Ironie, Ideologie und Identität der Piraten

Die multiple Persönlichkeit des Nerds.

Als schwimmendes Vereinsmitglied, das sich über die Ertüchtigung hinaus engagierte, war ich mal als Kampfrichter bei einem Wettkampf mit Behinderten. Es schwammen Menschen ohne Beine, mit fehlenden Armen, Blinde und Taube gegeneinander. Es war ziemlich klar, worum es dabei ging. Niemand hat die sportlichen Ergebnisse ernst genommen, weil sie nicht zu vergleichen waren. Die Teilnehmer am Beckenrand haben diejenigen, die gerade schwammen, nicht angefeuert, sondern angemacht: „Beweg deine Beine!“, sagten sie zu denen, die keine hatten. „Mach die Augen auf!“, sagte man den Blinden.

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Fragen an Marina Weisband (Update)

Marina Weisband, noch politische Geschäftsführerin der Piratenbundespartei, äußert sich zum Verhältnis zwischen den Massenmedien und ihrer Partei. Allgemeiner Tenor: Die Piraten werden viel gefragt, bekommen aber kein Verständnis, weil Journalisten in alten Modi bleiben, die die Piraten für ungültig erklären. Sie sagt: „Auf der anderen Seite werden uns einfach nicht die richtigen Fragen gestellt.“ Ok, die Piraten nutzen Technologie, sie wachsen schnell, usw. Ich bin seit kurzem Journalist und stelle Frau Weisband jetzt auf die Probe. Ich stelle ihr Fragen via dieser Website, also einer raum- und zeitüberbrückenden, alle Limitierungen sprengenden Technologie, ganz auf Piratenlinie. Es sollte doch gelingen, oder? (Es sind Fragen, die hoffentlich auch ohne Antworten für den Leser Sinn ergeben. Ich würde mich trotzdem über Antworten freuen!)

Update: Marina Weisband hat erfreulich und erstaunlich schnell auf die Fragen geantwortet. Ich habe sie aus ihrem Kommentar kopiert und den Fragen hier im Text direkt zugeordnet.
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Paradox politische Partizipation

Ab morgen bin ich Journalist. Ich könnte also heute noch einmal den Soziologen heraushängen lassen. Vielleicht so: „Ihr wollt die Gesellschaft ändern – und gründet dafür eine Organisation?“ „Ihr wollt die Realität der Zukunft ändern – und denkt euch jetzt ein Programm aus?“ „Ihr wollt mit Inhalten überzeugen – und geht in Fernseh-Talkshows?“ „Ihr wollt alle Bürger einbinden – und kümmert euch um Personenwahllisten?“

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Was weiß Google jetzt?

Ich mag Leo Laporte sehr. Ich weiß nicht, wie man die paar Sekunden oben sieht, wenn man ihn nicht kennt. Er ist ein vorbildhafter Moderator, der im richtigen Moment gute Fragen stellt, seine Gäste kennt, sein (gar nicht so) kleines Unternehmen mit Liebe fortentwickelt und immer nach guten inhaltlichen Argumenten sucht. Wie er sich in der gestrigen Twig-Ausgabe äußert, ist einfach vorzüglich.

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Wie wäre es mit Vertrauen?

Bei all den Lösungen, die diskutiert werde, werden Probleme übersehen. Diese Diagnose kann als die einzig richtige, heute gültige behandelt werden, weil sie inhaltlich so neutralisiert ist. Sie sagt nichts darüber, was ist, sondern nur, dass man es nicht weiß. Nun wird selbst die zeitgeistgegenwärtigste politische Partei gefragt, was in ihrem Programm steht, und anstatt die Frage mutig als absurd abzulehnen, gilt das alte Spiel, in welchem demnächst Inhalte versprochen werden, für eine Zeit, deren zukünftige Probleme erst recht unbekannt sind. Gibt es noch Vertrauen in Personen, Verfahren und Systeme? Wie viel Welt lässt sich einer Idee opfern, die fordert, Einblicke zu gewähren, aber nur aufzeigt, was man alles trotzdem nicht sieht? Warum qualifiziert man sich auch 2012 politisch noch mit Text und Phrasen, deren oberster Kritikpunkt ist, dass sie – wenn es dann tatsächlich darauf ankommt – nicht schnell genug vergessen werden können?

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Wer braucht wozu und wieso überhaupt Piraten?

Zur Bundestagswahl 2009 waren die Piraten eher Protestbewegung als politische Partei, männliche Erstwähler wählten sie damals mit 13 Prozent. Nun, ein Jahr vor der nächsten Bundestagwahl, erweiterten sie das deutsche landesparlamentarische Parteienspektrum inzwischen um 19 Piraten-Abgeordnete. Aber: 94 Prozent der Menschen, die im Saarland tatsächlich Piraten wählten, bestätigen auf Nachfrage den Satz: „Die Piraten sind eine gute Alternative für die, die sonst gar nicht wählen würden“. Und 85 Prozent der Wähler, die tatsächlich Piraten wählten, sagen: „Man könne jetzt, da die Regierung praktisch schon feststeht, auch mal eine andere Partei wählen, die sonst nicht infrage kommt.“ Es sind beeindruckende Zahlen.

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Nachtrag zur Facebook- und Twitterindustrie

Sascha Lobo hat recht. Mein zuletzt vorgetragener Vergleich von Twitter und der Bahn hinkt. Denn man weiß natürlich, was ein Zug macht und man darf seine Bürgerrechte während der Fahrt behalten, während Online Social Networks es bei einem vagen „möglicherweise“ in ihren AGB belassen und den ihnen ausgelieferten User fordern. Der „Zugriff auf die Datenbank des Denkens und Fühlens“ soll per Marktwirtschaft geschehen und das Scharnier zwischen Individuum, Organisation und Gesellschaft sind die AGB. Warum?

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Social Web sollte auch social sein!

Der AGB-Unfug muss ein Ende haben. Das Internet macht sich in der Gesellschaft breit, und kaum jemand bekommt es bewusst mit. Aufklärung hilft nicht. Wie auch? Das ist nicht neu. Aufklärung war noch nie eine wirkliche Lösung. Wenn es zu kompliziert ist, ist es zu kompliziert. Noch bevor Sascha Lobo seine Kolumne heute veröffentlichte, twitterte Johnny Haeusler: „Hiermit akzeptiere ich die Allgemeinen Geschäftsbed…“ Klick. Und er hat damit (genau, womit denn?) recht. Die Gesellschaft muss reibungsarm funktionieren. Wenn sie jedoch auffällig merkwürdig funktioniert und uns ständig überrascht und zur Problemlösung anhält, ist der Rat, die Gesellschaft möge in jedem an sie angeschlossenem Gehirn mitprozessiert werden, keine zielführende Antwort.

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