Stabsstellen gibt es in (Hochschul-)Verwaltungen mittlerweile zu den unterschiedlichsten Themen: Umwelt, Diversität, Internationalisierung usw. Aber sind diese Stellen wirklich Treiber von Veränderungen oder handelt es sich vielmehr um elegante Feigenblätter? Der Beitrag untersucht Möglichkeiten und Hindernisse von Stabsstellen.*
Seit einigen Jahren wird es immer voller in den Leitungsetagen von Hochschulen. Um als modern wahrgenommen zu werden, müssen Hochschulen sich um mehr und mehr Aufgaben kümmern: Organisationsentwicklung, Internationalisierung, Diversität, Umwelt- und Klimaschutz, Familienfreundlichkeit, Digitalisierung, Transfer von Wissen oder Wissenschaftskommunikation. In diesem Zusammenhang hat eine Art von Stellen einen besonderen Zuwachs in Hochschulverwaltungen erfahren: die Stabsstelle.
Je nach Größe einer Einrichtung bilden sich Stabsstellen oder -abteilungen mit unterschiedlichsten Aufgabenzuschnitten um die Präsidien und Abteilungsleitungen. Als kleinste Organisationseinheit ist die Stelle dabei ein üblicher Ansatzpunkt, um Veränderungen in Organisationen zu forcieren. Zudem kann eine Hochschule, ohne dass die Stelleninhaberin irgendwie aktiv geworden ist, nach außen und innen darstellen, dass sie Verantwortung für das jeweilige Thema übernimmt. Schon lange gibt es, laut Pasternack und Kollegen (2018: 98), eine „gewisse Tradition“ an Hochschulen, Beauftragte für spezielle Anliegen zu benennen: etwa Frauen- bzw. Gleichstellungsbeauftragte, Ausländer- oder Behindertenbeauftragte. Gleichwohl sind Stellen für Beauftragte nicht automatisch Stabsstellen, häufig aber schon.
Eine – je nach Größe der Einrichtung – mehr oder weniger große Zahl an Stabsstellen gehört zum Inventar von Hochschulen. Verändern sie diese, so wie es deren Außendarstellung verspricht, oder handelt es sich vor allem um Feigenblätter oder um Schauseitenmanagement, wie es in der Organisationswissenschaft heißt?
Was eine Stabsstelle charakterisiert
Das Stabsstellen besetzende Personal ist häufig sehr gut ausgebildet – nicht selten sind die Stelleninhaberinnen promoviert – und die Vergütung ist entsprechend hoch. Es unterscheidet sich demnach von der Qualifikation als auch von der Vergütungsanforderungen von denen klassischer Dezernatsstrukturen. Die Stabsstellen oder -abteilungen haben typischerweise beratende Funktionen und sind abhängig von der Entscheidungsverantwortung der Leitung, beziehungsweise der Hierarchielinie. Die Stäbe selbst verfügen über keine Entscheidungsmacht, sondern können nur ihre Expertise in den Ring der hochschulischen Auseinandersetzungen werfen. Sie befinden sich außerhalb der Rangordnung der Linie. Klaus Dammann (1969: 114) schreibt Stabsstellen zu, vor allem zu koordinieren und zu planen, mit dem Ziel, die Vorgesetzten zu entlasten sowie zu beraten. Helmut Baier (1973: 22) unterscheidet drei Kriterien, die eine Stabsstelle charakterisieren:
- Stabsstellen sind Führungshilfsstellen beziehungsweise Hilfs- und Entlastungsorgane der Leitung.
- Ihre Aufgabe besteht in der Information und Beratung der Linienstelle, einschließlich der Planung und Entscheidungsvorbereitung.
- Stabsstellen haben keine Entscheidungsbefugnisse beziehungsweise kein Anordnungsrecht gegenüber Linienstellen.
Eine Stabsstelle befindet sich demnach üblicherweise nah an der Spitze der hochschulischen Hierarchie, verfügt selbst aber über keine formalen Machtmittel, häufig haben sie beratende oder zuarbeitende Funktionen und üben Tätigkeiten aus, die kognitiv herausfordernd und nicht kleinteilig programmiert werden können. Die Aufgaben von Stabsstellen können als „geistige Tätigkeiten“ beschrieben werden, so Baier (ebd.: 23) weiter, die „niemals routinemäßig erfüllbar und auch nicht terminierbar“ sind. Daher sind die Kommunikationswege außerdem „nur in geringem Maße regelbar“. Nicht nur die Vergütung sowie die akademische Ausbildung unterscheidet diesen Stellentyp von klassischen Referatsstellen, sondern auch die Anforderungen an diese Stellen: Eigenverantwortlichkeit, strategisches sowie kommunikatives Geschick oder die Bildung von hochschulinternen sowie -externen Netzwerken.
Was bedeutet diese Charakterisierung für die Ansprüche von Hochschulen, umweltfreundlicher, diverser, digitaler oder internationaler zu werden? Welche Möglichkeiten haben Stabsstellen, Hochschulen – auch ohne formale Macht – zu verändern und welchen Schwierigkeiten begegnen sie dabei?
Die Arbeitsweisen und Herausforderungen
Mit einer Stabsstelle entsteht in einer Hochschule zunächst ein Ort für das jeweilige Thema. Stelleninhaber können Informationen innerhalb und außerhalb der Hochschule sammeln, Initiativen anstoßen, Koalitionen schmieden und Themen ausdauernd behandeln. Ideen können darüber hinaus in Entscheidungsvorlagen gegossen werden, die einem Abteilungsleiter oder einer Kanzlerin vorgelegt werden. Darüber hinaus sammeln sie Informationen, die sie in Berichten und Leitfäden veröffentlichen, oder moderieren Leitbildprozesse, deren Ergebnisse sie in Leitbildern zusammenfassen.
Da die Stellen meist nah an der Spitze der Hochschule installiert, aber nicht in Abteilungen oder Referate eingebunden sind (Stratmann 2014: 162), stehen sie allerdings häufig vor der Herausforderung, ausreichend Informationen aus den jeweiligen Abteilungen und Fakultäten zu erhalten. Die in Berichten vorliegenden Informationen sind geglättet und zudem stark abstrahiert, etwa in Form von Zahlenwerten. Was unterhalb der formalen Oberfläche in Abteilungen vor sich geht, welche mikropolitischen Konflikte bestehen, welche informalen Verhältnisse vorherrschen und welche hidden agendas bestehen, können Inhaber von Stabsstellen häufig nicht wissen. Dieses Wissen aber ist wichtig, um entweder die eigenen Angebote problemgerecht zu gestalten, oder um diese Zustände bei der Formulierung von Maßnahmen zu berücksichtigen. Ist dies nicht möglich, laufen die Aktivitäten der Stabsstelle Gefahr, als von oben auferlegt und unpassend wahrgenommen und abgelehnt zu werden.
Um an entsprechende Informationen zu gelangen, sind persönliche Beziehungen in die jeweiligen Abteilungen und Fakultäten notwendig. Das hat die Nachteile, dass es zum einen sehr aufwendig ist, über eine Hochschule verteilt vertrauensvolle Beziehungen zu etablieren. Zum anderen sind diese Kontakte von Personen abhängig. Geht ein Beschaffer in Ruhestand oder wechselt eine Dekanin, bricht die Beziehung zusammen. Dasselbe gilt für einen Stellenwechsel der Stabsstelle. Ein Nachfolger wird zwar nicht bei null anfangen müssen, aber viele Beziehungen, in denen auch delikate Details aus dem Hochschulalltag ausgetauscht werden, müssen neu etabliert werden.
Ein Vorteil von außerhalb der Hierarchien bestehenden Stäben besteht darin, dass sie sich relativ frei in der Hochschule bewegen können. Da nur wenige Kommunikationswege festgelegt sind, können sie neue schaffen. Aufgrund des geringen formalen Einflusses ist der Erfolg einer Stabsstelle dabei vom kommunikativen Geschick, der Fähigkeit, Netzwerke zu etablieren oder Kompromisse vorzuschlagen, abhängig. Manche Stelleninhaber können dies besser als andere.
Nur Symbolik und keine echten Veränderungen?
Stabsstellen sind zwar Teil der Hochschulverwaltung, unterliegen aber nicht deren Hierarchie, haben große Freiheiten bei der Bearbeitung ihrer Aufgaben, aber keinen oder nur geringen formalen Einfluss auf andere Stellen. Können Hochschulen mit Stabsstellen für Umweltschutz, Diversität oder Wissenschaftskommunikation trotzdem ihren CO2-Ausstoß reduzieren, eine diverse Belegschaft bekommen oder hervorragend akademische Erkenntnisse aufbereiten?
Der Soziologe Niklas Luhmann argumentiert, dass eine neue Stelle zunächst als ein elegantes Vorgehen gewertet werden kann, wie Organisationen auf Erwartung der Gesellschaft reagieren können, ohne andere Strukturen ändern zu müssen. Der Vorteil dabei sei, dass außer der neuen Stelle erst einmal nichts geändert werden muss: „Alles bleibt in den alten Bahnen; es wird lediglich eine neue Stelle (…) angegliedert und mit den Aufgaben betraut, die sich aus den neuen Bedürfnissen ergeben“ (Luhmann 1964: 149). Klaus Dam-mann (1969: 116) spricht in diesem Zusammenhang von Stabsstellen als „Feigenblättern“: Eine Gleichstellungsbeauftragte macht eine Hochschule nicht gerechter, ein Umweltmanagementbeauftragter sie nicht umweltfreundlicher. Die Gründe dafür habe ich bereits aufgeführt: Stabsstellen verfügen über keine formale Macht und sie haben ein Informationsdefizit hinsichtlich der Vorgänge in den unterschiedlichen Abteilungen sowie Fachbereichen. Eine neue Stabsstelle für eines dieser Themen wird aus dieser Perspektive vor allem als symbolische Alternative zu tiefgreifenden Veränderungen verstanden.
Viele Gleichstellungsbeauftragte werden beispielsweise ein Lied davon singen können, dass es trotz formaler Vorgaben, Bekenntnisse in Leitbildern, rechtlicher Normen sowie großer Bemühungen und Engagement weiterhin schwierig ist, in Berufungsverfahren Kandidatinnen gegen eine männlich dominierte Professorenschaft zu verteidigen.
Das akademische Personal versteht Initiativen von Qualitätsmanagerinnen (Hahn und Wagner 2016) oder Umweltschutzbeauftragten (Daubner 2021) meist als Eingriff in sein Hoheitsgebiet. Dasselbe gilt für das administrative Personal: Die Anforderungen und Ratschläge von Umwelt-, Gleichstellungs- oder Digitalisierungsbeauftragten bedeuten häufig zunächst mal mehr Arbeit sowie die Aufgabe von liebgewonnenen Routinen.
Feigenblätter mit Mission
Zwar können die Stabsstellen keine Verordnungen verfassen oder ändern, sie können aber runde Tische initiieren, Expertise sammeln, die Entscheiderinnen immer wieder daran erinnern, dass das jeweilige Thema wichtig ist, oder studentische, administrative oder akademische Initiativen aufgreifen und unterstützen. Viele Vorschläge werden im Sande verlaufen oder aufgrund fehlender finanzieller Mittel nicht durchgeführt werden können. Die eine oder andere Idee wird aber von der Hochschulleitung aufgegriffen und es kommt zu Entscheidungen, die ohne die Stabsstelle nicht getroffen worden wären. Da viele Entscheidungen in Hochschulen durch Verhandlungen zwischen den Betroffenen und nicht durch hierarchischen Durchgriff zustande kommen, können Stabsstellen hier an bewährte und bekannte Prinzipien anknüpfen.
Mit einer entsprechenden Stabsstelle besteht zumindest für die Verwaltung die Chance, ein bisschen umweltfreundlicher, diverser oder familienfreundlicher zu werden. Lehrenden und Forschenden können – trotz aller Veränderungen der vergangenen Jahrzehnte – nach wie vor insbesondere Angebote gemacht werden, deren Teilnahme freiwilliger Natur ist.
Stabsstellen haben darüber hinaus für Hochschulen die wichtige Funktion, der außerhochschulischen Öffentlichkeit zu signalisieren, dass die jeweiligen Themen als wichtig erachtet werden. Somit sichern sich die Einrichtungen Legitimation, die sich auch in finanziellen und ideellen Zuwendungen auszeichnet. Stabsstellen können also in vielen Fällen als Feigenblätter bezeichnet werden, sie haben aber trotzdem nach innen wie nach außen wichtige Funktionen für Hochschulen: Ideen einbringen, das jeweilige Thema auf der Agenda halten, Koalitionen bilden, der Außenwelt sowie der innerhochschulischen Öffentlichkeit signalisieren, dass das Thema relevant ist. Damit eine Hochschule sich aber entsprechend wandelt, reicht es nicht, nur eine neue Stelle zu schaffen, es müssen sich viele weitere Strukturen in und außerhalb einer Hochschule ändern.
* Der Beitrag erschien zuerst in der DUZ Wissenschaft & Management 07/2021 vom 03.09.2021
Literatur
Baier, Helmut (1973): Die Stab-Linie-Problematik. Eine organisatorische Systemanalyse insbesondere von Versicherungs-
betrieben. Karlsruhe: Verlag für Versicherungswirtschaft.
Dammann, Klaus (1969): Stäbe, Intendantur- und Dacheinheiten. Köln: Carl Heymanns.
Daubner, Lukas (2021): Die Unwahrscheinlichkeit des Umweltmanagements. Übersetzung gesellschaftlicher Erwartungen in Hochschulstrukturen: Eine organisationsethnographische Fallstudie. Berlin: openD.
Hahn, Matthias & Gabriele Wagner (2016): Organisation „im on/off-Modus“. In: Sozialer Sinn 17/1, 35–68.
Luhmann, Niklas (1964): Funktion und Folgen formaler Organisationen. Berlin: Duncker und Humblot.
Pasternack, Peer; Schneider, Sebastian; Trautwein, Peggy & Steffen Zierold (2018): Die verwaltete Hochschulwelt: Reformen,
Organisation, Digitalisierung und das wissenschaftliche Personal. Berlin: BWV.
Stratmann, Friedrich (2014): Hochschulverwaltung – Ein blinder Fleck in den Diskursen über Hochschulmanagement und
Hochschule als Organisation. In: Scherm, Ewald (Hg.). Management unternehmerischer Universitäten: Realität, Vision oder
Utopie? München: Rainer Hampp, 157–171.