Wenn drei sich streiten

Fragestellungen zu politischen Phänomenen sind immer wieder gerade dann besonders interessant, wenn die Politikwissenschaft nicht mehr in der Lage ist, sie zu behandeln. Ich vermute es liegt daran, dass sich Politikwissenschaftler zu wenig als Historiker und zu viel als Berater verstehen. Sie erklären, wie man überall auf der Welt Demokratie herstellen könnte, ohne verstehen zu wollen, was Demokratie im Kern ausmacht. Sie erklären, wie man Korruption bekämpft, ohne verstehen zu wollen, warum es sie gibt. Und sie erklären, wie man die Bindestrichkrise in Europa abwickeln könnte, ohne viele Gedanken dafür zu nutzen, zu verstehen, was von Europa bleibt, wenn „die Krise“ überwunden wäre.

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Ende der Kreditfähigkeit

Der Begriff Kredit verweist auf das Aufschieben von Zahlungen. Diese einfachste Form der Begriffsverwendung ist massenmedial inzwischen so präsent, dass die eigentliche Funktionsweise schon nicht mehr behandelt wird. Anstatt Tatsachen zu erklären, wird einfach auf den tradierten Begriff Kredit (als massenmedial taugliches Schema) zurückgegriffen und schon ist die Lage Irlands, Griechenlands, der Frankfurter Rundschau und die von 1860 München beschrieben: Diese Länder und Institutionen haben Schulden, die sie nicht bezahlen können – sie stehen vor tief greifenden Veränderungen.

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Soziale Ausglegungsfälle

Im letzten Artikel ging es um die auf jede größere regionale Naturkatastrophe mittlerweile folgende globale Kulturkatastrophe. Der Zwang, eine Atomkatastrophe wie die in Japan mitzuerleben, führt dazu, das der bestehende Semantikapparat, der für Diskussionen seit Jahren und Jahrzehnten genutzt wird, ein geändertes strukturelles Fundament bekommt. Aus manchen Befürchtungen wurden Gewissheiten aus vielen Vermutungen wurden harte Fakten.

Im momentanen Ablauf der Krise erhärtet sich dabei langsam aber sicher eine Erkenntnis, die eventuell höherer Aufmerksamkeit bedarf, wenn das momentan zu lösende Problem hinreichend abgekühlt ist. Man sieht schon, der aktuelle Fall dient nur als Metapher.

Die Idee, dass Industrieanlagen auf irregulären Ablauf hin ausgelegt werden müssen und dass eine Grenzziehung zwischen Denkbar und Planbar (GAU) und Denkbar aber Unplanbar (Super-Gau) zu ziehen ist – ein „Rest“-Risiko also gesehen aber nicht mit kalkuliert wird – ist ein Zugeständnis an die Wirklichkeit, das nicht nur naturwissenschaftlich-technische, sondern auch soziale Riesenmaschinen betrifft.

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Stottern im Maschinenraum, Captain gefordert

Ich habe heute Michael Ballhaus in einem kurzen Interview gesehen. Er äußerte sich besorgt über das moderne Kino. Nachdem alle technischen Gestaltungsmöglichkeiten ausgeschöpft seien, kann man „die Menschen nicht mehr überraschen, weil sie wissen, dass alles möglich ist.“ Er ist an dieser Stelle ganz Kameramann, denn was für den Filmingenieur ein Problem darstellt, ist für den Regisseur eine willkommene Herausforderung – die Gestaltungsmöglichkeiten sind nämlich noch längst nicht erschöpft. Gerade die ausgereifte technische Raffinesse bietet das sichere Fundament für ganz neue Spielereien mit den Möglichkeiten der Drehbuch- und Schauspielarbeit.

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„Was ist Öffentlichkeit?“ ist die falsche Frage

Eigentlich ist Jeff Jarvis ein Typ, dem man gut zuhören kann. Er darf sich nur nicht vorbereiten und weder über Journalismus noch Google sprechen. Bei Twig („This Week in Google“, einem Leo Laporte „Netcast“) ist Jeff Jarvis wöchentlich eine Stunde zu hören – man redet über das Neuste aus dem Internet, bereitet sich nicht groß vor, sondern liest einfach die einschlägigen Blogs und Jeff Jarvis stellt häufig kluge, naive Fragen, mit denen er die Techies etwas aus der Reserve lockt.

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(Buchempfehlung) Thema: Staatsschulden

Seit 2008 die „Krise“ losbrach, kamen, auch in Texten dieser Seite, viele soziologische Fragen auf, die den Unterbau der „wirtschaftlichen Realitäten“, wie er in den Massenmedien erzählt wurde, betrafen. Eine, und die mich am meisten interessierende, war die nach dem Phänomen der Staatsschulden. Während Unternehmen als Organisationen des Wirtschaftssystems klar was mit Geld zu tun haben und sich beinah gänzlich darauf (Kosten und Profit) reduzieren lassen, nicht weil es erkenntnisfördernd ist (ihren Organisationscharakter zu ignorieren), sondern weil es der Semantik der Gesellschaft entspricht, liegen bei Staaten doch andere Grundlagen. Ein Staat ist weder als Organisation noch als primär wirtschaftliches Phänomen zu begreifen. Doch gerade er ist die Instanz, die dem alltäglichen Geld, nach der Abkehr von materieller Rückversicherung, seinen Wert verleiht.

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Aufklärung und Meinungsbildung (mit FAS-Hilfe)

Die EU-Finanzmisere mit Deutschland und Griechenland in den Hauptrollen wird meiner Ansicht nach soziologisch interessant, weil sie und ihr rahmendes Medientheater aufzeigen, dass es bei der Behandlung der Krise um alles geht aber nicht um Aufklärung.  Wer Bescheid wissen will, kann alle notwendigen Fakten nachlesen. Sich eine eigene Meinung zu bilden ist ebenso leicht. Hier die zwei Etappen.

Zur vollständigen persönlichen Aufklärung reicht allein die Lektüre der heutigen Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung. Es finden sich etliche Texte in verschiedenen Umfängen zum Thema in ihr. An unterschiedlichen Perspektiven mangelt es auch nicht. Meine kleine Auswahl:
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Gesellschaftlich abgemeldet / individuell eingerichtet

Dieser Text „Sozialhilfe auf fünf Jahre begrenzen“ von Gunnar Heinsohn ist etwas merkwürdig. Ich hab ihn zuerst überflogen, dachte mir dabei, es sei wohl wieder so ein Text der eine dieser Feuilleton-Debatte anschieben soll, sofern DIE ZEIT noch weitere Moralprofessoren in der Hinterhand hat, sah dann jedoch, dass es ein Beitrag von Gunnar Heinsohn ist und las ihn nochmal gründlicher.

Naja, vielleicht gibt es noch einen zweiten Gunnar Heinsohn. Dem den ich bisher kannte, hätte ich solche Sätze nicht zugeschrieben:

Die deutsche politische Führung scheint fest entschlossen, weiter auf dem erfolglosen, immer teurer werdenden Weg der verfehlten Einwanderungs- und Sozialpolitik zu gehen.

Solange die Regierung das Recht auf Kinder als Recht auf beliebig viel öffentlich zu finanzierenden Nachwuchs auslegt, werden Frauen der Unterschicht ihre Schwangerschaften als Kapital ansehen.

Naja.

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Planwirtschaft reloaded

Durch Innovationsbemühungen vorwärts in die Vergangenheit?

Die Planwirtschaft ist wieder auf dem Vormarsch. Fast jeder wird dies im Alltag beobachten können. Und um Missverständnisse auszuräumen, sei vorweg gesagt, worum es nicht geht: Die Planwirtschaft wird den Kapitalismus nach der Bankenkrise nicht ersetzen. Auch wenn sich einige dies wünschen mögen, gibt es die Planwirtschaft nicht zurück (es sind halt die Leser der SuperIllu…). Und doch finden sich unmissverständliche Anzeichen für den Rückkehr der Planwirtschaft. Der Wandel vollzieht sich allerdings nicht im politischen System, sondern vielmehr auf allgemeiner organisationaler Ebene und ist eng mit den Stichworten Qualitätssicherung, Zielvereinbarung, leistungsbezogene Vergütung, Evaluation und Reform verbunden. Es sieht ganz danach aus, als ob die Planwirtschaft auf organisationaler Ebene eine Renaissance erlebt, die abseits intendierter Ziele ganz praktisch realisiert wird. Wie konnte es dazu kommen?

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Shout at the Devil

Ich werde mal versuchen, in dieser kurzen Skizze hier, sowohl Stefans Artikel als auch Ennos Artikel zu behandeln- aus dem Grund (schon wieder) ein neuer Artikel und kein Kommentar.

Vorschalten möchte ich meinem Beitrag allerdings eine Frage und zwar die, ob man nicht mit einiger Berechtigung fragen könnte, ob ein soziales System, dass sich rekursiv über Kommunikation reproduziert, überhaupt in eine Krise geraten kann?

Um aber ins Thema einzusteigen: Ich denke, ebenso wie Enno, dass es nicht möglich ist, die aktuelle Finanzkrise kausal aufzuschlüsseln, eben weil Kausalität ein Endloshorizont ist, in den man irgendwann mehr oder weniger willkürlich eine Zäsur einführen muss, um Beobachten überhaupt erst zu ermöglichen. Ich würde dabei allerdings nicht soweit gehen, zu sagen, dass es aus diesem Grund keine Ursache für die momentane Krise gibt. Sobald ein Beobachter die Krise unter dem Schema Kausalität beobachtet, können auch Ursachen angegeben werden- die dann sicherlich mehr oder weniger adäquat sein können. Man kann also nie ontologisch die Ursache der Krise ausmachen, weil es diese nicht gibt- sie muss über einen Beobachter konstruiert (mit Unterscheidungen beobachtet) werden. Dementsprechend kann es auch keine falschen Kausalpläne geben, woran sollte man die Falschheit dieser Pläne auch messen wollen, wenn man auf die Vorstellung einer seienden Realität verzichtet? Sicherlich kann man die Adäquanz im Nachhinein beurteilen, aber eben wieder nur als distinktionsgeleitete Beobachtung- dieses Mal im Schema richtig/falsch. Aber sie können nicht in dem Sinne falsch sein, dass sie nicht mir der Realität übereinstimmen.

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