement aus der Pariser Konzernzentrale. Bei den Ibis-Hotels kann sich Hennequin jedoch austoben. Die Architektur nimmt keine Rücksicht auf Stadtbilder, der Service ignoriert kulturelle und regionale Eigenheiten – es gibt nur eine Handlungsrationalität: Kosten senken, für den Kunden und den Betreiber.

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Eine Geschichte, viele Theorien

Bin Laden ist tot, und soweit ich es sehe, gibt es eine Verschwörungstheorie, die irgendwie auf der Hand liegt aber bislang noch nirgendwo erzählt wurde. Und überhaupt, wird die Kulturform gute Verschwörungstheorie zu selten gewürdigt. Wenn Autoren die bekannte Nachrichtenlage neu zusammenbauen und dabei überraschen, fühle ich mich häufig gut unterhalten (informiert bin ich ja schon, ist schließlich Voraussetzung). Aber immer wieder stößt man auf eine, insbesondere unter Gebildeten verbreitete, Parallelitätsallergie. Akzeptiert sind allenfalls „Was wäre wenn“-Geschichten (wie diesen Samstag in der F.A.Z. über „Usama bin Ladin“ als „der Angeklagte“ statt Erschossene). Die guten Geschichten, die History und Story klug vereinen und genau deswegen unterhaltsam sind, könnten etwas salonfähiger sein. Zumindest sollte man über HAARP, die Earthquakemachine oder die Zahl 33 plaudern können, ohne dass jeder zweite Anwesende sogleich mit Immunisierungsbemühungen seine Redlichkeit aufrechtzuerhalten versucht. (Wer so denkt wie ich, dem sei hiermit die No Agenda Show wärmstens empfohlen.)

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Krieg erleben, Kriege führen

Letzten Freitag war die Welt in Ordnung. Der Prinz heiratete seine Prinzessin und jeder der zu Hunderttausenden in London anwesenden Gäste spürte, dass er am richtigen Ort war, in der Welthauptstadt für einen Tag. Ein kollektives Zufriedenheitsgefühl wohl, wie man es seit den 1990ern nicht mehr erlebte. Zwei Nächte später wurde anderswo auf den Straßen gefeiert. Den New Yorkern kann man die kollektiv gefeierte Erleichterung noch nachsehen, bei den gerade zwanzigjährigen Collegeboys, die überall in den USA auf die Straße rannten, fällt das schon schwerer. Doch ihnen ist eigentlich auch kein Vorwurf zu machen. Sie können sich an die Unbekümmertheit der 90er nicht erinnern, ihr halbes Leben wurden sie mit bin-Laden-Tonbändern vollgedröhnt und nun ist er endlich tot.

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Was kann der König?

Dieser Tage hat, endlich, William seine Kate geheiratet. Eine schöne Zeremonie, zwei Versprechen, besiegelnde Küsse und Ringe – eine romantische Traumhochzeit aus dem Märchenbuch. Oder anders: Am 29. April 2011 hat Fürst William Arthur Philip Louis Mountbatten-Windsor, KG die bürgerliche Catherine Elizabeth Middleton geheiratet und wurde dadurch Herzog von Cambridge. Romantische Traumhochzeit oder ernste Staatsräson, das ist die Frage. Und es war natürlich beides.

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Zum Leben verurteilt

Die Überschrift ist eine aus dem Fundus der inspirierenden Widersprüchlichkeiten, die immer wieder kurze Einwürfe und manchmal buchlange Diskussionen verursachen. Meistens driftet man mit ihnen in die Schöndenkerei ab, redet über Widerstände, die das Leben greifbar machen, über Hindernisse, die beim Blick zurück einen Weg erkennen lassen oder über unüberwindbare Barrieren, die alte Wege versperren und dadurch zu neuen führen. Wenn wir der Ratgeberliteratur glauben, können und müssen wir uns und andere zum Glück zwingen, weil Philosophen sagen, dass wir zur Freiheit verurteilt sind.

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Unerträgliche Individualität

Ich vermute, ich muss mein, noch nie vorgetragenes aber bei Anlass stets mitlaufendes, hartes Urteil gegenüber All-Inclusive-Pauschaltouristen überdenken. Es gibt anscheinend doch nachvollziehbare Gründe, für viel Geld in ein fremdes Land zu fliegen und dort mit Absicht nichts weiter zu erleben, als ein nach globalen Standards gestyltes Hotel, 10 m Sand und überall gleiches Wasser.

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Mitmachen, Bessermachen, Rumnölen

Die Reflexe funktionieren noch. Gott sei Dank, denn ohne sie, bliebe von der deutschen “politischen Blogosphäre”* beinah nichts. Die Herren um “netzpolitik.org” haben einen Verein gegründet, die “digitale Gesellschaft”. Doch statt das internetgestützte Engagement begeistert zu begrüßen oder wohlwollend zu ignorieren entschied man sich vielerorts für den dritten Weg, mit dem beinah jede politische Regung in- und außerhalb des Internets begleitet wird: Man hört davon und regt sich auf. Die Kritikpunkte in einem Satz: Die digitale Gesellschaft ist ein abgeschotteter Lobbyverein, der sich anmaßt, die „Netzgemeinde“ zu vertreten und vom Publikum Leistung einfordert, ohne Mitsprache einzuräumen.

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Frechheiten einstecken und austeilen

Ich bin die vergangenen Tage durch ein paar Bücher geflogen, die sich als Praxisliteratur mit Schreiben und Sprache befassen. Ich denke, ich habe jetzt einen verwertbaren Überblick über die zum Standard gehörend geltenden Bücher und Autoren, die sich mit guter und sinnvoller Deutschverwendung befassen. Die inhaltliche Ausbeute war allerdings dürftig. Ohne einzelne Werke herauszugreifen, waren wirklich hilfreiche Tipps so selten, dass sie sich irgendwann als Überraschungen einstellten, die den öden Verlauf der Bücher durchbrachen.

Ein Buch stellt jedoch eine Ausnahme dar: Deutsch für Kenner – Die neue Stilkunde von Journalist, Verlagsleiter, Chefredakteur, Journalismuslehrer, Honorarprofessor und Medienpreisträger Wolf Schneider. Endlich mal kein Pädagogikbuch, dass einen stets daran erinnert, dass man am besten seinen eigenen Weg findet, Leidenschaft benötigt und das Buch bitte weniger als Regelwerk denn als Anregungshilfe verstehen möge. W. Schneider beginnt das Buch zwar mit dem Hinweis, dass es in Amerika eine „Readability“-Forschung gäbe, die sich zäh als „Verständlichkeitsforschung“ in Deutschland etabliert, doch von solchen in gewisser Weise objektiven Grundlagen driftet er schnell ab um radikal subjektiv nicht nur über die gute Sprache zu sinnieren, sondern sich auch über den konkreten Sprachgebrauch in Zeitungen, Betriebsanleitungen und Amtsblättern lustig zu machen und aufzuregen. Das Buch ist mit Haltung und Erfahrung geschrieben und erfüllt, während sich die andere Literatur mit ungestellten Fragen und unklaren Prinzipien herumschlägt, genau dadurch seinen Zweck.

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Ideeninfizierung und Immunreaktionen

Frank Rieger hat in der heutigen FAZ einen 2000-Worte Artikel geschrieben, der eindrucksvoll und historisch unterfüttert aufzeigt, wie die Gesellschaft in das Atomzeitalter hineingestolpert ist. Am Anfang stand die theoretische Erkenntnis. Das darauf folgende Manhattanprojekt führte zur Bombe. Beim Plutonium brüten fiel die Wärme an, die anfangs noch als lästiges Abfallprodukt bald zur Idee der zivilen Atomkraft-Dampfmaschine führte und drei Jahrzehnte später standen in der ganzen Welt Atomkraftwerke. Soweit ist es, extrem nüchtern betrachtet, eine soziologische Bilderbuchgeschichte. Eine wissenschaftliche Idee führte zu politischen Ideen, die sich auch wirtschaftlich auszahlten. Ohne zentrale Kontrolle, ohne finale Absichten blühte eine Idee auf, die der Menschheit Siege, Wohlstand und Kontinuität brachte – bis eins, noch eins und noch ein weiteres Atomkraftwerk kaputt gingen und schlagartig gelernt werden musste, dass die Realität nicht nach Lehrbuch funktioniert. Nur war das Lernen jetzt nicht mehr partikulares Anliegen, sondern gesellschaftlicher Auftrag.

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