Ach so, Apple

Revolutionen werden aus Cupertino in Serie geliefert, daran wurde die Welt gewöhnt. Alle halbe Jahre ist „wieder einmal“ alles anders, alles neu: „dünner, schneller, schöner“ als jemals zuvor. Seit fast zehn Jahren ist sich Apple dieser Linie treu. Auf Bühnen werden Dinge vorgestellt, die die Welt angeblich noch nie gesehen habe.

Seit der ersten iPod-Vorstellung nimmt sich die Apple-Fangemeinde diese Bühnenshows vor, schneidet die „incredible“-, „unbelievable“- und „amazing“-Wortschnippsel heraus und setzt sie zu einem einfältigen Eigenlobvideo wieder zusammen. Anfangs war das ziemlich witzig. 10 Mal „amazing, 12 Mal „incredible“, 17 Mal „unbeliebable“ pro Auftritt – so ungefähr war es 2007, als das iPhone vorgestellt wurde.

Heute sind diese Zusammenschnitte so lang, dass sie kaum noch lustig sind, dafür allerdings langweilen und Apple die Grenze zur Peinlichkeit mehr als touchieren lassen. Ein Jahr nach dem Tod von Steve Jobs überdrehen sein Nachfolger Tim Cock und Apple-Marketingchef Phil Shiller, der immer mehr Zeit auf den Bühnen bekommt, das Rad.

Das neue iPad-Mini, das statt knapp zehn Zoll nun nur noch fast acht Zoll Bildschirmdiagonale aufweist ist selbstverständlich „revolutionary“, „phantastic“, „amazing to use“. Doch halt! Gibt es nicht Zitate von Steve Jobs, wie er sich fragte, was man mit einem Tablet kleiner als das iPad aber größer als das iPhone anfangen sollte? Ja die gibt es. „Totgeburt“ urteilte Jobs über die Produkte der Konkurrenz, die mit diesen Zwischengrößen in den Markt ging. Doch diese Worte von Jobs sollen für Apple nun nicht mehr gelten.

Ausführlich wie kein anders Gerät wurde das kleine iPad auf der Bühne mit der Konkurrenz verglichen. Das zentrale Argument: Das iPad Mini habe eine um 35 Prozent größere Displayfläche als das Nexus 7, das derzeitige Flagschiff der Konkurrenz von Google und Samsung Asus. Sensationell! Fast so sensationell wie, dass es inzwischen jede Displaygröße zu kaufen gibt. Das es dem kleinen iPad gehörig an Displayauflösung fehlt und dass es fast doppelt so teuer ist, wurde dafür unterschlagen.

Aus den Apple-Produktshows ist Waschmittelwerbung geworden. Weiße Wäsche wird weiß, weißer am weißesten gewaschen. Unmerklich ist dabei ein zu iPhone-Zeiten tatsächlich magischer Aspekt verloren gegangen: Apple präsentiert heute nur noch Geräte. Die Welt, die durch sie herbeigeführt werden soll, das oftmals Kritikwürdige, aber Visionäre, das wurde aus den Augen verloren. Steve Jobs hat vor seinem Tod auch vom „thermonuklearen Krieg“ gegen die Konkurrenz gesprochen. Nun hat man sich bei Apple anscheinend entschieden, dass dieser sein Vermächtnis sein soll.

(Bild: Apple Produktvideo)

Veröffentlicht von Stefan Schulz

Diplom-Soziologe aus Jena via Bielefeld in Frankfurt am Main. Kümmert sich promovierend um die Bauernfamilien des 12. Jahrhunderts mit ihrem Problem der erstmaligen "Kommunikation unter Unbekannten" und ist heute Journalist. stefanschulz.com

2 Kommentare

  1. Mattes sagt:

    Japp, Apple ist momentan dabei, sein magisches zu verlieren. Man kann es nicht mal richtig irgendwo dran fest machen, aber es das Gefühl istso langsam weg.

    Kleine Korrektur: das Nexus 7 ist von Asus, von Samsung ist das letzte Galaxy Telefon.

  2. Stefan Schulz sagt:

    Oh, stimmt. Danke für den Hinweis.

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