Unternehmen haben die Familie entdeckt: sie wollen selbst zur Familie werden. Kaum noch ein Konzern mag auf vertraulich-behagliche Töne verzichten. So sympathisch das erscheinen mag, so nützlich könnte es für Beschäftigte sein, doch lieber Distanz zu halten. Die sozialen Bedingungen von Firma und Familie sind vollkommen unterschiedlich.
Es ist nicht ungewöhnlich, dass zur Beschreibung von Unternehmen einprägsame Bilder oder Vergleiche aus ganz anderen Bereichen herangezogen werden. Gerade in der Beratungsliteratur für Unternehmen sind illustrative Darstellungen verbreitet. Diese sind nützlich, weil sich mit ihnen bestimmte Besonderheiten von Betrieben pointiert herausstellen lassen (Kühl 2013, S. 87 ). Förmlich ausgepolstert mit bildhaften Deutungen des «guten», «richtigen» oder «authentischen» Unternehmens ist der Büchermarkt, auf dem alte Managementkonzepte in neuem Gewand an Frau und Mann der Praxis gebracht werden (Kieser 1997; Kühl 2015). Es gibt auch Beobachtungen dazu, dass diese Neuerungen als besonders charakteristisch präsentiert werden und man darum bemüht ist, sie von anderen, sehr vergleichbaren als unvergleichlich abzuheben (Holmblad Brunsson 2010).
Einige dieser Illustrationen haben in der Organisationslehre und im Personalmanagement regelrecht «Karriere» gemacht; sie genießen Popularität. Etwa die im Vergleich mit heutigen Bildern spröde «Maschinen»-Metapher, mit der Organisationen als funktionstüchtige, gut gesteuerte Gebilde der Leistungserstellung beschrieben werden. Es ist dies das naheliegende, da sehr ökonomische Bild von Organisationen. Spezieller sind Beschreibungen von Unternehmen als «Theater», die natürlich Bühnen haben und Schauspieler – das eigene Personal – oder als «Orchester», die harmonische Symphonien erklingen lassen sollen. Etwas sportlicher werden «Wettkämpfe» und «Arenen» angeführt, in denen zwar die politisch Talentierten und beim Erklimmen der Karriereleiter gut Trainierten gewinnen mögen, wenngleich deshalb nicht unbedingt fair gespielt wird.
Wie auch immer was aus welcher Organisationsform kopiert wurde: Zeitlos ist die Faszination, die in Vergleichen und Metaphern anderer Bereiche steckt (vgl. Morgan 1986). Die organisatorische Veranschaulichung anhand der Abläufe anderer Strukturen hat dabei besondere Funktionen. Illustrative Darstellungen idealisieren erstens die Konzeptionen organisationsfremder Bereiche (der übliche Ausruf: «Sehr interessant!»), um sie zweitens für die eigene Organisation anschlussfähig zu machen. Zugleich pointiert man mit ihnen drittens bestimmte Vorgehensweisen, die auch für die eigene Organisation als zentral angesehen werden. Mit den entsprechenden Anpassungen wird viertens eine Selbstbeobachtung der Organisation betrieben, die letztlich zu Annahmen darüber führt, worauf es – Priorisierung – künftig besonders ankommen soll. Praktisch funktionieren diese Routinen in der Form, dass den «schlechteren» Bildern der Vergangenheit, «bessere» Bilder der Zukunft gegenübergestellt werden (Kieser 1997).
Ein Familienbild der Organisation
Eine neuere Organisationsmetapher, speziell in Unternehmen, scheint sich gegenwärtig mit Konzepten von Familie zu etablieren – und all den positiven Eigenheiten, die dem Familiären zugeschrieben werden. Etwas ist anders an dieser Metapher gegenüber den klassisch bekannten. Statt größere Gruppen (wenn nicht gar ganz andere Organisationstypen und Kollektivapparate zur Beschreibung der eigenen betrieblichen Struktur heranzuziehen) beschreiben sich Unternehmen in Stellenanzeigen, Imagekampagnen und auf den vielen Change- oder Human Resource Management-Kongressen mit ihr als nahezu intime Gemeinschaften. Betont wird eine vertraute, höchstpersönliche Nahewelt. So können Konzerne damit werben, ein «solide familiäres» Unternehmen zu sein. Man verweist auf die «wirklich noch familiäre Atmosphäre», was ja womöglich den Verdacht nahelegen soll, bei der Konkurrenz sehe es schon anders aus.
Diese Selbstbeschreibungen mögen eine wichtige Funktion zur Außendarstellung erfüllen. Und es dürfte keine Kunst sein, Beispiele zu finden, die von den internen Abläufen differieren. Der schwedische Wirtschaftswissenschaftler Nils Brunsson hat darauf hingewiesen, dass Selbstbeschreibungen in Unternehmen sich stets zwischen einer Fassadenpräsentation («Talk») und einer betrieblichen Hinterbühne («Action») ereignen (Brunsson 1989). Brunsson hat dies u. a. an der Einführung «demokratischer» Führungsstrukturen in schwedischen Unternehmen beobachtet. Das Vorhaben wurde besonders dort populär, wo man großen Mangel an demokratischen Möglichkeiten empfand. Allerdings zeigte sich, dass in der Aktivitätsstruktur nur geringfügige Veränderungen eintreten, dafür aber in der Außendarstellung – gerade weil sich wenig ändert – die Plädoyers für mehr Demokratie umso intensiver beteuert werden (Brunsson 2005, S. 21). Dafür wurde der Begriff der «umgekehrten Kopplung» entwickelt. Je weniger in Unternehmen verändert werden kann, desto mehr neigt man dazu, den Willen zur Veränderung zu beschwören (Brunsson 2003, S. 206). Brunsson, der als Entscheidungstheoretiker Organisationen und ihre gesellschaftliche Bedeutung nüchtern einordnet, mahnt nicht zum Handlungsbedarf. Seine Analysen zeigen, dass Unternehmen sich regelmäßig mit Veränderungsroutinen überfordern. Und dass die Probleme, die daraus entstehen, in immer neue (alte) Versuche der Selbstbeobachtung und «Neuordnung» münden.
Familien eignen sich zur organisatorischen «Bebilderung» wohl auch deshalb besonders, da sie gesellschaftlich ohnehin omnipräsent beobachtet werden. Nicht nur als tatsächliche soziale Gebilde, sondern in unzähligen medial dargebotenen Formaten und Praktiken – von der Vorabendserie bis zur Supermarktwerbung. Wo immer es darauf ankommt, Formen der Nähe, Verbundenheit und Fürsorge zu veranschaulichen, ist die Inszenierung familiärer (Ver)Trautheit (und vor allem: sozialer Vorbildlichkeit) nicht weit. Es wundert nicht, dass die emotional positive Besetzung familiärer Bilder früh im Marketing erkannt wurde. Die Werbung liebt geradezu Familien. Bei genauem Hinsehen setzt sich dies selbst in einer Zeit fort, die längst durch hochgradige Pluralisierung des bürgerlichen Familienidylls geprägt ist. Konsequent werden weiterhin in medialen Darstellungen familiäre Merkmale in einer romantischen Tradition herausgestellt. Und vielleicht muss man vermuten: Je mehr dieses Bild Risse bekommen hat, desto beharrlicher wird es vertreten.
Doch familiäre Bindungen können abseits der Glättungen auch das Gegenteil all dessen darstellen: Repression, Missbrauch, häusliche Gewalt, alle rhetorischen, symbolischen und tätlichen Vergehen, die gerade deshalb möglich sind, weil Individuen in familiäre Ordnungen weitgehend unfreiwillig «hineingeraten» und vielmals eher schwer daraus einen Ausweg finden. Überhaupt drängt das Familiäre in Bezug zu Unternehmen problembeladene Assoziationen auf: Gibt es in Business-Familien denn auch Ehekrisen, Scheidungsfälle, den berühmt-berüchtigten Dauer-Clinch mit dem Clan? Oder ist es nicht eher so gedacht, dass gerade hier ein Idyll gezeichnet werden soll; gerade in einer Umgebung, die hier und da für Minuten etwas (informell) Familiäres bieten mag, jedoch hingegen oft genug alles andere als gemütlich und vertrauenswürdig erscheint. Dass man Freunde (und Arbeitgeber) bekanntlich wählt, aber Familie einfach hat, ist – je nach Vorerfahrung – eine heilsame oder eine erschütternde Tatsache.
Mitgliedschaften besonderer Art
Was aber unterscheidet Familien von Unternehmen? Aus organisationssoziologischer Perspektive werden Mitgliedschaft und Vertrag eine zentrale Bedeutung bei der Analyse von Or ganisationen beigemessen. In Vertragsbeziehungen qua Mitgliedschaft kommt es auf bestimmte Ausschnitte von Kommunikation(en) an; nämlich solche, die mit der Leistungserfüllung verbunden sind. Mitglieder erscheinen hier in exklusiven und auch reduzierten Rollen. Sie haben das Recht und machen ab einem nicht näher bestimmbaren Grade davon Gebrauch, mit Verweis auf die Vertragsbeziehung an die Grenzen des Vereinbarten, des Zumutbaren zu erinnern. Kommunikation in Familien ist aus dem Blickwinkel der Systemtheorie Niklas Luhmanns betrachtet nicht Entscheidungs-, sondern Intimkommunikation (Luhmann 1990b). Unternehmen kommunizieren in Form von Entscheidung, Familien in Form von Intimität. Unternehmen explizieren Rollen und deren Grenzen, Familien – genau um gekehrt – implizieren bzw. integrieren zugleich alle anderen Rollen ihrer Mitglieder mit. Unternehmen fordern und gewähren Distanznahme, Familien limitieren Distanznahme qua Mitgliedschaft auf ein gewisses Minimum. Die Tochter als Bankauszubildende muss sich im morgendlichen Schalterdienst wichtiger Kommunikationsschranken bewusst sein. Sie kann hingegen in der Mittagpause am heimischen Küchentisch über die Zahlungsengpässe der Dorfbewohner in andersartiger Weise kommunizieren. Rücksichtnahmen werden reduziert, Wertungen sind vertretbar. Die elterliche Freude über die Indiskretion der Tochter kann folgenlos bleiben, wie auch die Mitteilung der Eltern, solche Kommunikation zu missbilligen. Ungewissheit und Willkür in Fragen der Zulässigkeit und hinsichtlich der Folgen von Handlungen charakterisieren Familien.
In der Intimkommunikation geht es nicht um die romantische Überformung des Familiengeschehens, sondern die Unmöglichkeit von expliziten, isolierten Rollen, Distanznahme und Geheimhaltung persönlicher Information. Zwar gibt es die Konstrukte Eltern und Kinder, es gibt Autoritäts- und Respektgesten und auch mehr oder minder legitimierbare disziplinarische Maßnahmen. Es können Ehe, Partnerschaft und Erziehung mehr Geheimnisse als oben Gesagtes aufweisen. Gleichwohl sind kaum Situationen denkbar, die es erlaubten, von Geheimnis und Distanz mit Bezug auf die Rechte familiärer Mitgliedschaft hinzuweisen. Nur Mitglieder von Organisationen können sich auf Rollengrenzen, auf Distanz berufen – und müssen diese selbst wahren. Ihnen kann mit Sanktion gedroht werden, überschreiten sie diese. Und sie selbst können die Organisation ermahnen, Grenzen zu beachten. Mitgliedschaft in Familien kann ferner nicht durch familiäre Ordnung begrenzt oder aufgelöst werden (Kühl 2012, S. 11–14; Luhmann 1990a). Widerstand in der Familie bleibt ungeahndet oder wird mit ärgsten Mitteln verfolgt. Strafen entfallen oder werden hart vollstreckt. In der Familie kann alles möglich sein und unmöglich zu gleich. Organisationen müssen Widerstand ahnden und können Sanktionen nur in engen Grenzen ergreifen. In Familien wie in Organisationen gibt es freilich inoffizielle Wirklichkeit. Die entscheidende Differenz liegt in Fragen der Akzeptanz, der Zumutbarkeit und den Möglichkeiten des regulierten Widerspruchs durch die Mitglieder.
Verwandtschaft der Familienmetapher mit anderen Bildern
Allem Anschein nach fügt sich das betrieblich Familiäre ideal in einen anderen populären Diskurs: die Demokratisierung der Arbeit, die Verschlankung der Hierarchie, das Versprechen, mehr Partizipation zu ermöglichen (Sattelberger 2015, zur Kritik Kühl 2015). Diese Erneuerungsbotschaften finden üblicherweise eine ausgesprochen positive Erwähnung. Die Arbeit soll «anständiger» werden und man betont den Anspruch persönlicher Verbindlichkeit und Authentizität. Ein Vorteil dieser Konzepte ist, dass man sie rein persönlich gesehen kaum ablehnen kann, sie erscheinen sympathisch, positiv, zugewandt. Schon sind ja erste Großunternehmen dazu übergegangen, das in Kleinstbetrieben übliche «Duzen» zwischen Führungskräften und Angestellten nicht nur zu gestatten oder anzuregen, sondern offizielle Einführungsprogramme zur Umstellung der Sie auf die «Duz-Kultur» aufzulegen. – Um wenige Monate später, wie auf Nachfrage zu erfahren ist, die Abschaffung dieser Praxis per Rundmail mitzuteilen oder optional zu stellen; und damit jede Freiwilligkeit und Vermeidung von Nähe wieder zuzulassen, die ja vielleicht gerade dann bestens funktioniert, wenn sich die Organisation dafür nicht offiziell zuständig sieht.
Ebenso wie bei der Inszenierung familiärer Verhältnisse wird in Konzepten zur Partizipation und Demokratisierung nur eine bestimmte, also die besonders attraktiv erscheinende Seite direkter, vertrauter, letztlich distanzloser Beziehungen in höchst distanzierten Organisationsabläufen akzentuiert. Spannend ist, was dabei unerwähnt bleibt: dass Enthierarchisierung der Hierarchie notwendigerweise den Abbau formaler Rechte impliziert; dass man ohne Sie und Ihnen mental noch lange nicht zu einem Du-auf-Du gelangt. Die Familie, die hier erfunden wird, führt konsequenterweise dazu, dass die Dinge nicht mehr selbstverständlich zu beanspruchen und zu erstreiten sind, wie freiwillige Mitgliedschaft es voraussetzte. Familiarität in Firmen bedeutet in erster Hinsicht dies: die Fiktion der unfreiwilligen Clangemeinschaft in einer eigentlich auf Freiwilligkeit basierenden Organisation. Eine schleichende Relativierung von Rechten dürfte aber den Wenigsten recht sein. Was die blumigen Plädoyers für die neuen, anständigen, ehrlichen, gemeinschaftlichen und erst recht «familiären» Unternehmen allesamt eint, ist ein gerüttelt Maß fehlender Sensibilität gegenüber dem Nutzen markanter Schutzzonen im Arbeitsalltag; die gerade den elementaren Effekt für Organisationen mit sich bringen, ihre Mitglieder von allzu hohen Erwartungslasten verschont zu halten.
Die familiäre Erweiterung der Mitgliedschaft
Noch eine weitere Dimension des «Firmenfamiliären» sei erwähnt: die ideologische Überformung. Wo Familiarität erwünscht ist, können regelrecht eingeschworene Gemeinschaften prächtig gedeihen. Vielleicht geht es nämlich in solchen Fällen darum, die Konformität der Mitarbeiter zu stärken. Üblicherweise wünschen sich Organisationen, auf ihre Mitglieder auch als positive Sender und Makler nach außen setzen zu können. Es ist davon auszugehen, dass viele Beschäftigte damit kein Problem haben. Etwas ganz anderes ist es, wenn der Eindruck aufkommt, die Organisation ähnele einer Glaubensgemeinschaft. So erwähnte die Leiterin einer Personalabteilung eines Traditionsunternehmens ganz und gar unbefangen in einem Meeting gegenüber externen Beratern, ihr Unternehmen sei «eine Art gute Sekte». Es ist nützlich, gerade in informellen Abläufen Konformitätszwänge aufzubauen, um (typisch in Familien) auf persönliche Ressourcen der Mitglieder zugreifen zu können. Man spricht vom psychologischen Kontrakt, den Beschäftigte neben dem Arbeitsvertrag eingehen. Dabei ist der Arbeitsvertrag nicht nur Hinweis auf das, was das Mitglied der Organisation schuldet. Mehr noch geben Arbeitsverträge Auskunft darüber, was Mitglied und Organisation voneinander getrennt hält.
Vor diesem Hintergrund sind familiäre Organisationsbeschreibungen merklich fehl am Platz. Denn Familienmitglieder treten überhaupt nicht in Vertragsbeziehungen ein, die Rollen voneinander getrennt hielten und Pficht- und Schutzrechte bedingten. Das wird auch dadurch nicht anders, dass es mancherorts Vorstellungen gibt, Prinzipien der Organisation – genau umgekehrt – nun im Familienleben einzuführen, etwa über «Familienkonferenzen», die vertragsmäßig gestaltet werden (Bröckling 2007, S. 130f.). Und wenn in «echten» Familien Verträge erforderlich werden, um Rechte und Pflichten regeln und Zugehörigkeiten bzw. Zugriffsoptionen klären zu müssen, ist ohnehin ein Zustand erreicht, der kaum mehr als bürgerliches Ideal von Familie taugt. Die einzigen Organisationen, die sich sodann wirklich intensiv mit Familien beschäftigen, sind: Familiengerichte.
Der Unwille der Unternehmen, doch „nur“ ein Unternehmen zu sein
Die Frage ist also, was Unternehmen zu gewinnen suchen, wenn sie höchst kontrastive, problematische Beschreibungen zur eigenen Darstellung wählen. Eine Beobachtung in der Organisationsforschung ist jene, wonach Unternehmen (zunehmend?) einige Schwierigkeiten haben, schlicht zu akzeptieren, was sie sind: nämlich einzig Unternehmen – Wirtschaftsbetriebe, die auf Gewinnstreben ausgerichtet werden. Alle möglichen Bilder und Umschreibungen, die das zu mildern oder umzuinterpretieren suchen, erscheinen eigentlich als Ausflüchte und Verdrängungstaktiken. Sie werden gebraucht, um Unternehmen als etwas zu charakterisieren, das immer als etwas mehr oder anderes etc. erscheinen soll, als es tatsächlich sein/werden kann. Vielleicht liegt es an der Situation heutiger, von Legitimationszwängen beeinflusster Unternehmen, dass sie sich so bemühen, gerade nicht als typisches Unternehmen zu erscheinen. Warum eigentlich nicht? Wäre diese Klarheit nicht sympathisch? Vielleicht scheuen sich Personalmanager und Organisationsentwickler vor dieser Darstellung, weil sie zugestehen müssten, dass ihr Unternehmen eigentlich ziemlich «normal» funktioniert, der Büroalltag wie in jeder anderen Verwaltung bewältigt wird und man es mit Familie und Demokratie nicht ganz so konsequent ernst meinen kann. Was wäre dann noch an diesen Unternehmen wirklich besonders erwähnenswert? Ehrlicherweise doch der Umstand, dass im Prinzip nichts im eigenen Unternehmen so viel mehr besonders ist als bei anderen.
Wie zu erwarten ist, kann Skepsis gegenüber familiären Konzepten in Unternehmen nicht zugleich auf «echte» Familienunternehmen übertragen werden. Es ist aber fadenscheinig, mit dem Reiz und den Besonderheiten von klassischen Familienunternehmen in Großorganisationen wuchern zu wollen. Der junge Bewerber einer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft mag im Assessment Center an die freundlichsten Menschen geraten, die ihm ausgiebig den «sehr familiären Charakter» des Hauses schmackhaft machen. Es dürfte allerdings gerade für betriebliche Neuankömmlinge grundverkehrt sein, sich auf solche Sicherheiten im Konfliktfall zu verlassen. Werden entsprechende Annahmen über die Vorzüge der «familiären Familienunternehmen» kopiert, so kann es sich dabei nur um Banalitäten und Gemeinplätze handeln. Freundlichkeit, Rücksichtnahme und Vertrauen mögen in der Tat sehr wichtige, positive Eindrücke bei Beschäftigten sein. All das bedarf kaum der Erwähnung. Und selbst in klassischen Familienunternehmen muss die Darstellung von Nähe und Vertrauen viel komplexer gesehen werden, als es wiederum mit deren Selbstzuschreibungen geschieht (Geramanis & Hermann 2014; Grossmann & v. Schlippe 2015; Vallejo 2008).
Metaphern erfassen eine bestimmte Seite von Organisationen. Man reduziert mit ihnen zu großen Teilen all das, was nicht zur Metapher passt und betont einzelne Facetten über Gebühr. Das ist auch der Grund, warum die Bilder des Managens sich als ein Auf und Ab darstellen. Das eine Credo geht, das andere kommt. Nichts ist gänzlich vorüber, unter neuen Labeln treten alte Inspirationen wieder hervor. Wo immer von ihnen die Rede ist, und man mit ihnen zu punkten versucht: Familien sind zumutungsreich. Das muss auch jemand gewusst haben, der sich immer wieder als ein wahrer Meister zahlreicher Karikaturen des Intimen und Familiären hervorgetan hat: Vicco von Bülow, alias Loriot. Besonders in seinem Film Papa ante Portas. Darin fragt Loriot auf einer intrigant eingestimmten Sippschaftsfeier – in seiner markanten („Gast“)-Rolle als Opa Hoppenstedt – einen ihm unbekannt Anwesenden ganz und gar plump: «Gehörst du zur Familie?» Dieser muss verneinen, was Hoppenstedt verlässlich zur Antwort führt: «Schwein gehabt!» Bei aller Familienferne gilt dann doch die Einschränkung, dass manche Familienszenen selbst in Unternehmen nicht gänzlich unbekannt sein dürften. Und vielleicht ist noch etwas zwischen Familien und Firmen ähnlich ausgeprägt: Dass man zwar sehr bedacht ist darauf, sich in einer bestimmten, einer glatten Art und Weise zu präsentieren, dass man aber auch sehr gut damit zu leben versteht, den eigenen Ansprüchen zuweilen etwas mehr auf der Ebene des Talks statt auf jener der Handlung gerecht zu werden. Doch, wie weiß schon der Volksmund: So etwas kommt nun wirklich selbst in den «besten Familien» vor.
Dieser Beitrag ist in anderer Fassung zuerst in der Zeitschrift „Organisationsentwicklung“ erschienen.
Marcel Schütz ist Research Fellow an der Northern Business School Hamburg. Er unterrichtet daneben Soziologie an der Universität Bielefeld.
Literatur
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Geramanis, O. & Hermann, K. (2014): Organisation und Intimität:
Der Umgang mit Nähe im organisationalen Alltag — zwischen Vertrauensbildung und Manipulation, Carl Auer.
Grossmann, S. & Schlippe, A. v. (2015): Family Businesses: Fertile Environments for Conflict, in: Journal of Family Business Management 5, S. 294—314.
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Sattelberger, T. et al. (Hrsg.) (2015): Das demokratische Unternehmen. Neue Arbeits- und Führungskulturen im Zeitalter digitaler Wirtschaft, Haufe Lexware.
Vallejo, M. C.(2008): Is the Culture of Family Firms Really Different? A Value-based Model for Its Survival through Generations, in: Journal of Business Ethics 81, S. 261—279.