Weshalb sachlich, wenn es auch persönlich geht

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Über Gefühle in Organisationen

Interview von Peter Laudenbach mit Stefan Kühl

Eine ausführliche Fassung des Interviews ist im Heft 4/2019 von Brandeins erschienen und wird ab Mai 2019 online zugänglich gemacht. Diese Fassung auf den Sozialtheoristen soll aber jetzt schon ermöglichen, die teilweise sicherlich provokanten Thesen zu diskutieren

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Die überraschende Renaissance eines verstaubten soziologischen Konzeptes. Wie Praktiker das Wort „agil“ missverstehen

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Kaum ein soziologisches Konzept ist so aus der Mode wie das sogenannte Agil-Schema des US-amerikanischen Strukturfunktionalisten Talcott Parsons. Es finden sich kaum noch Wissenschaftler, die mit dem ursprünglich mal als umfassenden soziologischen Erklärungsansatz entwickelten Agil-Schema arbeiten, hat es sich doch in der Anwendung als viel zu schematisch herausgestellt. An Universitäten wird das Agil-Schema bestenfalls noch kursorisch in Vorlesungen zur Geschichte der Soziologie vermittelt, sodass die meisten Soziologen kaum noch in der Lage sind, dieses Schema auf die Analyse zum Beispiel von Familien, Schulklassen oder Unternehmen anzuwenden.[1] Um so überraschender ist, dass  Talcott Parsons mit seinem Agil-Schema außerhalb der Soziologie eine auffällige Renaissance erlebt.

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Von den Zwängen und Freiheiten der Lehre. Wider die Verklärung von Lehr- und Lernkulturen

An Hochschulen hört man immer mehr Stimmen, die eine Veränderung von Lehr- und Lernkulturen fordern. Die Prüfungs- und Benotungskulturen, die Beratungs- und Unterstützungskulturen, die Fort- und Weiterbildungskulturen und die Qualitätsentwicklungskulturen müssten, so die Stimmen, so verändert werden, dass eine an den Bedürfnissen von Studierenden ausgerichtete Lehr- und Lernkultur entstehe.

Mit der inzwischen inflationären Verwendung des Kulturbegriffsvollzieht sich an den Universitäten und Fachhochschulen ein Trend nach, der in Unternehmen und Verwaltungen, aber auch Polizeien und Armeen sowie in Kirchen schon längere Zeit zu beobachten ist. Auch dort wird die Hoffnung auf eine größere Effizienz, auf eine höhere Mitarbeiterzufriedenheit und stärkere Kundenorientierung mit einer Veränderung der Organisationskultur verbunden.

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Für ein Realismusgebot in der Diskussion über künstliche Intelligenz

Working Paper 5/2018

Kaum noch jemand traut sich die Geschichte vom smarten Kühlschrank zu erzählen, der auf einer Lebensmittelplattform automatisch die fehlende Milch nachbestellt. Zwar ist es technisch kein Problem, einen Kühlschrank mit Sensoren auszustatten, die entsprechend gekennzeichnete Lebensmittelverpackungen erkennen können. Aber der alltägliche sehr menschliche Blick in den Kühlschrank, ob noch genug Milch da ist, zeigt, dass die inzwischen über zehn Jahre alte Geschichte vom nachbestellenden Kühlschrank lediglich eine der vielen nicht erfüllten Technik-Phantastereien zu bleiben scheint.

Technikhistorische Forschungen haben gezeigt, dass die meisten technischen Voraussagen und Visionen Hirngespinste geblieben sind. Die meisten Voraussagen werden im Nachhinein so zurechtinterpretiert, dass man den Eindruck bekommt, dass hier Trendforscher über hellseherische Fähigkeiten verfügt haben, aber ein genauerer Blick zeigt, dass richtige Voraussagen technischer Entwicklungen eine äußerst seltene Ausnahme sind. Die Geschichte der Trendforschung, der Technikfolgenabschätzung und der Zukunftsprognostik ist eine Geschichte von Irrungen und Wirrungen.[1]

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Die Renaissance des militärischen Schnupperpraktikums

 

 

Working Paper 4/2018

 

Die Forderung nach der Einführung einer einjährigen Dienstpflicht wird von ihren Verfechtern mit viel Emphase vorgebracht. Junge Menschen könnten über ein „Gesellschaftsjahr“ ihrem Land „etwas zurückgeben“ und würden dadurch den Zusammenhalt im Land stärken. Eine Dienstpflicht für alle könnte zur Entwicklung der „Persönlichkeit“ beitragen – ein Effekt, der durch Turboabitur und Studienzeitverkürzung auf der Strecke bleibe. Junge Menschen könnten durch eine Dienstpflicht lernen, endlich wieder früh „Verantwortung zu übernehmen“ und für „andere einzustehen“.

Die Verfechter geben einen Strauß von Möglichkeiten für die Ableistung eines solchen verpflichtenden Dienstjahres an – in der Pflege, bei der Feuerwehr, in der Bundeswehr, im Naturschutz oder in der Entwicklungshilfe. Aber diese Vielfalt an Möglichkeiten und Begründungen kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass es einen einzigen Grund gibt, weswegen Politiker der CDU das Konzept der Dienstpflicht für junge Männer und Frauen reaktiviert haben: die eklatanten Probleme der Bundeswehr, ausreichend Personal zu finden. Es ist in der Bundeswehr ein offenes Geheimnis, dass trotz teurer Werbekampagnen, trotz einer erheblichen Absenkung der Anforderungen und trotz eines Anhebens der Anreizmechanismen Jahr für Jahr Trausende von jungen Menschen zu wenig für den Dienst an der Waffe gewonnen werden können. Die Wiedereinführung der Wehrpflicht im Gewand einer Dienstpflicht für alle Männer und Frauen soll hier Abhilfe schaffen.

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Das moralisierende Unternehmen

Flickr: juanjominor

Wie die Forderung nach Integrietät Mitarbeiter zu Heuchlern macht

Working Paper 3/2018

Integrität ist die neue Lieblingsvokabel im Management. Mitarbeiter sollen sich nicht mehr nur an staatlichen Gesetzen und internen Regeln orientieren, sondern sich auch unter moralischen Gesichtspunkten korrekt verhalten. Die Spitzen der Organisationen verpflichten sich zu einer „integren Unternehmenspolitik“, bekennen sich zu einer „werteorientierten Führung“ und fordern von ihren Mitarbeitern eine „moralische Haltung“ ein. Unternehmen richten inzwischen die Position des Chief Integrity Officer ein. Verwaltungen starten umfassende Programme zur Förderung von Integrität unter den Mitarbeitern. Krankenhäuser verteilen Fragenkataloge, mit deren Hilfe Mitarbeiter vor jeder Entscheidung abschätzen können, ob sie den Ansprüchen an Integrität entspricht oder nicht.

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Abwesenheit als Krise

Tobias Sieben: Hörsaal

Was die Debatte über Anwesenheitslisten über die Situation an den Hochschulen aussagt

Working Paper 1/2018

 An den Hochschulen wird kaum eine Debatte so emotional geführt wie die über Anwesenheitslisten, diese Blätter, mit dem zu Beginn oder zum Ende einer Veranstaltung überprüft wird, wer anwesend und wer abwesend ist. Der Grund für die hitzige Debatte liegt in der Symbolik der Listen als Ausdruck  für die Anwesenheitspflicht in Vorlesungen, Seminaren und Übungen. Das Herumgeben der Listen signalisiert den Studierenden, dass man ihnen nicht zutraut, aus eigenem Antrieb in die Veranstaltungen zu kommen. Die Anwesenheitslisten sind aus Sicht der Studierenden der an den Hochschulen institutionalisierte Zweifel an ihrer Lernbereitschaft.

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Die Holocaustforschung beforscht sich selbst

Foto: Wolfgang Staudt: Berlin 2008, 02.08.2008

Soziologische Perspektiven auf die Probleme der Zeitgeschichtsforschung

Working Paper 16/2017

Die Holocaustforschung befindet sich im Prozess der Selbsthistorisierung. Auf der Konferenz zum zehnten Todestag des US-amerikanischen Holocaustforschers Raul Hilberg, die letzte Woche in Berlin stattfand, wurde weniger darüber diskutiert, wie man mit den originellen Fragestellungen und Herangehensweisen Hilbergs weiterarbeiten könnte. Im Mittelpunkt stand vielmehr eine Historisierung des Historikers selbst – seine Differenzen mit Hannah Arendt, die Geschichte der verschiedenen Auflagen seines Standardwerks über die Vernichtung der europäischen Juden, seine Schwierigkeiten, sein Buch übersetzt zu bekommen, oder sein Wirken auf den ersten wissenschaftlichen Konferenzen zum Holocaust.[1]

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Zur Reaktion der Politik auf überhöhte Abgaswerte

Foto: Rodrigo Soldon

Fürchtet Euch

Verkehrspolitik als Beispiel einer verzerrten Risikowahrnehmung

Stefan Kühl

stefan.kuehl@uni-bielefeld.de

 Juli 2017

 Working Paper 14/2017

 Wenn man Menschen fragt, wovor sie Angst haben, hört man Antworten wie Terroranschläge, Gewaltverbrechen oder Impfschäden. Dabei ist die Wahrscheinlichkeit, Opfer eines solchen Ereignisses zu werden, äußerst gering. Andere Gefahren sind viel relevanter – die freiwillige Aufnahme von übermäßig viel Alkohol, das deutlich weniger freiwillige Passivrauchen oder die schleichende alltägliche Vergiftung durch Autoabgase. Angesichts dieser verzerrten Wahrnehmung spricht man in der Soziologie von einem Risikoparadox – der systematischen Überschätzung von gut sichtbaren und der Unterschätzung von nicht so leicht erkennbaren Risiken.[1]

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Ironie der Digitalisierung – weswegen Steuerungsphantasien zu kurz greifen

von Stefanie Büchner, Stefan Kühl und Judith Muster

Das Konzept der Digitalisierung gilt in der Wirtschaft als ein neues Heilsversprechen. Digitale Geschäftsmodelle verheißen neue Gewinnchancen. Wenn man sich schon nicht zu ganz neuen Ufern aufmacht, so will man wenigstens die Leistungsreserven der bestehenden Organisation heben. Durch digitale Transformation soll die Automatisierung betrieblicher Prozesse vorangetrieben werden. Die Idee: Je vernetzter und schneller die Prozesse strukturiert sind, desto effizienter und wirtschaftlicher die Wertschöpfung.

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Zum Niedergang der Piratenpartei

Foto: Andy Nystrom

Vor wenigen Jahren galt die Piratenpartei als die vielversprechendste Neugründung in der Parteienlandschaft. Zielsicher besetzten sie das Thema der Netzpolitik, als manche Politiker anderer Parteien noch dabei beschäftigt waren, zu begreifen, wie ihr Internetanschluss funktioniert. Aber die Euphorie ist schon seit einiger Zeit vorbei. Mit der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen ist die Piratenpartei jetzt aus dem letzten deutschen Landtag geflogen. Sicherlich ‒ die fehlende Repräsentanz in Parlamenten ist allein noch kein ausreichendes Indiz für den Niedergang einer Partei. Aber der erhebliche Verlust von Parteimitgliedern in den letzten Jahren, darunter auch fast die Hälfte ihrer ehemaligen Bundesvorsitzenden, ist ein deutliches Zeichen für eine grundlegende Krise dieser Partei.

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James March. Die Zerlegung des zweckrationalen Modells der Organisation

Foto: Eksergia.fi

Dieser Text basiert auf einem Vortrag über James G. March für Praktiker aus Management und Beratung am 19.5.2017 in Berlin. Weil ich gebeten wurde, zu zeigen, wie ich Überlegungen von March in meiner Reflexion über Management- und Beratungspraxis nutze, finden sich in den Fußnoten Referenzen auf Texte von mir, in denen ich explizit Überlegungen von March aufgreife.

1.    Die Grenzen des zweckrationalen Modells der Organisation

Das unter Managern und Beratern populäre zweckrationale Verständnis von Organisationen hat auf den ersten Blick eine bestechende Logik. Auf der Basis der Analyse der Umweltbedingungen soll der übergeordnete Zweck der Organisation bestimmt und die verschiedenen Mittel zu dessen Erreichung abgeleitet werden. Dabei sollten die möglichen Mittel in Bezug auf Vor- und Nachteile ausführlich analysiert werden, um so den Weg bestimmen zu können, mit dem der übergeordnete langfristige Zweck am besten erreicht werden kann. Die Mittel werden dann operationalisiert, und es werden quantitative Vorgaben formuliert, Meilensteine definiert und Aktionspläne aufgestellt, deren Erreichung durch das Management regelmäßig kontrolliert wird.[1]

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