„Man muss auch wirklich Spaß haben am Wetter“ – Ein Gespräch mit dem Meteorologen Jürgen Schmidt

Eisiger Schneesturm oder plötzliches Frühlingserwachen: Kommt es zu sehr markanten Witterungen, stehen die Telefone bei den Wetterdiensten nicht mehr still. Doch auch außerhalb der Extreme ist die Disziplin gefragt. Ob im Alltag, als Infotainment oder als Dienstleister der Wirtschaft: ohne Wetterbericht läuft nichts. Ein Gespräch mit Jürgen Schmidt – Geschäftsführer von „WetterKontor“, einem der führenden privaten Dienste in Deutschland – über Meteorologie und Medien, die Tücken des Prognostizierens, warum die Winter auch mal wieder kälter werden könnten und zur vielleicht wichtigsten aller Fragen: Bleibt der Frühling?

Meteorologe Jürgen Schmidt ist seit 2008 Geschäftsführer des Wetterdienstes WetterKontor GmbH mit Sitz in Ingelheim am Rhein. Der Dienst stellt seine allgemeinen und spezifischen Prognosen quer durch die deutsche Medienlandschaft sowie für Unternehmen und Versorgungsbetriebe bereit. Hinzu kommen typische Sonderleistungen eines privaten Wetterdienstes, wie sie heute in branchenspezifischen Beratungen und Präsentationen bzw. rund um das Thema Multimedia bestehen. Bild: Privat/WetterKontor/Montage Sozialtheoristen.

 .

Schütz (Sz)/Sozialtheoristen: Herr Schmidt, lassen Sie uns einmal auf den „Schnee von gestern“, also vor zwei Wochen schauen. Bei uns im Nordwesten sollte erst ein halber Meter fallen, dann gar nichts mehr. Am Ende kam überraschend doch noch einiges zusammen. Winterfans fiebern da ja bis zur letzten Minute. Ich vermute, solche Ereignisse sind selbst für Sie als erfahrenen Meteorologen noch spannend?

Ja genau. Das ist diese Grenzwetterlage, mit der sich die Modellrechnungen sehr schwer tun. Wir hatten hier das Zusammentreffen kalter Luft am Boden und milder Luft in der Höhe. Und das ist immer schwierig zu sagen, was jetzt die Oberhand behält und wie weit die Schneegrenze vorankommt. Das kann man meistens erst an dem entsprechenden Tag anhand der eingehenden aktuellen Wettermeldungen sagen. Für die Kurzfristvorhersage der nächsten Stunden nimmt man dann auch nicht mehr die Wettervorhersage-Modelle, sondern die aktuellen Messungen an den Wetterstationen in der Region, Satellitenbilder und Radarbilder. 

Das heißt, die Prognosen werden am Tag des Ereignisses noch validiert, sie werden immer weiter verbessert, je näher das Geschehen herankommt?

Richtig. Gut, es gibt natürlich 15-Tage-Vorhersagen, wovon wir ja eher nichts halten. Bei einer solchen Extremlage tastet man sich gewissermaßen an den jeweiligen Tag heran. Es deutete sich ja schon an, dass es zu einer solchen Grenzwetterlage kommt. Man fokussiert dann bestimmte Bereiche, die betroffen sein könnten. Damit limitiert man die Regionen nach und nach genauer. Das Problem ist hierbei aber, die ganz stark betroffenen Regionen herauszufinden. Für das Ruhrgebiet war zunächst eher Eisregen zu erwarten, dann wäre ganz im Norden auch mehr los gewesen. Es spielte sich dann aber weiter in der nördlichen Mitte ab (Ruhrgebiet, Münsterland, Westfalen, südliches Niedersachsen, Nordhessen und Thüringen). Und dort ist ungewöhnlich viel Schnee gefallen. Zur Sicherheit werden die Tage zuvor aber größere Regionen eingeschlossen, da auch kurzfristige Änderungen bei einer solchen Wetterlage nicht auszuschließen sind. 

Sie sagten, die 15-Tage-Vorhersagen sind kritisch zu betrachten. Allerdings war es genau in dieser Lage ja so, dass man schon früher sehen konnte, dass sich etwas zusammenbraut?

Die Grenzwetterlage selbst war noch nicht so früh absehbar, aber es gab den Trend, dass wahrscheinlich Kaltluft über Russland zu uns rüberkommt. Das hatte sich angedeutet. Aber man muss halt immer überlegen, was will man denn mit einer Prognose ausdrücken? Mit den Langfristprognosen werden sehr grobe Aussagen zu einem Trend gemacht. Zum Beispiel macht der Deutsche Wetterdienst (DWD) Quartalsprognosen, um grobe Tendenzen aufzuzeigen – ob es eher zu warm, zu kalt oder zu trocken wird. Eine 15-Tage-Prognose kann man natürlich z. B. für eine Wüstenregion relativ sicher machen. Aber das geht nicht in typisch schwierigen Orten wie der Küste oder im Mittelgebirge, wo Windrichtung und geografische Umstände Einfluss nehmen. 7 Tage sind häufig schon eine Herausforderung. Auch da hängt es von der Wetterlage ab. Wenn ich jetzt eine stabile Hochdrucklage habe, kann ich auch 7 Tage relativ stabil vorhersagen.

Zur Sicherheit werden die Tage zuvor aber größere Regionen eingeschlossen, da auch kurzfristige Änderungen bei einer solchen Wetterlage nicht auszuschließen sind.

Es wurde bei der letzten Wetterlage erst auch von einer womöglich wochenlangen Frostperiode gesprochen, was sich dann auf einmal auf Frühling drehte, den wir jetzt schon einige Tage genossen haben.

Stimmt, das ist so gewesen. Man muss die verschiedenen Luftschichten betrachten. Das war jetzt zum Beispiel nicht ein einheitliches Kältegebiet, sondern eines aus verschiedenen Kaltlufttropfen oder Höhentiefs (Tiefdruckgebiet in größeren Höhen der Atmosphäre), die sich in einem solchen Kältegebiet bewegen. Da haben schon kleine Änderungen große Auswirkungen. Wenn das Kaltluftgebiet schnell weg zieht, ist der Weg für die warme Luft frei. Wenn aus Nordosten noch ein Schub Kaltluft nachgekommen wäre, hätte es durchaus noch längere Zeit kalt bleiben können. Diese kräftige Milderung hat uns jetzt auch etwas überrascht. Aber kleine, schnelle Änderungen können bei so komplexen und extremen Luftmassen das Ganze in die komplett andere Richtung bewegen. Und dann geht man, wie jetzt, vom tiefsten Winter gleich in den warmen Frühling über.

Diese kräftige Milderung hat uns jetzt auch etwas überrascht. Aber kleine, schnelle Änderungen können bei so komplexen und extremen Luftmassen das Ganze in die komplett andere Richtung bewegen.

Zwei Wochen zuvor, Mitte Januar, gab es doch schon eimal eine solche Grenzwetterlage?

Ja genau. Das sind diese nicht so häufig vorkommenden Winter, wenn die Kaltluft von Nordosten zu uns gelangt, dann ist der Norden Deutschlands kalt und der Süden milder. Das ist in „normalen“ Wintern eher nicht so. Wenn man dann nach Bayern schaut, da ist es ja im Durchschnitt eher schneereicher und im Norden eher milder. Und in solchen besonders kalten Wintern, wenn die Luftmasse aus Nordost mit Hochdruckgebieten über Skandinavien zu uns bodennah ins Land herein fließt, dann ist es im Norden häufig kälter als im Süden. Das kommt nicht so häufig vor. Ganz extrem war es 1978/1979. Da waren die Temperaturgegensätze aber noch größer, weil da das Temperaturniveau über Skandinavien und Russland deutlich kälter war als in diesem Februar. Daher kam es damals zu einem tagelangen Schneesturm, vor allem in Schleswig-Holstein und in Mecklenburg-Vorpommern. 

Es wurde aber nicht so ganz wie 1978/1979?

Das war in einigen Regionen räumlich begrenzt schon der Fall. Die besondere Höhe der Schneedecke und dies in Verbindung mit den Schneeverwehungen – so etwas sind viele Leute heute nicht mehr gewohnt. Gerade Jüngere, können es auch nicht einschätzen, weil sie solche winterlichen Extremverhältnisse nach den vielen milden Wintern  so noch nicht mitgemacht haben. Diese starken Schneeverwehungen sorgen dann dafür, dass der Verkehr komplett zusammenbricht. Das war regional markant oder extrem, aber in diesem Fall dann trotzdem nicht im Ausmaß wie beim erwähnten Jahrhundertereignis 1978/1979.

Ganz extrem war es 1978/1979. Da waren die Temperaturgegensätze aber noch größer, weil da das Temperaturniveau über Skandinavien und Russland deutlich kälter war als in diesem Februar.

 

Vermutlich fast das Symbolbild der Schneekatastrophe 1978/1979: Eingeschneite Autos und Lastwagen auf der A7 zwischen Schleswig und Flensburg. Bild: Kai Greiser.

 

Einige Klimaforscher sagen, dass die Winter wieder kälter werden könnten.

Grundsätzlich ist es so, dass auch bei der Klimamilderung bzw. dem Klimawandel immer noch kalte Winter auftreten können. Aber weniger als früher. Das Fachgebiet dafür ist dann eher die Klimatologie, nicht die Meteorologie. Immer wieder wird hier der Golfstrom diskutiert – inwieweit der Klimawandel einen Effekt auf den Golfstrom hat. Kurz gesagt: Durch Eis- und Gletscherschmelze kann sich der Salzgehalt im Meer reduzieren, das hat Einfluss auf die Fließgeschwindigkeit und kann zur Verlangsamung des Golfstroms führen. Der Golfstrom sorgt ja für höhere Wassertemperaturen rund um die Britischen Inseln, in die Nordsee und bis ins Nordmeer hinein. Dadurch sind die Temperaturen für diese und auch für unsere Breitengrade eigentlich ungewöhnlich mild. Durch eine Abschwächung des Golfstroms könnte es insgesamt kälter werden in Mitteleuropa, vor allem im Winter.

Grundsätzlich ist es so, dass auch bei der Klimamilderung bzw. dem Klimawandel immer noch kalte Winter auftreten können. Aber weniger als früher.

Dann gibt es im Zusammenhang mit dem Klimawandel die Diskussion um den Polarwirbel, der sich nun häufiger aufzusplitten scheint. Wenn wir einen kompletten, also „normalen“ Polarwirbel haben, so wie in den meisten Wintern, dann ist es bei uns eher mild. Wenn der Polarwirbel sich aber in zwei Kältegebiete aufteilt, führt das häufig dazu, dass die Kälte aus Russland und Skandinavien auch zu uns kommt. Das hieße, dass die Winter womöglich in Zukunft häufigere kältere Perioden aufweisen würden. Aber insgesamt geht der Trend der Temperaturen weiter nach oben. 

Ganz verschiedene Einflüsse und Wirkungen also. „Gutes“ Wetter und spannende Prognosen sind ja immer gefragt. Müssen Sie da auch schon mal die Erwartungen und die Aufregung dämpfen?

Grundsätzlich wird die Wetterprognose natürlich gern als „Füllmaterial“ genommen. Man hat ein Thema, das viele Leute irgendwie anspricht. Da kann jeder was zu schreiben. Ich beobachte schon, dass man versucht, aus Extremwetterlagen für die Internetseiten etwas rauszuholen. Bei sich ankündigenden besonderen Ereignissen gehen dann auch die Zugriffszahlen schlagartig nach oben. Grundsätzlich sind die Zugriffe auf die Wetterseiten aber wirklich sehr wetterabhängig. Wenn zum Beispiel die Sonne scheint und alles stabil ist, passiert nicht viel und das Interesse ist begrenzt. Jetzt bei den letzten markanten Wetterlagen, also Schneewinter und Frühlingsmilde binnen kurzer Zeit, gingen die Zahlen schnell nach oben. Dann gehen auch laufend Anfragen unserer Kunden ein. Als Meteorologe muss man darauf achten, dass auch das Richtige und alles nicht zu extrem geschrieben wird. Aus Schneefall und kalter Luft wird schnell mal die „Russlandpeitsche“. Diese Übertreibungen passen natürlich nicht.

 

Seit Menschengedenken wird versucht, dem Wetter – nach dem Duden aus ahd. „wetar“, svw. „Wehen, Wind, Luft“ – auf die Spur zu kommen. Wohl bereits weit vor dem Altertum wird das Wetter in kultischen Riten prognostiziert worden sein. Moderne Prognosen im heutigen Sinne gibt es aber erst seit dem 20. Jahrhundert. Und erst zu dessem Ende gelingt es, Prognosen überhaupt mit höherer Validität über den Zeitraum eines Tages hinweg zu erstellen. Das moderne Wetter ist Hightech-Wetter. Ohne die Rechenleistungen des PCs wären Wettervorhersagen mit guter prognostischer Validität gar nicht zu haben. Selbst in den vergangenen Jahrzehnten und Jahren hat die Speicher- und Rechenkapazität nochmals zugelegt. Das Bild zeigt ein Meteorologenteam im U.S. Weather Bureau Forecast Office im Jahr 1926. Bild: Gemeinfrei.

 

Man hat ein Thema, das viele Leute irgendwie anspricht. Da kann jeder was zu schreiben. Ich beobachte schon, dass man versucht, aus Extremwetterlagen für die Internetseiten etwas rauszuholen

Wie ist denn – knapp skizziert – der Wetterdienst im Mediengeschäft aufgestellt und welche Rolle spielt darin Ihr eigener Dienst?

Bei uns ist es so, dass wir feste Kunden haben, die für ihre Berichterstattung Prognosen, genauere Einschätzungen und O-Töne des Meteorologen für ihren Ort oder die Region wünschen und monatlich dafür Beiträge zahlen. Unsere Vertragskunden melden sich bei uns auch zu dem Zweck, Berichte und Einschätzungen zu vor allem interessanten Wetterlagen oder für besondere Termine und Veranstaltungen einzuholen. Dafür gibt es ebenfalls Vereinbarungen mit den verschiedenen Medienhäusern. Daneben existieren viele private regionale Anbieter und Dienste für Spezialwetter. Die Angebote im Netz haben sich mit den Jahren ebenfalls generell vergrößert. Das sieht man auch an den Webseiten, die verschiedene Wetterinformationen als Infotainment bereitstellen. Quasi ein Rundum-Service, der breite Zielgruppen in der Bevölkerung anspricht. Die Portale funktionieren werbegestützt. Hier wird versucht, möglichst hohe Zugriffszahlen und damit Einnahmen zu generieren. 

Nun gibt es ja nicht nur ein einziges Wettermodell, sondern verschiedene. Bringt das nicht Unsicherheit in die Prognosen?

Man hat die Modelle, auf die man sich als Meteorologe relativ sicher verlässt. Alle sechs Stunden gibt es da ein Update. Bei kleinräumigeren Modellen auch häufiger. Wenn große Veränderungen in kurzer Zeit eintreten, ist man sehr vorsichtig mit seinen Prognosen. Wenn ich zum Beispiel eine Vorhersage im Auftrag einer Zeitung erstelle, schaue ich in die Modelle. Wenn dann einige Unsicherheit besteht, kann man sich auch entsprechend ausdrücken, nämlich in der Formulierung der Prognose. Man sagt zum Beispiel, dass das alles noch mit Vorsicht zu genießen ist.

Wenn es sich aber verdichtet, die Modelle sich also nach und nach angleichen, dann kann man auch genauere Aussagen für die nächsten Tage machen, weil sich dann wahrscheinlich auch nicht mehr viel ändert. Es kommt darauf an, in welche Richtung etwas tendiert. Wir müssen uns immer verschiedene Modelle ansehen, nicht nur eines. Und dann prüfen, welches Modell bei mehrtägigen Aussagen sich am ehesten für eine Region bereits bewährt hat. Ein Meteorologe eignet sich hier auch eine gewisse Erfahrung an. Sie müssen aber auch darauf achten, für welches Medium bzw. in welchem Informationskontext Sie Aussagen machen – zu welchem Zeitpunkt und für welche Dauer.

Wenn ich zum Beispiel eine Vorhersage im Auftrag einer Zeitung erstelle, schaue ich in die Modelle. Wenn dann einige Unsicherheit besteht, kann man sich auch entsprechend ausdrücken, nämlich in der Formulierung der Prognose.

Wie unterscheidet sich überhaupt die Datenerfassung und -rechnung der Modelle, warum gehen die Modelle auch mal weiter auseinander? 

Das liegt an der Gitterauflösung, im Endeffekt wie engmaschig das Modell rechnet. Je nach Höhenstufen und geografischen Besonderheiten werden Temperatur und Niederschlag verschieden prognostiziert. Es gibt globale Modelle, die Abstände von 30 bis 50 Kilometern erfassen und es gibt lokale Modelle, die für kleinere Regionen weit genauer rechnen. Das ICON-D2-Modell des DWD hat beispielsweise eine Auflösung von etwa 3 Kilometern. Da bekommt man natürlich hochwertigere Daten. Es gibt viele wichtige geografische Faktoren, z. B. die genaue Gebirgshöhe, verschiedene Gewässer oder Wälder. Außerdem arbeiten wir mit dem System MOS (Model Output Statistics). Damit optimieren die Wetterdienste anhand statistischer Daten der Vergangenheit ihre Vorhersagen. 

Das heißt, es gibt einen Mix aus Fachlichkeit und Modellberechnung?

Genau. Nehmen wir mal an, für Hamburg prognostiziert das Modell am Montag 12 Grad. Jetzt habe ich vielleicht eine statistische Auswertung aus einer ähnlichen Wetterlage vor ein paar Jahren, die zeigt, dass es 14 Grad wurden. Dann kann die Vorhersage vom Modell etwas höher angesetzt werden. Allgemein kann man sagen: Durch die Verbesserung der Rechenleistung des Computers hat man heute natürlich die Möglichkeit, viel kleinräumigere Modelle zu rechnen und die Daten besser verarbeiten zu können.

Sehr schwierig ist es aber weiterhin, den genauen Anfangswert der Atmosphäre für die Modellrechnungen zu bestimmen. Wenn man sich ansieht, wie groß die Atmosphäre eigentlich ist, und wie wenige, selektive Messwerte man hat, dann kann eine kleine Datenlücke oder schlechte Messung zu großen Effekten führen. So war es auch bei dem Orkan Lothar im Schwarzwald 1999, als der DWD mit seinem Modell daneben lag, weil in einem Bereich, in dem es keine Messwerte gab, der Sturm entstanden ist. Hätte man das richtig erfasst, so fand auch der DWD später heraus, wäre es auch möglich gewesen, die Zugbahn und die Stärke des Orkans damals richtig zu bestimmen und die Menschen in den Regionen entsprechend vor dem Unwetter zu warnen.

Durch die Verbesserung der Rechenleistung des Computers hat man heute natürlich die Möglichkeit, viel kleinräumigere Modelle zu rechnen und die Daten besser verarbeiten zu können.

 

Große Gegensätze: Bei Temperaturen bis nahe oder gar über 20 Grad zeigte sich das vergangene Wochenende ungewöhnlich frühlingshaft warm. Nur wenige Tage zuvor lagen die Temperaturen im tiefen Frostbereich bei teils hohem Schnee. Bis zu 40 Grad Differenz wird in Regionen der Mitte und des Nordens binnen einer Woche gemessen. Bild: Privat/Sz.

 

Insgesamt bringen Meteorologen also neben dem Rechnen der Modelle auch spezielles Kontextwissen ein?

Ja, das ist für kleinräumige Vorhersagen hilfreich. Und für Spezialwetter. Es gibt ja Gebirgswetter oder Seewetter. Manche Meteorologen kennen sich mit Flusstälern oder in waldigen Gegenden besonders gut aus. Als Wetterspezialist benötigt man geografisches Wissen. Etwas einfach gesagt muss man zwischen tief und flach unterscheiden, d. h. ein gutes Bild von der Region haben. Wenn ich z. B. Wetter für die Küstenregion mache, kann man nicht dazu schreiben, was für welche Höhenstufe gilt, im Mittelgebirge kommt es aber auf diese Unterschiede an. Es gibt Meteorologen, die das Wetter einer Region seit Jahren und Jahrzehnten vor Ort erlebt haben und kennen. Wenn jemand in Koblenz sitzt oder in Innsbruck, der macht mitunter Beobachtungen, die in dieser Feinheit vom Modell gar nicht erfasst werden und er kann diese einbeziehen.

Meteorologen behalten vermutlich ein Berufsleben lang ihre Faszination fürs Wetter?

Auf jeden Fall. Das beginnt bei vielen, die später Meteorologie studieren, schon im Jugendalter, dass man quasi als kleiner „Wetterfanatiker“ anfängt, also selbst schon Wetter beobachtet, Temperaturen gemessen und aufgezeichnet hat. Meteorologie ist ein Beruf, den man nicht nur für das Geld macht. Man muss auch wirklich Spaß an der Arbeit haben. Wenn man keinen Spaß mehr am Wetter hat, dann macht es keinen Sinn. 

Es gibt Meteorologen, die das Wetter einer Region seit Jahren und Jahrzehnten vor Ort erlebt haben und kennen. Die machen mitunter Beobachtungen, die in dieser Feinheit vom Modell gar nicht erfasst werden und können diese einbeziehen.

Die erste Frühlingswelle lief bereits fast überall im Land an. In wenigen Tagen ist der Winter auch meteorologisch vorüber. Die Frage muss also noch kommen: Gibt es noch eine Spätvorstellung?

Im März und April können erfahrungsgemäß immer noch Kälte-Rückfälle aus Norden und Osten kommen. Dass es ein bis zwei Tage Schnee gibt, ist immer möglich, aber längere Winterperioden sind vor allem in den Niederungen jetzt eher nicht mehr zu erwarten. In den Mittelgebirgen oder an den Alpen sieht es natürlich anders aus. Man muss aber auch sehen, dass die Sonne jetzt schon recht viel Kraft hat. Nachtfröste kann es noch die nächsten zwei Monate geben, das ist ganz normal. Es müsste aber schon eine extreme Lage eintreten, dass es ab Mitte März nochmal längere Zeit richtig winterlich wird. Ausschließen kann man das natürlich nicht, aber mit dem Stand jetzt ist es unwahrscheinlich. Nächste Woche sieht es erstmal nach ruhigem, trockenem aber nicht mehr ganz so warmen Hochdruckwetter aus.

Na, das sind ja tolle Aussichten! Herr Schmidt, ich danke Ihnen sehr für dieses Gespräch. 

Gespräch und Redaktion führte Marcel Schütz.

Literatur: Häckel, Hans (2009): Meteorologie. Stuttgart: Ulmer.

Für diesen Beitrag referierte/eingebundene Quellen bzw. Medieninhalte:  Allgemeine Zeitung, Duden 7 – Herkunftswörterbuch (1997), DWD, NDR, Stuttgarter Zeitung, Tagesschau.

Schreibe einen Kommentar

Pflichtfelder sind mit * markiert.